Katholische Kirche blutsgebunden statt demokratisch

Quelle: GA 334, S. 209, 1. Ausgabe 1983, 26.04.1920, Basel

Man hat von der Natur das Organisieren gelernt. Man schreibt ja besonders den Deutschen das Organisieren zu. Sie haben es nur so gut gekonnt, daß sie es bis zum Mechanisieren verzerrt haben. Aber es ist im wesentlichen über die ganze zivilisierte Welt ausgegossen. Man hat das Organisieren, das von der Natur aus der Menschheit eigentümlich ist, auch in das soziale Leben hineingetragen. Und dieses Organisieren, das mit den Blutsbanden zusammenhängt, dieses Organisieren, das ein sehr Symptomatisches - es gibt viele andere - im Erbrecht hat, dieses Organisieren, es kommt ja im Grunde genommen sehr deutlich auch in der Organisation des geistigen Lebens heraus. Und schließlich - allerdings will die katholische Kirche eine demokratische Einrichtung sein, die denjenigen, der da unten aus dem alleruntersten Stande ist, auch unter Umständen heraufkommen läßt bis zu den höchsten Stellen der kirchlichen Hierarchien - hat sich in der Praxis aber auch da dasjenige, was zusammengeschweißt hat solche Dinge, wie die alten Organisationen, die an den Blutsbanden hängen, auch in katholische Kirchenorganisationen hineingeschlichen; denn schließlich waren doch mehr Hochadlige Erzbischöfe geworden als andere und so weiter. Kurz, wir sehen in vieler Beziehung, wie hereinragt in die moderne gesellschaftliche Ordnung, was aus den Blutsbanden kommt; und was in solchen Dingen, wie dem Erbrecht, besonders zum Ausdruck kommt, darüber ist aber eigentlich das Menschengeschlecht mit seinem innersten Bewußtsein hinausgewachsen.