WTO: Die neuen Bedrohungen der Entwicklungsländer und der Nachhaltigkeit

01.11.2001

A. WTO und nicht-nachhaltige Entwicklung

Die WTO, ihre Abkommen und ihr auf Expansion ausgerichteter Zugriff sind möglicherweise der gefährlichste Angriff auf die nachhaltige Entwicklung. Zusätzlich zu den bereits ungleich gewichteten Abkommen gibt es jetzt enormen Druck von Seiten der EU, USA, Japan und anderen reichen Nationen, die Vollmachten der WTO in neue und heimtückische Gewässer auszudehnen. Sie drängen auf neue Abkommen über Investition, Wettbewerb und das öffentliche Beschaffungswesen. Sollten diese zustande kommen, würden die neuen Regulierungen die Aussichten der Entwicklungsländer auf Entwicklung beeinträchtigen oder vernichten. Zusammen würden die alten und diese neuen Abkommen buchstäblich das Ende nachhaltiger Entwicklung bedeuten.

B. WTO und die Ministerkonferenz in Doha

Die WTO hielt ihre 4. Ministerkonferenz vom 9. bis 14. November 2001 in Doha ab. Vor Doha hatten die Entwicklungsländer ihr Anliegen vorgetragen, dass die Mitgliedschaft der WTO sich in den nächsten Jahren auf die Lösung der Probleme konzentrieren solle, die aus der Uruguay Runde und aus den institutionellen und systembedingten Fragen in der kurzen Zeit seit der Errichtung dieser wichtigen Institution entstanden sind.

Doch die größten entwickelten Länder haben viel Druck gemacht, um das Verhandlungs- und Regulierungsmandat der WTO zu erweitern, einschließlich um die Aufnahme neuer Bereiche wie Investition, Wettbewerb, öffentliches Beschaffungswesen, sowie Handel und Umwelt. Dieser Versuch der Ausweitung war auf starken Widerstand bei der Mehrheit der Entwicklungsländer gestoßen.

Aufgrund einer Reihe manipulativer Taktiken waren in Schlüsselbereichen und -themen die Ansichten und die Positionen vieler Entwicklungsländer in den Entwürfen für die Ministererklärung von Doha, die in Genf und Doha vorbereitet worden waren, nicht angemessen wiedergegeben worden (oder überhaupt nicht wiedergegeben worden).

Dies galt besonders für die Teile der Erklärung, die sich auf die "Singapore issues" (Investition, Wettbe-werb, Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen und Handelserleichterungen) bezogen und auf die Umwelt. Die Erklärung unterstellt, dass auf der Basis eines noch zu findenden ausdrücklichen Konsens über die "Modalitäten" von Verhandlungen Einigkeit darüber erzielt worden sei, Verhandlungen über die "Singapore issues" im Anschluss an die 5. Ministerkonferenz (geplant 2003) aufzunehmen.

Aufgrund von Widerständen und Anträgen auf Umformulierung dieser Ausdrucksweise bei der letzten "informellen" Sitzung in Doha war diese Erklärung jedoch in der letzten offiziellen Sitzung vom Vorsitzenden der Konferenz dahingehend gemäßigt worden, dass der bezeichnete Konsens benötigt würde, um Verhandlungen beginnen zu können (bedeutend, dass der benötigte Konsens sich nicht nur auf die Modalitäten beschränkt). Es ist zu erwarten, dass die Interpretation und die Klarstellung durch den Vorsitzenden der Konferenz in den kommenden Monaten intensive Diskussionen auslösen wird. Auf jeden Fall verpflichtet die Erklärung die Mitglieder der WTO in Bezug auf jedes der "Singapore issues" eine Reihe von Elementen und Themen zu diskutieren, die maßgebende Implikationen haben werden, ob ein Konsens über die Modalitäten oder ob ein Konsens über das größere Thema der Wünschbarkeit von Verhandlungen über neue Abkommen innerhalb der WTO erzielt werden kann. Aus diesem Grund gibt es eine schwere Arbeitslast für die Entwicklungsländer zu diesen Themen innerhalb des gegenwärtigen neuen Arbeitsprogramms vor der 5. Ministerkonferenz 2003 in Mexico.

C. Eine strategische Schlüsselfrage: Erst Lösung der Ungleichgewichte oder erneute Zahlung als Teil des Post-Doha-Pakets?

Die Entwicklungsländer sehen sich bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen aus der Uruguay Runde mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Sie haben mit Bezug auf diese Umsetzung über einhundert Probleme aufgelistet und Veränderungen oder Klarstellungen für viele Abkommen vorgeschlagen, um die Situation zu verbessern.

Einige der Probleme, die entstanden sind oder entstehen könnten, beinhalten:

a) das Verbot von Investitionsregulierungen (wie Bestimmungen zum Schutz einheimischer Bestände) und Subventionen, die den Aufbau inländischer Industrie erschweren;

b) Importliberalisierung und Beschränkungen inländischer Landwirtschaftssubventionen, die die Lebensfähigkeit von Reisbauern und den Lebensunterhalt von Kleinbauern oder anderer kleiner Nahrungsmittelproduzenten gefährden könnten, die aufgrund von billigen (und vielleicht subventionierten) Nahrungsmittelimporten einem scharfen Wettbewerb ausgesetzt sein werden [einschließlich des Wettbewerbes aufgrund der AFTA Einführung];

c) die Wirkungen eines strengen geistigen Eigentumsrechts als Resultat des WTO-TRIPS Abkommens, das zur Folge haben wird: 1) höhere Preise für Medikamente, Computer Software und andere Konsumartikel; 2) die Patentierung von biologischem Material, das aus Entwicklungsländern stammt, durch ausländische Konzerne und Institutionen; 3) höhere Kosten für einheimische Firmen durch Lizenzgebühren für die Nutzung industrieller Technologie;

d)steigenden Druck auf Entwicklungsländer, ihre Dienstleistungssektoren für ausländische Firmen zu öffnen.

Diese Probleme werfen die ernste Frage auf, ob Entwicklungsländer gegenwärtig oder in Zukunft überhaupt noch Entwicklungsstrategien und -ziele verfolgen können, einschließlich der Industrialisierung, der technologischen Verbesserung, der Entwicklung einheimischer Industrien, dem Überleben und Wachstum einheimischer Bauern und der Landwirtschaft, dem Erreichen von Zielen der Nahrungsmittelsicherheit, und der Gewährleistung von Gesundheit und medizinischen Bedürfnissen.

Die Entwicklungsländer haben vor der Ministerkonferenz in Seattle 1999 und der Ministerkonferenz in Doha 2001 intensive Forderungen aufgestellt, dass die Umsetzungsfragen als ein Thema erster Priorität bei der Ablaufgestaltung der zukünftigen Aktivitäten der WTO gelöst werden müssen. Die "New Issues" sollten nicht Gegenstand für Verhandlungen werden, wenigstens noch nicht. Jedoch haben die entwickelten Länder diesen Bitten nicht zugestimmt. Bei sehr wenigen Umsetzungsfragen hat es Fortschritte gegeben. Außerdem ist eine Reihe von ihnen für das Post-Doha Arbeitsprogramm in Betracht gezogen worden, dies aber neben den vielen anderen Themen. Die Haltung der entwickelten Länder scheint die zu sein, als ob die Entwicklungsländer rechtlich bindende Vereinbarungen eingegangen seien und sie nun einhalten müssten. Irgendwelche Veränderungen würden Zugeständnisse ihrerseits erfordern. Diese Haltung verheißt nichts Gutes für die WTO. Denn sie beinhaltet, dass der Zustand der Ungleichgewichtung bestehen bleiben wird, und dass, wenn Entwicklungsländer "zweimal" oder "drei- oder viermal" bezahlen müssen, die Ungleichgewichtungen sich verschlimmern werden und die Last schwerer werden wird.

Die entwickelten Länder haben vorgeschlagen, mit Verhandlungen über die "Singapore Issues" nach der 5. Ministerkonferenz zu beginnen. Vermutlich werden die Entwicklungsländer gefragt werden, diese als Verhandlungsgegenstände mit Blick auf neue Abkommen zu akzeptieren. Wenn das so wäre, wäre dies gleichbedeutend damit, die Entwicklungsländer zwei-, drei- oder viermal zahlen zu lassen. (Sie erleben, dass sie bereits einmal gezahlt haben als sie so viele Zugeständnisse machten. Beispielsweise als sie geistiges Eigentum, Dienstleistungen und Investitionsregulierungen als Verhandlungsthemen während der Uruguay Runde akzeptierten. Doch bis jetzt haben sie noch immer nicht die erwarteten Vorteile durch erweiterten Marktzugang bei Textilien und in der Landwirtschaft erhalten.)

Den Entwicklungsländern wird gesagt, dass ihre Anträge bezüglich der Umsetzungsprobleme und auf besseren Zugang zu den Märkten des Nordens als Pakethandel innerhalb des Post-Doha-Arbeitsprogramms in Betracht gezogen werden, mit der Implikation, dass sie dafür Verhandlungen über "Neue Issues" in der WTO zustimmen müssen. Aber neue Abkommen und Verpflichtungen in diesen Bereichen würden keinen wechselseitigen Nutzen bringen, da die entwickelten Länder den größten Vorteil erhalten würden. Der Verlust an wechselseitigen Nutzen und Kosten würde daher die gegenwärtigen Ungleichgewichtungen noch erhöhen. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, das die Einführung der vorgeschlagenen neuen Abkommen sich nachteilig auf die Entwicklungsländer auswirken wird, da sie dadurch so gar noch weitere ihrer Entwicklungschancen versperrt finden würden. Und gleichzeitig gibt es keine Garantie, dass die Ungleichgewichtungen der WTO Regelungen und Systeme wieder ausgeglichen werden, dass die Umsetzungsprobleme gelöst werden, oder dass es tatsächlich einen wesentlichen Zugang zu den nördlichen Märkten in der Landwirtschaft, bei Textilien und in anderen Bereichen geben wird.

D. Die "Singapore Issues": Allgemein

In der abschließenden Ministererklärung von Doha, haben die Minister zugestimmt, dass Verhandlungen über alle vier Bereiche (Investition, Wettbewerb, Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen, Handelserleichterungen) nach der 5. Ministerkonferenz (geplant für 2003) auf der Grundlage einer Entscheidung aufgenommen werden, die bei dieser Versammlung mit ausdrücklichem Konsens über Verhandlungsmodalitäten zu treffen sein wird. Dieses impliziert, dass im Prinzip eine Entscheidung, Verhandlungen über neue Abkommen zu beginnen, bereits getroffen wurde, und dass lediglich den Modalitäten der Verhandlungen noch zugestimmt werden muss. Einige Entwicklungsländer haben dieser Sichtweise widersprochen.

Als ein Kompromiss verlas der Vorsitzende der Konferenz ein "Verständnis des Vorsitzenden", dass in Beziehung auf die vier fraglichen Bereiche in der Tat eine ausdrückliche Konsensentscheidung während der 5. Ministerkonferenz gefällt werden muss, bevor Verhandlungen über die vier Bereiche stattfinden können. Außerdem stellte er klar, dass dies jedem Mitgliedsland das Recht geben würde, in Bezug auf die Modalitäten eine Position einzunehmen, die eine Fortsetzung der Verhandlungen unterbinden bis dieses Mitglied bereit ist, einem ausdrücklichen Konsens zuzustimmen. Dieses Statement gab den Entwicklungsländern, die sich nicht zu Verhandlungen verpflichten wollten, größere Sicherheit.

Das gemeinsame Motiv in Bezug auf die ersten drei Bereiche ist ein Versuch, die Rechte ausländischer Unternehmen auf Marktzugang in Entwicklungsländer durch ihre Produkte und Investitionen zu maximieren; die Rechte der gastgebenden Regierungen auf Regulierung ausländischer Besucher zu minimieren; und Regierungsmaßnahmen zur Unterstützung oder Förderung einheimischer Unternehmen zu verbieten. Sollten diese Abkommen in die WTO aufgenommen werden, würde es Entwicklungsländern zunehmend erschwert werden, sowohl ihre eigene Entwicklungspolitik als auch ihre Unterstützungspolitik zum Aufbau der Wettbewerbsfähigkeit ihrer einheimischen Unternehmen zu entwerfen. Dieser Versuch wird gemacht durch Überredung von Entwicklungsländern, zu akzeptieren, dass diese Bereiche als "Verhandlungsthemen" in die WTO aufgenommen werden sollen. In den Verhandlungen wird dann argumentiert werden, dass das WTO-Prinzip der Inländerbehandlung auf diese Produkte angewendet werden solle. Die entwickelten Länder werden dann die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel benutzen, neue Verhandlungen im Sinne ihrer Interessen, die aber zu einem Haupthindernis für die Entwicklung oder die Überlebensfähigkeit einheimischer Firmen werden könnten, anzusetzen.

Es sollte die Position eingenommen werden, dass die "Singapore Issues" nicht in die WTO gehören, da sie keine direkten Handelsangelegenheiten sind. Die Anwendung der Inländerbehandlung auf sie ist unangemessen, da sie Regierungen davon abhält oder sie daran hindert, politische Maßnahmen für Entwicklung und andere nationale Ziele, wie Nation Building und Ausgleich zwischen ethnischen Gemeinschaften, anzuwenden. Entwicklungsländer sollten in strategischer Hinsicht deutliche nationale Positionen vertreten, um zu verhindern, dass die "Singapore Issues" keine Verhandlungsthemen werden und dadurch die Einrichtung neuer Abkommen über diese Bereiche unterbinden. Innerhalb der WTO bedeutet die spezielle Anwendung des Ausdrucks "Negotations" (Verhandlungen) auf die "New Issues", dass eine Verpflichtung zur Einrichtung neuer Regeln und Abkommen bereits eingegangen worden ist. Die historischen Protokolle zeigen, dass während der Verhandlungen die entwickelten Länder enorme Vorteile haben, die Tagesordnung, die Prinzipien und die Bestimmungen der jeweiligen Angelegenheit und Abkommen zu gestalten, und dass das Ergebnis nicht im Interesse von Entwicklungsländern sein muss. Es ist deshalb wichtig, Verhandlungen in bezug auf Bereiche, über die nicht entschieden werden sollte, zu verhindern.

Im Folgenden wird für jedes der "Singapore Issues" (Investition, Wettbewerb, Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen, Handelserleichterungen) eine Beschreibung gegeben, und es werden die Implikationen für Entwicklungsländer aufgezeigt, sollten Abkommen im Sinne ihrer Befürworter zustande kommen.

E. Handel und Investition

Die Hauptbefürworter eines Investitionsabkommens wollen international bindende Regelungen, die ausländischen Investoren die Freiheiten und Rechte geben, ohne Bedingungen und Regulierungen in Länder hineinzugehen, im gastgebenden Land ohne die meisten der gegenwärtig existierenden Bedingungen zu operieren, und die Gewährung der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung. Investitionsauflagen (z.B. Einschränkungen der Kapitalbeteiligung, Verpflichtungen zum Technologietransfer, Exportorientierung, geografischer Standort, usw.) und Beschränkungen für Kapitalbewegungen wären verboten. Investitionsanreize würden auch geahndet werden. Es würde auch strenge Standards zum Schutz von Investorenrechten geben, z.b. auf die Enteignung von Eigentum. (Enteignung könnte sehr weitgefasst definiert werden. Die Erfahrungen im Bereich der NAFTA sind beachtenswert, denn dort umfasst Enteignung staatliche Maßnahmen wie Gesundheits- und Umweltbestimmungen, die die zukünftigen Einträge und Profite eines Investors beeinflussen. Volle Entschädigung des Investors ist vorgeschrieben.)

Ein derartiges internationales Abkommen über Investitionsregelungen zielt letzt Endes darauf ab, die Rechte ausländischer Investoren zu maximieren bei gleichzeitiger Minimierung der Befugnisse, Rechte und des politischen Spielraums von Regierungen und Entwicklungsländern. Dies hätte ernste Konsequenzen für die politische Gestaltung in den Bereichen der Wirtschaft, des Sozialen und der Politik, die sich auswirken würden auf die Planungsfähigkeit in Bezug auf einheimische Mitbeteiligung und einheimisches Eigentum, den Ausgleich von Firmen- und Aktienkapital zwischen Ausländern und Einheimischen und zwischen einheimischen Gemeinschaften, die Fähigkeit zur Förderung der Kapazität einheimischer Firmen und Unternehmer, und die Notwendigkeit des Schutzes der Zahlungsfähigkeit und der Höhe der Devisenreserven. Auch würde die Verhandlungsposition von Regierungen gegenüber ausländischen Investoren (einschließlich Portfolio-Investoren) und Gläubigern geschwächt werden.

Vorschläge: Ein Investitionsabkommen innerhalb der WTO wäre mit ziemlicher Sicherheit zum Schaden von Entwicklungsmöglichkeiten und -interessen. Folgende Position sollte innerhalb der WTO eingenommen werden: Investition ist kein Gegenstand des Handels. Sie in den Geltungsbereich der WTO einzubringen, wäre eine Fehlentwicklung und würde zu einer Verzerrung des Handelssystems führen. Es ist überhaupt nicht deutlich, warum die Prinzipien der WTO (einschließlich der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung), die für den Handel mit Waren gelten, auch auf Investitionen anwendbar sein sollen, und auch nicht, falls sie auf sie anwendbar wären, ob dies zum Vorteil der Entwicklungsländer wäre. Entwicklungsländer haben traditionell die Freiheit und das Recht gehabt, Eintritt und Bedingungen von Etablierung und Operation ausländischer Investitionen zu regulieren. Eine Beschränkung dieser Rechte könnte nachteilige Auswirkungen zur Folge haben.

Schließlich kann argumentiert werden, dass es weder einen Konsens über Verhandlungsmodalitäten gibt, noch grundsätzlich darüber, ob es hier ein Abkommen in der WTO geben soll, und dass es deshalb keine Entscheidung geben sollte, bei der 5. Ministerkonferenz mit Verhandlungen zu beginnen.

F. Handel und Wettbewerbsbestimmungen

Gegenwärtig gibt es fast kein gemeinsames Verständnis, geschweige denn ein Abkommen zwischen Ländern darüber, was der Konkurrenzbegriff im Zusammenhang der WTO bedeutet und welchen Bereich er umfasst, dies besonders in Bezug auf seine "Interaktion" mit dem Handel und seine Beziehung zur Entwicklung. Die ganze Themenreihe Konkurrenz, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbspolitik in Beziehung zu Handel und Entwicklung ist extrem komplex. Der Vorschlag der Befürworter eines WTO Abkommens zielt darauf ab, multilaterale Regelungen zu bekommen, welche die Mitglieder dazu disziplinieren, nationale Wettbewerbsrechte und -bestimmungen einzuführen. Diese Gesetze/Bestimmungen sollten die "Kernprinzipien der WTO" beinhalten, die als Transparenz, Nicht-Diskriminierung (Meistbegünstigung und Inländerbehandlung) definiert sind. Aus diesem Grunde würde die Platzierung des Gerichtsstandes für den Wettbewerbsbereich und die Aufnahme des Wettbewerbsabkommens innerhalb der WTO die Art und Weise, wie dieses Thema und dieses Abkommen zu behandeln sind, beeinflussen. In diesem Fall würden die "Kernprinzipien der WTO" auf den Wettbewerb angewendet werden.

Wettbewerbsrecht und -politik, in angemessener Weise, sind förderlich, auch für die Entwicklungsländer. Jedoch muss jedes Land über völlige Flexibilität verfügen, ein geeignetes Modell wählen zu können, das sich auch im Laufe der Zeit verändern kann, um sich veränderten Bedingungen anzupassen. Über ein angemessenes Modell zu verfügen ist besonders im Zusammenhang der Globalisierung und der Liberalisierung wichtig, wo einheimische Firmen schon jetzt intensiver ausländischer Konkurrenz ausgesetzt sind. Insbesondere müssen die Entwicklungsländer die Flexibilität haben, das Wettbewerbsparadigma, die Wettbewerbspolitik und das Wettbewerbsrecht zu wählen, das für ihren Stand der Entwicklung und für ihre Entwicklungsinteressen als geeigneter erachtet wird.

Der Vorschlag der EU über Wettbewerbsbestimmungen, der für ausländische Firmen auf einheimischen Märkten "effektive Chancen zum Wettbewerb" bietet und dadurch die "Kernprinzipien der WTO" auf Wettbewerbsrecht und -bestimmungen anwenden würde, würde die benötigte Flexibilität des Landes beeinträchtigen, seine eigenen angemessenen Modelle oder einzelnes Modell von Wettbewerbsrecht und –bestimmungen zu bekommen.

Konkurrenz kann unter verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden. Aus der Sicht der Entwicklungsländer ist es wichtig, die stattfindenden Mega-Fusionen und -Übernahmen einzuschränken, die die Wettbewerbsposition einheimischer Firmen in den Entwicklungsländern bedrohen. Auch der Missbrauch von Anti-Dumping-Aktionen in den entwickelten Ländern ist gegen die Wettbewerbsfähigkeit von Produkten aus den Entwicklungsländern gerichtet. Die restriktiven Geschäftspraktiken großer Firmen verhindern ebenfalls den Wettbewerb. Diese Angelegenheiten sind jedoch wenig geeignet, um die Gunst der entwickelten Länder zu finden, besonders nicht der USA, die ihre Anwendung von Anti-Dumping-Aktionen als Schutzmittel fortsetzen möchte. Wenn Verhandlungen beginnen, könnte sich das Wettbewerbsverständnis der EU, d.h. das Bedürfnis ausländischer Firmen die Inländerbehandlung und ein freies Wettbewerbsumfeld zu bekommen, ganz durchsetzen. Und dies besonders angesichts der ungleichen Verhandlungskraft, die gegen die Entwicklungsländer arbeitet. Das wahrscheinliche Ergebnis wird sein, dass die Entwicklungsländer nationale Wettbewerbsgesetze und -bestimmungen erlassen müssen, die für ihre Bedingungen ungeeignet sind. Dies würde das Recht von Regierungen, einheimischen Firmen Vorteile zu bieten, einschränken, und Praktiken einheimischer Firmen, die ihnen vorteilhaft sind, könnten begrenzt werden.

Was benötigt wird, ist ein Paradigma, das den Wettbewerb aus einer Entwicklungsperspektive beleuchtet. Wettbewerbsrecht und -bestimmungen sollten andere nationale Ziele und Anliegen (wie eine Indu-striepolitik) ergänzen, und dem Bedürfnis einheimischer Firmen und Sektoren, erfolgreich konkurrieren zu können, entgegen kommen, einschließlich im Kontext einer gesteigerten Liberalisierung. Aus einer Entwicklungsperspektive betrachtet, verlangen ein Wettbewerbs- und Entwicklungsrahmen, dass einheimische Industrie- und Dienstleistungsfirmen und agrarwirtschaftliche Bauernhöfe die Fähigkeit aufbauen müssen, mehr und mehr erfolgreich konkurrieren zu können, beginnend auf dem einheimischen Markt, und dann, wenn möglich, international. Dies erfordert einen Langzeitrahmen und kann nicht in kurzer Zeit erreicht werden. Es erfordert auch eine entscheidende Rolle für den Staat, der die Aufgabe des Pflegens, Subventionierens und Ermutigens einheimischer Firmen zu übernehmen hat. Der Aufbau einheimischer Kapazitäten, um wettbewerbsfähig zu bleiben und wettbewerbsfähiger zu werden, erfordert auch Schutz vor der "freien" und vollen Kraft des Weltmarktes für die Zeitdauer, die es braucht, um die einheimische Kapazität aufzubauen. Dies bedeutet, dass eine Entwicklungsstrategie im Mittelpunkt zu stehen hat, und dass Wettbewerb und Wettbewerbspolitik so angegangen werden müssen, dass sie den zentralen Entwicklungsbedürfnissen und -strategien gerecht werden.

Aus diesem Grund werden einige konventionelle Wettbewerbsmodelle nicht für ein Entwicklungsland angemessen sein. Demgegenüber werden andere Modelle angemessener sein, aber ihre Einführung könnte durch ein WTO Abkommen über Wettbewerb, das auf den "Kernprinzipien der WTO" basiert, verhindert oder verboten werden.

Vorschläge: Es gibt kein überzeugendes Argument, die Wettbewerbsbestimmungen und -gesetze von Ländern durch eine verbindliche Reihe multilateraler Regelungen zu lenken. Und es gibt besonders gerechtfertigte Gründe für ernste Bedenken, sollte solch ein Abkommen innerhalb der WTO platziert werden. Denn es würde ziemlich sicher als Ergebnis des Versuchs seiner Befürworter, die "Kernprinzipien der WTO" auf diesen Bereich und auf dieses Abkommen anzuwenden, in einer Weise verzerrt werden, die für die Entwicklungsinteressen von Entwicklungsländern ungeeignet wäre. Falls ein multilateraler Ansatz benötigt wird, gibt es andere Orte, die geeigneter sind. Zum Beispiel verfügt die UNCTAD bereits über eine Reihe von Prinzipien über restriktive Handelspraktiken. Wenn darüber hinaus die Absicht besteht, für die Kooperation zwischen Wettbewerbsbehörden einzelner Länder zu sorgen, dann ist als Ort dafür die WTO unnötig und ungeeignet.

G. Transparenz im öffentlichen Beschaffungswesen

Die WTO Konferenz in Singapur (1996) stimmte der "Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Durchführung einer Studie über Praktiken im öffentlichen Beschaffungswesen unter Berücksichtigung nationaler Bestimmungen, und, auf der Grundlage dieser Studie, zur Entwicklung von Elementen für die Einbeziehung in ein dazugehöriges, geeignetes Abkommen" zu. Diese Entscheidung bestimmt nicht, dass daraus ein Abkommen resultieren muss. Sie verpflichtet die Mitglieder nur dazu, eine Arbeitsgruppe zur Untersuchung des Transparenzthemas einzurichten und, auf der Grundlage dieser Untersuchung, zur Entwicklung der Elemente für die Einbeziehung in ein dazugehöriges Abkommen. Es ist daher wichtig, darüber zu diskutieren, worin ein geeignetes Abkommen, wenn überhaupt, aus der Sicht von Entwicklungsländern und auch gemäß ihrem Bedürfnis nach politischer Flexibilität bestehen sollte.

Die Untersuchung der Arbeitsgruppe und des Abkommens ist nur bevollmächtigt zur Behandlung der Transparenz (und nicht der Praktiken selbst), und dieser begrenzte Geltungsbereich wurde durch die Doha Erklärung bestätigt. Die Hauptländer jedoch, die diese Angelegenheit befürworten, haben ihr höchstes Ziel deutlich gemacht, dass sie den großen, weltweiten Markt des öffentlichen Beschaffungswesens in die WTO Regulierungen und das WTO System voll integrieren wollen. Gegenwärtig dürfen die Mitglieder der WTO das öffentliche Beschaffungswesen von Marktzugangsregulierungen der WTO ausnehmen. Die Ausnahme stellen die WTO Mitglieder dar, die dem plurilateralen (mehrseitigen) Abkommen der WTO zum öffentlichen Beschaffungswesen beigetreten sind. Fast kein Entwicklungsland ist Mitglied dieses plurilateralen Abkommens. Seitdem Entwicklungsländer die Integration des öffentlichen Beschaffungswesens und dessen Marktzugangsaspekts in die WTO inakzeptabel finden, haben die größten Entwicklungsländer die Taktik eines zweistufigen Prozesses entworfen: Erstens, die Entwicklungsländer für ein Abkommen über Transparenz zu gewinnen, und zweitens, danach den Geltungsbereich von Transparenz auf andere Bereiche (zum Beispiel Rechtsstaatlichkeit), und dann letztendlich auf die Bereiche des Marktzugangs, der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung für ausländische Firmen auszuweiten. Dies geht deutlich aus verschiedenen, der WTO vorgelegten Papieren hervor.

Wenn die Integration des Beschaffungswesens in die WTO letzten Endes stattfindet (was deutlich das Ziel der größten entwickelten Länder ist), dann wird es Regierungen in Zukunft nicht mehr erlaubt sein, einheimischen Unternehmen bei der Versorgung mit Waren und Dienstleistungen und bei der Gewährung von Konzessionen zur Durchführung eines Projektes den Vorzug zu geben. Für Entwicklungsländer hätte dies schwerwiegende Auswirkungen.

Das öffentliche Beschaffungswesen und die mit ihm verbundenen Bestimmungen stellen sehr wichtige ökonomische, soziale und sogar politische Aufgaben dar:

-- Die Höhe der Ausgaben, und der Versuch, die Ausgaben in Richtung einheimisch produzierter Materialien zu lenken, ist ein bedeutendes makroökonomisches Instrument, besonders in Rezessionen, um dem wirtschaftlichen Abschwung entgegen zu steuern.

-- Es gibt nationale Bestimmungen zur Bevorzugung von einheimischen Firmen, Lieferanten und Anbietern zur Förderung der Inlandswirtschaft und zur Beteiligung Einheimischer an der ökonomischen Entwicklung und Leistung.

-- Es gibt Ausführungen, dass bestimmte Gruppen oder Gemeinschaften, besonders jene, die in der ökonomischen Teilhabe unterrepräsentiert sind, der Vorzug zu geben ist.

-- Bei Anschaffungen oder Konzessionen, bei denen ausländische Firmen eingeladen sind, mitzubieten, könnte es Präferenzen für Firmen bestimmter Länder geben (beispielsweise für andere Entwicklungsländer, oder für bestimmte entwickelte Länder, zu denen eine besondere kommerzielle oder politische Beziehung besteht.)

Sollte das öffentliche Beschaffungswesen durch die Prinzipien der Inländerbehandlung und der Meistbegünstigung geöffnet werden, wären Geltungsbereich und Handlungsspielraum der Regierungen, um das Beschaffungswesen als Entwicklungsinstrument zu nutzen, streng beschränkt. Zum Beispiel:

-- Wenn der ausländische Anteil zunimmt, dann gäbe es in Zeiten eines Abschwungs ein "Leck" bei den Versuchen der Regierung, die Wirtschaft durch erhöhte Ausgaben anzukurbeln.

-- Die Fähigkeit, einheimischen Unternehmen und insbesondere sozioökonomischen Gruppierungen und ethnischen Gemeinschaften, behilflich zu sein, wäre streng beschränkt.

-- In ähnlicher Weise wäre die Fähigkeit beschränkt, bestimmte ausländische Länder zu bevorzugen.

Angesichts der großen Bedeutung einer Politik des öffentlichen Beschaffungswesens als einem wichtigen Instrument, notwendig zur ökonomischen und sozialen Entwicklung und zur Nation Building, ist es zwingend erforderlich, dass Entwicklungsländer das Recht zur vollen Autonomie und Flexibilität über ihre Politik des Beschaffungswesens haben.

Angesichts der Ambitionen der Hauptländer ist es realistisch anzunehmen, dass es nach der Einrichtung eines Abkommens über Transparenz starken Druck geben wird, dessen Geltungsbereich auch auf den Marktzugang auszudehnen, oder auf die Rechte ausländischer Firmen, auf einer Basis der Inländerbehandlung im Geschäft des Beschaffungswesens konkurrieren zu können. Deshalb sollte die Diskussion über "Transparenz" und über ein "Transparenz-Abkommen" im Lichte der strategischen Zielvorstellung der Großen gesehen werden, die Entwicklungsländer in das eigentliche Ziel des Marktzugangs und der vollen Integration der Praktiken des Beschaffungswesens hinein zu ziehen. Sollte es daher ein Abkommen über Transparenz geben, wäre dies sehr wahrscheinlich der Anfang eines rutschigen Abhangs, der in den kommenden Jahren zu einem vollen Marktzugangs-Abkommen führt.

Vorschlag: Eine zentrale strategische Entscheidung sollte darüber getroffen werden, wie verhindert werden kann, dass der Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens zum Verhandlungsgegenstand innerhalb der WTO wird. Es sollte erkannt werden, dass die Existenz eines Transparenz-Abkommens es sehr schwer machen würde, ein eventuelles Marktzugangs-Abkommen zu stoppen.

H. Handelserleichterungen

Wie bei anderen "Singapore Issues" wird auf der 5. Ministerkonferenz auch eine Entscheidung bezüglich dieses Themas getroffen werden. Es ist deshalb noch nicht deutlich, ob es dort Verhandlungen in Richtung eines WTO Abkommens über Handelserleichterungen geben wird. Die Doha Erklärung (§27) stellt fest, dass bis zur 5. Ministerkonferenz der Rat für den Handel mit Gütern relevante Aspekte des Artikels V, VIII und X des GATT 1994 erneut prüfen und, wo angemessen, klarstellen und verbessern soll, sowie die Bedürfnisse und Prioritäten in Bezug auf Handelserleichterungen von Mitgliedern identifizieren, besonders der Entwicklungsländer und der am wenigsten entwickelten Länder. [Artikel V befasst sich mit der Transitfreiheit, Artikel VIII befasst sich mit Gebühren und Formalitäten im Zusammenhang mit Import und Export, und Artikel X befasst sich mit Veröffentlichung und Verwaltung von Handelsregularien.]

Obwohl der Ausdruck "Handelserleichterung" harmlos klingen könnte, könnte die Einrichtung von multilateralen Regelungen in diesem Bereich für Entwicklungsländer nachteilig sein, da sie es schwer haben würden, die hier ins Auge gefassten Verfahrensnormen zu befolgen. Gemäß Das (2000): "Es gibt Besorgnis erregende Gefahren in Zusammenhang mit den potentiellen Abkommen in diesem Bereich, wenn die Vorschläge der Befürworter in Form festlegender Verpflichtungen darin aufgenommen werden sollten. Das Hauptziel der Befürworter ist es, dass Regelungen und Verfahren, die ihren eigenen ähnlich sind, von den Entwicklungsländern übernommen werden. Es ignoriert den großen Unterschied bei den administrativen, finanziellen und menschlichen Ressourcen zwischen den entwickelten Ländern und den Entwicklungsländern. Auch gibt es der großen Differenz bezüglich des sozialen Umfelds und der Arbeitsumgebung kein Gewicht." Es könnte beispielsweise vorgeschlagen werden, dass die Untersuchung von Waren durch die Zollbehörden nur in einer kleinen Anzahl von Fällen auf Zufallsbasis durchgeführt werden soll, um den Fluss der Waren durch die Zollgrenzen zu beschleunigen. Aber dies würde das Risiko der Vermeidung von Entrichtung adäquater Zollgebühren erhöhen. Solch eine Praxis mag für wichtigsten entwickelten Länder, bei denen die Verlustchancen vernachlässigbar sind, angemessen sein. Aber sie wäre nicht angemessen für Entwicklungsländer, bei denen die Verluste höher sind.

Vorschlag: Es sollten nach der 5. Ministerkonferenz keine Verhandlungen über Handelserleichterungen beginnen. Klärung und Verbesserung der Regelungen in diesen Bereichen wird die Verpflichtungen der Entwicklungsländer in der WTO erhöhen, ihnen neue Lasten auferlegen und möglicherweise nachteilige Implikationen bringen. Verbesserungen bei Handelserleichterungen sollten durch nationale Anstrengungen geschaffen werden, mit Hilfe technischer Unterstützung, anstatt durch Auferlegung zusätzlicher Verpflichtungen durch die WTO.

Briefing No.13 von WSSD

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