Silvio Berlusconi und sein Überlegenheitskomplex

28.09.2001

Die Bundesregierung ist auf deutliche Distanz zu den umstrittenen Äußerungen des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu einer angeblichen Überlegenheit westlicher Kultur gegangen. "Wir sind gegen jede Art der Diskriminierung und Pauschalisierung", sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye am Freitag vor Journalisten in Berlin. Heye vermied es allerdings, Berlusconi direkt zu kritisieren. Vielmehr sei es Sache Berlusconis, zu seinen Äußerungen Stellung zu nehmen, sagte der Regierungssprecher. Heye bekräftigte die Position der Bundesregierung sowie der Europäischen Union, wonach es nach den Anschlägen in den USA ausschließlich um die Bekämpfung des Terrorismus gehe, nicht aber um einen Kampf der Kulturen oder der Religionen. Die Äußerungen Berlusconis waren in der arabischen Welt, aber auch in der EU, auf scharfe Kritik gestoßen.

Heye hat allerdings vergessen, dass auch Bundeskanzler Schröder kurz nach dem Anschlag in New York sagte, "dies ist ein Angriff auf die zivilisierte Welt", und dass George Bush wiederholt von einem barbarischen Akt spricht. Will man die Terroristen wegen Grausamkeit, pathologischem Verhalten und Mißachtung vor Menschen anklagen, sollte man sich anders ausdrücken und nicht Bezug nehmen auf eine kulturelle Verwurzelung, - sonst schwört man den Geist von Huntington und den "Kampf der Kulturen" herauf.

Die Arroganz des Westens prallt am theokratischen Osten ab, provoziert deshalb aber nicht weniger. Die westliche Kultur wird nicht exportfähig sein, solange sie nicht über ihre embryonale Entwicklung oder allenfalls kleinkindliche Anale-Phase (Materialismus) hinausgekommen ist.

Es ist allerding die Frage, woher die Kulturarroganz Berlusconis kommt. Kommt sie eher von einer westlichen Kulturavantgarde oder einem theokratischen Geist? Es gibt wahrlich viel Geist in Italien, - aber alten Geist! An welchem Strang zieht Berlusconi? Er ist und bleibt ein mumifizierter Wertkonservatist, und wird weder dem Osten noch dem Westen etwas zu sagen haben.