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Erziehungskunst nur durch Dreigliederung möglich
Quelle: GA 297a, S. 029-030, 1. Ausgabe 1998, 24.02.1921
Diejenigen Menschen, die heute von Ideologie reden, sind durch unsere Schulen hindurch gegangen. Wir brauchen aber eine Menschheit, die tatsächlich aus dem tiefsten Innern heraus soziale Impulse entwickelt. Die muß aus anderen Schulen hervorgehen. Was aus den Schulen, die wir so bewundern, hervorgegangen ist: wir haben es heute im sozialen Chaos gegeben. Wir brauchen eine Menschheit, welche so erzogen ist, daß die Erziehung wirklicher, umfassender Menschenkenntnis entspricht. Damit ist dasjenige hingestellt, was die Erziehungsfrage auch zu einer universellen, sozialen Frage macht. Man wird sich entweder entschließen müssen, in der Erziehungsfrage in diesem Sinne eine soziale Frage zu sehen, oder man wird blind sein gegenüber den großen sozialen Forderungen der Gegenwart. Aber man muß empfinden, was für den Lehrenden, für den Unterrichtenden notwendig ist, um eine solche Erziehung zu üben, um so die Menschenerkenntnis in pädagogisch-didaktische Kunst übergehen zu lassen. Man muß empfinden, daß das nur möglich ist, wenn der Lehrende, der Unterrichtende keiner anderen Norm zu folgen braucht als der Norm, die in seinem eigenen Innern ist. Verantwortlich dem Geiste, den er erlebt, muß der Lehrer, der Erzieher sein. Das ist nur möglich innerhalb der Dreigliederung des sozialen Organismus, in einem freien Geistesleben. Solange das Geistesleben auf der einenSeite vom Wirtschaftsleben, auf der anderen Seite vom Staatsleben abhängig ist, so lange steht der Lehrer im Banne des Staates oder des Wirtschaftslebens. Sie werden, wenn Sie die Zusammenhänge studieren, schon finden, wie der Bann beschaffen ist.
In Wahrheit kann man heute ja nur ein Surrogat einer freien Schule begründen. Es ist in Württemberg möglich gewesen, die Waldorfschule als eine freie Schule zu begründen, in der lediglich Anforderungen pädagogischer Kunst herrschen, bevor der Sozialismus das neue Schulgesetz geschaffen hat.
Wenn Freiheit herrschen soll, dann muß jeder Lehrer unmittelbar in die Administration eingreifen; dann muß der wichtigste Teil des Geisteslebens - wie überhaupt dieses ganze Geistesleben - seine freie Selbstverwaltung haben. Man kann sich ein Geistesleben, in dem solche freien Schulen allgemein sind, nicht anders denken als so, daß vom Lehrer der niedersten Volksschulklasse bis hinauf zum höchsten Unterrichtenden alles in Korporationen zerfällt, die nicht irgendwelchen staatlichen oder Wirtschaftsbehörden unterstellt sind, die von keiner Seite Weisungen erhalten. Was in der Verwaltung geschieht, muß so geschehen, daß jeder Lehrer und Unterrichtende nur so viel Zeit zu lehren oder unterrichten braucht, daß ihm noch so viel Zeit übrig bleibt, um mit zu verwalten. Nicht etwa diejenigen, die pensioniert sind oder die sich herausgelöst haben aus dem lebendigen Unterricht und der Erziehung, sondern diejenigen, die gegenwärtig unterrichten und erziehen, sollen auch die Administratoren sein. Daher ergibt sich als selbstverständlich die Autorität der Tüchtigen. Man versuche nur einmal eine solche Selbstverwaltung, und man wird finden: weil man denjenigen braucht, der wirklich etwas leisten kann, wird sich seine Autorität auf selbstverständliche Art geltend machen. Wenn das Geistesleben sich selbst verwaltet, wird es nicht notwendig sein, diese Autorität einzusetzen oder dergleichen. Manlasse dieses freie Geistesleben nur einmal entstehen, und man wird sehen: weil die Menschen den Tüchtigen brauchen, werden sie ihn auch finden.
Ich konnte nur skizzenhaft auf die Dinge hinweisen, aber Sie werden doch gesehen haben, wie zu einem wirklichen pädagogischen Künstlertum das freie Geistesleben vorausgesetzt werden muß. Wir können sehen, wie sich die Notwendigkeit ergibt, aus dem gesamten sozialen Organismus zunächst das freie Geistesleben herauszugliedern.