Ziele und Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung des sozialen Organismus

01.12.1974

Quelle
Zeitschrift „Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus“
16. Jahrgang, Heft 26, Dezember 1974, ohne Seitenangaben
Bibliographische Notiz

Seit Beginn des letzten Drittels dieses Jahrhunderts wächst die Anzahl der Menschen, die empfinden, daß der Boden, auf dem unsere soziale Ordnung beruht, immer weniger tragfähig wird. So werden im Westen und im Osten die großen Ideale der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit immer mehr in ihr Gegenteil verkehrt. In dieser Situation sehen immer mehr Menschen in der Idee der „DREIGLIEDERUNG des SOZIALEN ORGANISMUS“, die Rudolf Steiner seit 1917 in vielen Vorträgen und Aufsätzen und vor allem in der Schrift „Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft“ entwickelt hat, einen Weg, der geeignet ist, das soziale Leben in eine positive Richtung zu lenken.

Im Herbst 1972 trafen sich über 100 Menschen, denen die Dreigliederung am Herzen liegt, vor allem aus Mitteleuropa und den Skandinavischen Ländern, im Internationalen Culturzentrum Achberg bei Lindau am Bodensee aus dem Bedürfnis nach Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit. Sie beschlossen die Gründung, oder genauer gesagt, die Neugründung [*] der ARBEITSGEMEINSCHAFT für DREIGLIEDERUNG des SOZIALEN ORGANISMUS.

Es gehört zu den Grundprinzipien dieser „Arbeitsgemeinschaft“, daß sich jede Einzelinitiative darin frei entfalten kann, daß jeder einzelne für seine Initiativen aber auch selbst verantwortlich ist.

Die Dreigliederung ist kein abgeschlossenes Gedankengebäude mit einer vorgegebenen Strategie, sondern eine Idee, die nur in und an der sozialen Wirklichkeit entwickelt werden kann. Daher ist ihre Ausgestaltung je nach der sozialen Situation, dem Erfahrungsbereich und der Wahrnehmungsfähigkeit des einzelnen verschieden. Das bedeutet, daß es verschiedene Wege zur Darstellung und zur Verwirklichung gibt : wissenschaftliche, volkspädagogisch-politische und in modellhaften Versuchen.

Daraus ergeben sich die Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft:

  • Information über die Aktivitäten der Mitglieder, sei es auf gedanklichem, sei es auf praktischem Wege.
  • Erfahrungsaustausch untereinander.
  • Entwickeln von Toleranz und Verständnis gegenüber der ganz anderen Art in der Auffassung und Vertretung der Dreigliederung durch andere.
  • Lernen und sich Korrigieren am anderen.
  • Bildung eines Gesamtbewußtseins, in dem sich jeder einzelne getragen fühlt und aus dem er Kraft für seine Tätigkeit schöpfen kann.

Diesen Aufgaben sollen die jährlichen Mitgliederversammlungen, Tagungen und Seminare, die Konferenzen, die „Ständige Korrespondenz“ und die „Beiträge zur Dreigliederung...“ dienen. Die Geschäftsstelle ist ein Dienstleistungsorgan, das die Voraussetzungen zur Erfüllung dieser Aufgaben zu schaffen hat.

Die MITGLIEDERVERSAMMLUNG soll in erster Linie dem menschlichen Begegnen und dem Erfahrungsaustausch dienen. Daraus können sich für einzelne Absprachen und Initiativen ergeben. Auch Beschlüsse, die die Arbeitsgemeinschaft als solche betreffen, sind hier zu fassen. Ferner nimmt sie vereinsrechtliche Angelegenheiten wahr.

Die KONFERENZEN, die mehrmals im Jahr an wechselnden Orten stattfinden sollen, dienen hingegen der Vertiefung der Dreigliederungsidee; sie sollen mehr internen Arbeitscharakter haben und so zur Bildung einer geistigen Gemeinschaft beitragen. Die Teilnahme steht jedem Mitglied offen, wird aber durch den eigenen Beschluß verbindlich für einen längeren Zeitraum.

Die STÄNDIGE KORRESPONDENZ hat in schriftlicher Form eine ähnliche Aufgabe zu erfüllen wie die Konferenzen. Hier kann jedes Mitglied der Arbeitsgemeinschaft jedem anderen Mitglied das mitteilen, was es für mitteilenswert hält. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Methode wird nur durchführbar sein, wenn alle bereit sind, aneinander zu lernen und sich auf Wesentliches zu beschränken.

Die Zeitschrift BEITRÄGE zur DREIGLIEDERUNG des SOZIALEN ORGANISMUS wendet sich hingegen nicht nur an die Mitglieder, sondern auch an die interessierte Öffentlichkeit. Hier sollen reif verarbeitete Gedanken und Erfahrungen veröffentlicht werden.

Die Mitglieder erhalten die beiden Publikationen kostenlos. Die Zeitschrift kann auch von Nichtmitgliedern bezogen werden.

Das Wirken nach außen ist grundsätzlich Angelegenheit einzelner Initiativen. Die Arbeitsgemeinschaft selber kann es nur, wenn alle Mitglieder damit einverstanden sind. D. h., daß hierbei jedes einzelne Mitglied ein Vetorecht hat.

Jeder kann nach den Prinzipien der Arbeitsgemeinschaft Mitglied werden, der in der Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus etwas Berechtigtes sieht. Durch ihre offene Struktur bietet sie sowohl denen einen Platz, die aktiv für die Dreigliederung eintreten wollen, als auch denen, die sich die Gedanken im kleinen Kreise oder allein erarbeiten wollen, um die Dinge „zurechtzudenken“. Sie will alle Richtungen und Initiativen in freier Weise zusammenbringen, nicht um eine Gesamtverbindlichkeit, aber doch um ein Gesamtbewußtsein zu schaffen. Ihr Ziel wird um so besser erreicht werden, je mehr Menschen sich ihr anschließen.

Anmerkung

[*] Die Arbeitsgemeinschaft für Dreigliederung wurde bereits 1958 auf Initiative von Hans Kühn und einer Reihe weiterer Persönlichkeiten gegründet. Sie gab u. a. die Zeitschrift „Beiträge zur Dreigliederung des sozialen Organismus“ heraus, die von der neuen Arbeitsgemeinschaft übernommen wurde.