Alternative Währungen und Komplementärwährungen

01.04.2003

Die heutigen Staaten versuchen verzweifelt, ihre Währungen vor global agierenden Spekulanten zu schützen. Sie sind es aber selber, die damit angefangen haben, ihre Währung zu einem Scheinwert zu degradieren.

Das befristete Geld

Geld ist deswegen so praktisch, weil es für jede beliebige Ware stehen kann und den Tausch ungemein erleichtert. Wird es aber von Staaten gedruckt, droht es jeden Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Realität zu verlieren. Es kriegt einfach einen Stempel darauf und dann soll es so oder so viel wert sein - für ewig. Die Zahl bleibt zwar darauf stehen, nur kann man sich damit immer weniger leisten. Abgesehen davon, daß Staaten Interesse an der Inflation haben, weil sie dadurch ihre Schulden leichter loswerden können, sind sie sowieso die falsche Adresse, wenn es darum geht, eine Währung an der wirtschaftlichen Leistung zu koppeln.

Es gehört daher zu den Grundforderungen einer sozialen Dreigliederung, daß der Staat die Verantwortung für die Währung wirtschaftlichen Einrichtungen übergibt. Sie werden selber dafür zu sorgen haben, daß deren Wert weder ins Bodenlose fällt, noch so extrem steigt, daß Exporte nahezu unmöglich werden.

Geld macht nur Sinn, solange es etwas zu tauschen gibt. Das Geld muß daher dort geschöpft werden, wo brauchbare Produktionsmittel entstehen, das heißt dort, wo Unternehmen beliehen werden. Und noch wichtiger: Es muß dann aus dem Verkehr gezogen werden, wenn die entsprechenden Produktionsmittel unbrauchbar werden. Falls diese nicht durch neue Produktionsmittel ersetzt werden, kann einfach kein neues Geld gedruckt werden. Dadurch läßt sich immer wieder prüfen, ob das Geld noch sein Geld wert ist. An solchen Währungen werden sich Spekulanten die Zähne ausbeissen.

alterndes geldJede Banknote, jede Münze bzw. jedes Guthaben braucht also eine Laufzeit, die der Lebensdauer der jeweiligen Produktionsmittel entspricht. Man könnte dabei von einem alternden Geld sprechen. Man sollte es aber nicht mit dem Ansatz Silvio Gesells verwechseln, der auch von einer Alterung des Geldes spricht, aber damit eine Abschaffung der Zinswirtschaft erreichen wollte. Es geht nicht darum, den Geldumlauf durch eine Entwertung – zum Beispiel um 2 % pro Quartal – anzuheizen, sondern im Gegenteil darum, im richtigen Moment das alte Geld durch neues Geld auszuwechseln, damit es nicht an Wert verliert. Die beiden Ansätze könnten nicht unterschiedlicher sein und dies obwohl sie dieselben Worte benutzen. Um eine solche Verwechslung zu vermeiden, ist es sinnvoller bei Rudolf Steiner vom einem befristeten Geld zu sprechen.

Tauschringe in Argentinien

In Argentinien, wo die offizielle, staatlich abgesegnete Währung zusammengebrochen ist, hat die Bevölkerung zur Selbsthilfe gegriffen und in Form von Tauschringen alternative Währungen geschaffen. Von einer Geldentwertung wollen die Argentinier zu Recht nichts mehr hören. Und da die Tauschringe nur so weit reichen, wie das gegenseitige Vertrauen, sind sie erst einmal davor geschützt. Der Versuch einer echten alternativen Währung, dem Credito, ist dagegen genauso gescheitert wie vorher die staatliche Währung. Nach einem gelungenem Start mußte die Währung bald aufgegeben werden, weil sie im großen Maßstab nachgefälscht wurde.

Hier zeigt sich, daß eine alternative Wirtschaft erst einmal klein anfangen muß. Nicht mit dem Ziel, sich abzuspalten von der übrigen Welt, sondern nur um eine solide, glaubwürdige Basis zu schaffen. Ist sie einmal da, dann werden sich die Tauschringe so vernetzen können, daß zuerst regionale Währungen und dann, darauf aufbauend eine alternative Weltwährung entstehen kann. Eine neue Globalisierung von unten, vorbei an den Staaten, die sonst versuchen, ihre Währung für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Man braucht nur an den Dollar zu denken. Die amerikanischen Staatsbürger verdanken ein Drittel ihres Wohlstandes der Tatsache, daß andere Menschen überall auf der Welt bestimmte Waren nur in Dollar kaufen können. Um diesen Vorteil zu erhalten, zögert ihre Regierung nicht davor, ein Land wie den Irak zu besetzen, wenn ein Saddam Hussein bekannt macht, daß er das Öl in Zukunft nicht mehr in Dollar, sondern in Euro bezahlt haben will.

Die Argentinier haben ihr Schicksal noch in der eigenen Hand. Sie können erst einmal - parallel zur alten Währung - eine neue Währung schaffen, mit der sich nicht mehr international spekulieren läßt. Gehen die Argentinier aber über den bloßen Tausch von Waren oder Dienstleistung hinaus und fangen sie an, das alternative Geld im größeren Maßstab auszuleihen, dann werden sie nicht mehr darum kommen, sich auch Gedanken über ein befristetes Geld zu machen. Ein unbefristetes Geld kann unbeschränkt immer wieder ausgeliehen werden. Beim befristeten Geld bekommt der Gläubiger Geld zurück, das aus demselben Jahrgang stammt, wie dasjenige, was er ausgeliehen hatte. Er kann sich damit etwas kaufen. Ist das Geld aber inzwischen zu alt, kann er es nicht mehr ausleihen. Damit läßt sich die Zinseszinsautomatik ausschalten, die innerhalb von 500 Jahren aus 10.000 Dollar eine Billion Dollar macht. An dieser Eigendynamik des unbefristeten Geldes zerbrechen immer wieder ganze Wirtschaften.

Der Chiemgauer - Eine Regionalwährung

Eine Schülerfirma der Waldorfschule in Prien hat kürzlich eine Regionalwährung, den Chiemgauer eingeführt. Das deutsche Verbot, eigene Währungen zu drucken, wurde durch die Gründung eines Vereines umgangen. Um den Chiemgauer nutzen zu dürfen, muß man daher Vereinsmitglied sein - was aber kostenlos ist.

Der Chiemgauer wird zum Wechselkurs 1:1 gegen Euro herausgegeben und verliert jedes Quartal 2 % an Wert. Um komplizierte Umrechnungen im Laden zu vermeiden, müssen einfach alle drei Monate auf die Geldscheine neue Marken geklebt werden. Obwohl stark vom Ansatz Silvio Gesells geprägt, finden sich beim Chiemgauer auch Elemente, die – wenigstens symbolisch – auf das alternde Geld im Sinne der sozialen Dreigliederung hinweisen. So sollen anfangs 3 % des Umsatzes in den gemeinnützigen Bereich gehen. Dies deutet auf die dritte Funktion des Geldes, das außer zum Kaufen und Leihen auch zum Schenken genutzt wird. Vieles von dem, was bisher über Steuergelder finanziert worden ist, wäre mit individuell zugewiesenen Schenkgeldern besser bedient. Dies gilt vor allem für den kulturellen Bereich. Dazu sollte gerade das alt gewordene Geld dienen.

Eine solche Mischung von Ansätzen Silvio Gesells und Rudolf Steiners hat den grossen Vorteil, daß sie alle Anhänger einer Geldreform mit der Notwendigkeit eines Schenkgeldes vertraut machen. Das ist für viele eine Erweiterung des Horizontes. Zu wünschen wäre natürlich, daß es daneben noch Initiativen gibt, die rein auf den Ansatz von Rudolf Steiner setzen, wo das Geld sich nicht allmählich abnutzt, sondern befristet wird. Man könnte sich zum Beispiel denken, daß das Geld erst dann aufgefrischt werden darf, wenn es einmal über das Konto einer gemeinnützigen Einrichtung gelaufen ist. Eine solche Währung läßt sich - so wie der Chiemgauer - ziemlich einfach einführen.

Da der Chiemgauer noch in einem überschaubaren Rahmen eingesetzt wird, braucht man sich bisher keine Gedanken um mögliche Fälschungen zu machen. Wird aber die Währung zum Erfolg, müßte dafür gesorgt werden, daß es ihr – anders als dem Credito – nicht zum Verhängnis wird. Daher gibt es schon Überlegungen bei der alternativen GLS-Bank/Ökobank, eine Kontoführung in regionalen Währungen zu ermöglichen, damit über Kreditkarten – und damit weitgehend fälschungssicher – bezahlt werden kann.

Sylvain Coiplet


Quelle: Gleichnamiger Aufsatz im Trigolog Berlin 04/2003, vom Autoren genehmigter und überarbeiteter Nachdruck.


Weiterführende Links
Sylvain Coiplet Silvio Gesell und Rudolf Steiner
Stefan Reeder Verschiedene Formen alternden Geldes - Befristetes Geld versus "rostende Banknoten"
Stephan Kurr Non Profit Money


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