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Assoziation der Tüchtigen anstelle einer Organisation von oben
Quelle: BIB 000b, S. 118-121, 2. Ausgabe 1980, 25.02.1921
Das Wort «Organisation», wirkt auf mich wirklich wie etwas Brennendes. Von «Organisation» verspreche ich mir gar nichts. Denn die Organisation geht von einem Zentrum aus. Sie wird von oben geregelt. Es ist im Grunde doch die besondere Liebe für die Organisation, die Deutschland so hergerichtet hat, wie es eben jetzt ist. Assoziieren ist etwas anderes als Organisieren. Da gliedern sich zusammen die Besten, die Tüchtigsten, nicht diejenigen, die oben stehen, im Zentrum, und die organisieren wollen.
Gerade für dieses Organisieren kann ein Beispiel gegeben werden an Deutschland. Ein deutscher Professor hat jetzt ein Buch geschrieben über die Preisbildung in Deutschland während des Weltkrieges. Da hat er auf der Grundlage von außerordentlich gründlich zusammengestelltem Material festgestellt, was dadurch eingetreten ist, daß man vom Staate aus ins Wirtschaftsleben durch die Preisorganisation eingegriffen hat. Er bringt vier Sätze in richtiger Konsequenz:
1. man habe nirgends bei den Preisbildungsbehörden gewußt, worauf es ankommt;
2. man habe die Preise überall so geregelt, daß man das Gegenteil von dem erreichte, was man eigentlich geglaubt hat, daß erreicht werde;
3. man hat dadurch, daß man die Preise geregelt hat, große Schichten der Bevölkerung in der furchtbarsten Weise getroffen;
4. man förderte das Schiebertum auf Kosten des ehrlichen Gewerbes, des ehrlichen Handels.
Das sind die wissenschaftlichen Ergebnisse, zu denen dieser Nationalökonom gekommen ist. Dann setzt er aber hinzu: Ja, die Wissenschaft sage das zwar über das Wirtschaftsleben. Aber im sozialen Leben gebe es andere Interessen. Da müsse der Staat eben eingreifen! Und da gilt dann nicht mehr - vom Staat -, was als wirtschaftlich richtig selbst vom Nationalökonomen anerkannt wird!
Nun, was ist da gescheiter: wenn da der Nationalökonom steht und lamentiert, daß ihm der Staat seine richtigen wissenschaftlichen Schlüsse durchkreuzt, oder wenn man sagt: Es muß eben das wirtschaftliche Leben so eingerichtet werden, daß man nicht nötig hat, auf das hinzuweisen, was eine richtige Preisbildung stört? Überall knüpft an die natürlichen Verhaltnisse, was der Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus ist. Aus der Tüchtigkeit des einzelnen Menschen, aus den einzelnen Menschen und Menschengruppen muß Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsumtion hervorgehen. Und diese Tüchtigkeit im einzelnen, die assoziiert sich. Man weiß gar nicht anfangs, was sich da assoziiert - nicht organisiert! Entsprechend der eigenen Tüchtigkeit ergibt sich dann erst, was herauskommen soll.
So ist es auch im geistigen Leben, zum Beispiel wenn Sie die Waldorfschule betrachten. Ich leite die Schule, habe aber nie etwas anderes getan, als den einzelnen raten. Ich gehe in die Klassen, studiere psychologisch, wie die Entwicklung der Kinder ist, und bespreche dieses psychologische Studium wiederum ratend mit den Lehrern, die die Sache dann weiterzubringen versuchen. Wir haben in der Tat sogar schon durchaus neue Gesetze für die Kindheitsentwicklung in den verschiedenen Lebensaltern gefunden, zum Beispiel auch für das Zusammenleben der Kinder usw. Aber wie wirkt diese Waldorfschule? Denken Sie sich, man hätte sich anfangs gefühlt wie ein Staatsbeamter oder Parlamentarier. Dann hätte man sich mit anderen, die sich auch als Staatsbeamte oder Parlamentarier fühlen, zusammengesetzt und Programme gemacht. Die Programme werden sehr gescheit gemacht, denn in bezug auf das Intellektuelle sind ja die Menschen furchtbar gescheit. Man kann die vollkommensten Programme aufstellen, aber - sind sie auch auszuführen ? Das haben wir nicht getan. Sondern bei der Waldorfschule kommt es darauf an, daß wir unsere 22 Lehrer haben, und die Schule wird so, wie diese Lehrer tüchtig sind. Nichts ist verlogener, als wenn man ein Programm gibt, das doch nicht befolgt werden kann, weil die Lehrer doch nur nach ihrer Tüchtigkeit und nicht nach Programmen wirken können. Aus der Tüchtigkeit heraus wird versucht zu wirken.
Und so ist es auch im Wirtschaftsleben. Die Assoziationen werden nicht utopistisch gebildet, sondern fortarbeitend an dem, was schon da ist. Nur glaube ich: wenn die Assoziationen sich bilden, werden auch die Individualitäten tüchtiger werden!