Terrorismus-Definition als Anschlag auf die Freiheit

07.01.2002

Die EU-Staaten haben dem Terrorismus den Kampf angesagt und im Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Terrorismusbekämpfung eine "Terrorismus-Definition" entwickelt, die jeder gesellschaftlichen Reformbestrebung den Garaus macht. Unter "Terrorismus" will die EU künftig alle Delikte "eines Individuums oder einer Gruppe" verstehen, die "gegen einen oder mehrere Staaten, ihre Institutionen oder die Bevölkerung gerichtet sind", sofern sie "einen oder mehrere Staaten, ihre Institutionen oder die Bevölkerung einzuschüchtern" oder "die politischen, ökonomischen oder sozialen Strukturen dieser Staaten ernsthaft zu verändern oder zu zerstören suchen."

Die Definition präzisiert weiterhin, dass unter Terrorismus jede ungesetzliche Inbeschlagnahme (seizure) oder Beschädigung von staatlichen Einrichtungen oder Regierungseinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Infrastruktureinrichtungen, öffentlichen Plätzen sowie von Eigentum zu verstehen ist." Ebenso soll die "Anstiftung, Mithilfe, Begünstigung oder der Versuch", diese Delikte zu begehen, als "terroristisch" gelten. Die vorgesehenen Sanktionen sollen neben mehrjährigen Haftstrafen auch "Dienst an der Gemeinschaft" sowie "die Einschränkung gewisser Bürger- und politischer Rechte" beinhalten. Auch Geldstrafen sollen verhängt werden können.

In Namen der wehrhaften Demokratie, im Kampf um die Freiheit und unsere Werte wird sich letzlich alles Systemoppositionelle kriminalisieren lassen können - insbesondere, wenn es um Wirtschaftsfragen geht. Deshalb hat sich auch Attac zur Terrorismus-Definition sehr kritisch geäußert.

Das Lied ist schon so alt, und doch so verdrängt im Bewußtsein und verkappt durch die schizophrene Gleichsetzung von parlamentarischer Demokratie mit Freiheit und Herrschaft des Volkes für das Volk: Die westliche Demokratie hat sich konserviert und für Änderungen immunisiert durch Verfassung, Strafverfolgung und politische "Bildung", um die sozio-ökonomische Praxis unsere Gesellschaft weiter leben zu lassen.

Terrorismus muß bekämpft werden, doch dazu reichen die allgemeinen strafrechtlichen Gesetze, wobei zu überlegen ist, ob die Gesetze zu organisierter Kriminalität nicht im Hinblick auf Terrorismus zu modifizieren sind. Aus Systemabweichlern politische Verbrecher zu machen, ist dagegen reine konservative Ignoranz.

Eine Gesellschaft, in der Werte nicht anfechtbar sind - auch wenn es um vermeindliche "Grundwerte" geht - ist letzlich undemokratisch und nimmt Freiheit in Anspruch, ohne ihr gerecht zu werden. Unsere Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die in der Verfassung konfus reflektiert werden, sind zusammen nicht im parlamentarischen System realisierbar, sondern nur, wenn sie in ihre jeweiligen Geltungsbereiche Rechtsleben, Geistesleben und Wirtschaftsleben aufgegliedert werden.

Deshalb ist es anachronistisch, wenn das System grundsätzlich als Verteidiger der Grundwerte auftritt und sie in beliebigen Zusammenhängen als Totschlagshammer einsetzt, ohne Rücksicht auf ihre natürliche Zuordnung.