Hessnatur versus Capvis: Marc Sommer und das Kommunikationsproblem

06.09.2012

Einstweilige Verfügung

Am 1. Oktober (Ausfertigung 2. Oktober) hat die Hess Natur-Textil GmbH, vertreten durch Maximilian Lang, gegen Johannes Mosmann und Andreas Schurack, die Betreiber der website www.wir-sind-die-konsumenten.de, eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main erwirkt, die ihnen untersagt, einen der folgenden Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. "Die Zahlungen der Kunden der Hess Natur-Textil GmbH gingen in die Rüstungsindustrie"
b. "Die Anteilseignerin Capvis der Hess Natur-Textilien GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt"
c. "Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der Hess Natur-Textilien GmbH"

Aus diesem Grund mussten wir Texte und Textstellen, die die einstweilige Verfügung betreffen, auch von dieser website entfernen. Johannes Mosmann und Andreas Schurack haben ihren Anwalt beauftragt, Widerspruch zu erheben. Solange die einstweilige Verfügung jedoch wirksam ist, ist ihnen "bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" untersagt, solche Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen.

Download einstweilige Verfügung (PDF)

Marc Sommer schreibt seine erste Pressemitteilung

Viele Hessnatur-Kunden schreiben auf wir-sind-die-konsumenten.de, dass sie mit ihren Zahlungen keine Finanzspekulation unterstützen wollen, und deshalb Hessnatur boykottieren, bis Capvis sich zurückzieht und die Genossenschaft hnGeno das Fair-Trade-Unternehme weiterführen darf. Diese Ablehnung des neuen Eigentümers und seiner Wirtschaftsweise durch die Konsumenten hat dazu geführt, dass der Gewinn des Ökomoden-Versenders „2012 voraussichtlich um 45% und der Umsatz um 20% sinkt“. Das berichtete Bert Rösch vergangene Woche in Etailment. Rösch schreibt für das Branchenfachblatt TextilWirtschaft und attestiert Capvis deshalb eine „verfehlte Kommunikationspolitik“ auch gegenüber den Kunden [1].

Das hat offenbar auch der ehemalige Arcandor-Vorstand Marc Sommer gelesen, der nun von der Schweizer Private-Equity-Gesellschaft zum "Generalbevollmächtigten" über Hessnatur ernannt wurde. Allerdings hat er an der Kritik von Rösch vielleicht auch etwas missverstanden. Denn wie aus Mitarbeiterkreisen verlautet wurde, stellte sich der "Generalbevollmächtigte" nun vor die Mitarbeiter hin und erklärte, dass er auf wir-sind-die-konsumenten.de auch Standpunkte von Hartz-IV-Empfängern gefunden habe, die ja wohl nicht zu Buche schlagen würden. Und da er in der Nachfolge von Wolf Lüdge nun auch die Pressearbeit verantwortet, machte er genau das, was zu erwarten war: er versuchte einen Keil zwischen Kunden und Arbeiter zu treiben.

Marc Sommer schreibt in seiner ersten Pressemitteilung: „Capvis und das hessnatur-Management begrüßten den Tenor im Unternehmen, dass sich die Mitarbeiterschaft mehr Ruhe und keine weiteren Störfeuer mehr von außen wünsche, wie u.a. von „wir-sind-die-konsumenten.de“ – insbesondere von angeblichen hessnatur-Kunden, die noch nie bei hessnatur eingekauft hätten. „Weniger als 0,1 Prozent der Kunden haben sich in den vergangenen Wochen aus der Kundendatei streichen lassen“, stellte Marc Sommer fest. Trotz öffentlicher Diskussion im Internet würden sich die hessnatur-Kunden nicht so leicht erschüttern lassen und nach wie vor dem Unternehmen und der besonderen Markenphilosophie die Treue halten.“

Nach dieser Pressemitteilung glaubte ich zuerst, die hnGeno habe dem „Generalbevollmächtigten“ souffliert. Sollten sich die Kritiker jetzt bei Marc Sommer für diese Einladung bedanken? Ich war verwirrt. Denn bislang hatte noch niemand die Kunden dazu aufgerufen, sich aus der Kundendatei streichen zu lassen. Nur vereinzelt waren Kunden auf diese Idee gekommen, und hatten dann auf wir-sind-die-konsumenten.de über ihre individuelle Form des Protestes berichtet. Die meisten berichteten dagegen, dass sie nicht mehr bei Hessnatur kaufen, bis die Genossenschaft hnGeno zu ihrem Recht kommt. Jetzt aber greifen natürlich mehr Kunden auch die Anregung von Marc Sommer auf und lassen sich zusätzlich aus der Kundendatei austragen. Sie hoffen wahrscheinlich, sich dem neuen Kommunikationsexperten in dieser Form dann doch verständlich machen zu können.

Wie viele Kunden finanzieren Marc Sommer und Capvis?

Das Portal wir-sind-die-konsumenten.de wurde nicht gegründet, um irgendwelche Aufrufe zu starten. Es soll den Hessnatur-Kunden lediglich die Möglichkeit geben, ihre individuellen Konsumentenstandpunkte zu äußern. Dass viele Kunden jetzt Hessnatur boykottieren [2] oder sich aus der Kundendatei austragen lassen, ist nur die Konsequenz der Ignoranz dieser Standpunkte durch Marc Sommer und Co. Es liegt gewissermaßen in der Natur der Sache. Andreas Schurack und ich haben dieses Portal errichtet, lange bevor Hessnatur an Capvis verkauft wurde. Wir hatten damals nämlich erfahren, dass Primondo das Unternehmen an einen Private-Equity-Fonds verkaufen wollte, dass aber die Kunden nicht darüber informiert worden waren. Und die Kunden waren auch im Dunkeln darüber gelassen worden, dass ein großer Teil der Mitarbeiter sich bereit erklärte, ihr Unternehmen als Genossenschaft selbst weiterzuführen, und ebenfalls ein Gebot bei Primondo abgegeben hatte.[3] Wir versuchten also, nachzuholen, was der Verkäufer von Hessnatur absichtlich nicht leistete, indem wir mit unseren bescheidenen Mitteln die Bedingungen für eine Kommunikation zwischen Kunden und Mitarbeitern schafften.

Wir sind nach wie vor überzeugt davon, dass die meisten Kunden den Plan der Genossenschaft, das Unternehmen selbst weiterzuführen, eher unterstützen als einen Spekulanten. Aber darüber sollen sich unserer Meinung nach die Kunden selbst aussprechen. Das setzt natürlich auf der anderen Seite voraus, dass die Kunden die Fakten kennen. Deshalb versuche ich, die Pressemitteilungen des Generalbevollmächtigten und seiner Helfer aus der Schweiz durch kritische Beiträge auf www.dreigliederung.de zu ergänzen. Das ist ziemlich mühselig, da ich von Capvis keine Hilfe bei der Aufklärung der Situation bekomme. So musste ich zum Beispiel einige Stunden suchen, bis ich herausfand, wessen Kapital HarbourVest - nach eigenem Bekunden von Capvis einer der größten Geldgeber des Finanzinvestors - verwaltet [4]. Wenn Capvis die übrigen Hintermänner der Presse nennen, oder vielleicht einfach selbst die Kunden informieren würde, wäre die ganze Arbeit nicht nötig.

Auf dem Portal wir-sind-die-konsumenten.de sollen dagegen keine Recherchen, sondern nur die Kundenmeinungen im Zentrum stehen. Wo wir uns dort als Betreiber selbst äußern müssen, bemühen wir uns, diese Kundenmeinungen möglichst nur zusammenzufassen. Deswegen ist auch die eigentliche Botschaft des Portals eine Positive: „Wir kaufen bei der hnGeno, sollte diese Eigentümer von Hessnatur werden!“ Und wir lassen es bewusst offen, ob die Kunden schon Kunden sind, oder erst Kunden werden wollen, sobald die hnGeno zu ihrem Recht kommt. Lediglich eine abstrakte Unterschriftenaktion wollen wir ausschließen, indem wir jedem Konsumenten die Möglichkeit geben, konkret zu benennen, welche Produkte genau er von Hessnatur im Falle einer Übernahme durch die Genossenschaft zu kaufen beabsichtigt.

Dass aber dann, wenn man nicht nur abstrakte Forderungen in den Äther schickt, sondern den konkreten Menschen in einem konkreten ökonomischen Zusammenhang anspricht, dass dann die Meinung dieses Menschen auch ein Gewicht bekommt, ergibt sich von selbst. Wie viel die Meinungen der Hessnatur-Kunden genau wiegen, weiß Marc Sommer selbst am besten. Das kann er anhand des Rückgangs seiner Gewinne um 45% bequem nachzählen [5]. Denn natürlich ist die andere Seite davon, dass man die Genossenschaft als den rechtmäßigen Eigentümer von Hessnatur sieht, dass man umgekehrt denjenigen nicht unterstützt, den man für den unrechtmäßigen hält. Wen der neue Generalbevollmächtigte von Hessnatur also mit seinem Rechenspiel täuschen möchte, bleibt ein Rätsel. Er rechnet dabei jedenfalls nicht mit den Kunden. Denn die Kunden können selber rechnen. Die wissen zum Beispiel auch, dass es einen kleinen Unterschied macht, ob man die 0,1% auf eine Million Karteileichen bezieht, oder auf die aktive Kundschaft.

>> Teil 1: Capvis: Ökopionier ohne Kopf? Bei Hessnatur geht die Angst um

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