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Michael Kranawetvogl
Seit meiner Beschäftigung mir Anthroposophie (langjähriger Arbeitskreis im München seit 1978) habe ich ziemlich lange gebraucht, die Idee der sozialen Dreigliederung in ihrer Wichtigkeit wahrzunehmen. In der Arbeitsgruppe wurde manches Thema angeschnitten und wurden diverse Broschüren und Schriften verteilt, zum Beispiel zum Thema Geld und Grundbesitz. Diese studierte ich brav und mit einiger Mühe, doch machte ich mir damals als Student der Philologie/Philosophie unterschwellig vor, es sei doch ein Thema für Wirtschaftswissenschaftler und andere Spezialisten. Diese Zeit traf zusammen mit dem regelmäßigen Besuch der Veranstaltungen der damals sehr stark agitierenden marxistischen Gruppe an der Müncher Uni. Ich interessierte mich für diese Gruppe, zum Wahrnehmen ihrer Denkart und ihres Selbstverständnisses, nicht aus starker Identifizierung mit den Inhalten.
Aus dieser Zeit nehme ich mit die Erfahrung, wie langwierig es für mich war mich mit dem Ideen der Dreigliederung zu verbinden. So beschäftigt mich die Frage, was damals hätte geschehen müssen, um in mir eine Begeisterung für diese Ideen zu wecken. Mein Wunsch war immer die vorrangigen Themen der Reinkarnation etc. mit handfesten sozialen Themen zu durchmengen. Jedenfalls bleibt mir bis heute die Frage, auf welche Weise ich heute, als Medienschaffender, die Ideen der sozialen Dreigliederung so vermitteln kann, dass sie mit ihrer Brisanz zum persönlichen Anliegen werden. So bemühe ich mich aktuelle soziale oder politische Themen aufzugreifen und sie im Licht der sozialen Dreigliederung zu verstehen und sie so anderen mitzuteilen.
Aus einem natürlichen sozialen Interesse (unabhängig von der sozialen Dreigliederung) begann ich ca. 1990, in einem späten Nachhall meines Philologie-Studiums, mir das ‹Große Welttheater› von Calderón vorzunehmen und es so neu zu schreiben, dass es der Situation unserer modernen Gesellschaft entspräche. Unter anderem treten in Calderóns «Mysterienspiel» auf der König und der Bauer, der Arme und der Reiche. Der Reiche wird am Ende verdammt, weil er vor Gott, dem großen Regisseur, seine Rolle schlecht gespielt hat; der Arme wird im Himmel belohnt, weil er zwar arm geblieben ist, aber seine Rolle sehr beachtlich und fromm zu Ende gespielt hat. In meiner Fassung musste dann der König naturgemäß entfallen, und die Allegorie der Weisheit wird durch den Consultant ersetzt. Jedenfalls geht es um ein Pädoyer für die Welt und das Kind (zwei weitere Figuren im Stück), deren Gemeinsamkeit ist, dass sie ständig unter Produktions- und Leistungsdruck stehen. Das Kind kommt erst im letzten Akt mit Hilfe des Herrgotts auf die Bühne, weil zuvor sein Fehlen niemandem aufgefallen ist. Indirekt spielte bei diesem Projekt wohl auch meine große Verehrung für Georg Büchner (Friede den Hütten, Krieg den Palästen, Woyzeck). Das Ergebnis ist wohl nicht so wichtig, die Arbeit daran aber schon. Erst sehr später wurde mir klar, dass die Arbeit an diesem Stück eine gute Übung war für das Interesse am Denken des Anderen, auch wenn es der antipathische Kapitalist ist. Vieles am Denken und Handeln verläuft ja wirklich weltweit nach dem gleichen Schema. Manches von dem, was ich für das Stück erarbeitete, fand ich später als Dreigliederungsgedanken wieder; andererseits konnte ich mich an vorhandenen Dreigliederungsideen inspirieren.
Mein erster hautnäherer Kontakt mit der sozialen Dreigliederung ergab sich, nachdem ich 1998 mein Lebenszentrum nach Spanien verlegte und ein Jahr später meine Tochter auf die Welt kam. In Santiago de Compostela versuchten wir einen Waldorfkindergarten einzurichten. Die harten Erfahrungen und das Ende nach einem Jahr hatten zum Teil auch mit naiven Interpretationen der Dreigliederungsgedankens zu tun. Dennoch blieb ein vielfältiger Kontakt zur einzigen großen Waldorfschule in Galicien bestehen.
Ab 2002, zur Zeit unserer ersten Waldorf-Initiativen in Galicien, entwickelte ich ein lebhaftes Interesse an der Welterziehungspolitik, maßgeblich von den Erziehungsstandards bestimmt, die um 1999 herum unter anderem von der Weltbank, der OECD und anderen politischen und wirtschaftlichen Interesssen aufgestellt wurden. Das gab mit noch einmal einen Schub, die Knebelung des Geisteslebens durch Politik und Wirtschaft hautnah zu verfolgen und auch das Welttheater entsprechend umzuschreiben. In dieser Zeit begann ich auch mit ersten Veröffentlichungen zum Themenbereich Bildungspolitik in einer eigenen Vierteljahreschrift für anthroposophische Initiativen in Galicien.
Meine Arbeit als Sprachingenieur in Madrid (mit Home Office in Santiago de Compostela) fiel 2004 einer Sparmaßnahmenwelle zum Opfer. Nach einer Kunsttherapie-Ausbildung war ich zwei Jahre auf diesem Gebiet tätig.
Im Jahr 2014 wurde ich gebeten, die Übersetzung und Redaktion der spanischen Ausgabe des Nachrichtenblattes “Anthroposophie Weltweit“ zu übernehmen. Nebenbei mache ich Übersetzungsarbeiten und gebe Waldorf- und Dreigliederungbücher heraus, letztlich den Rednerkurs (GA 339), und zur Zeit bin ich an den Seelenrätseln (GA 21). Sporadische Vorträge zur Dreigliederung in Spanien. Unsere Arbeitsgruppe Dreigliederung in Santiago de Compostela besteht bisher aus zwei Personen. Dort arbeite ich mit Serxio, einem engagierten Rapmusiker zusammen. Ich bin dabei ein bescheidenes Netzwerk Dreigliederung in Spanien aufzubauen. Ich hoffe, es wird irgendwann einmal so etwas wie ein Jahrestreffen geben.
Die Dreigliederungsarbeit in Spanien besteht im Grunde aus persönlichen Initiativen, die in Richtung von Consulting für Firmen und Einrichtungen gehen. Die direkte Arbeit mit Steiners Texten ist dabei kaum ein Thema. Deshalb versuche ich die Auseinandersetzung damit zu fördern, und auch historische Fakten zu den Aktivitäten Steiners, Molts und den anderen Dreigliederern bekannt zu machen. In ‹Anthroposophie weltweit› (Antroposofía en el Mundo) versuche ich fast monatlich ein Dreigliederungsthema zu bringen. Auch um die spanische Webseite des Instituts für soziale Dreigliederung werde ich mich nach einigen Vorarbeiten in den letzten Jahren wieder stärker kümmern.
Villagarcía de Arosa, Juni 2018