Die Bodenfrage vom Standpunkt der Dreigliederung

01.06.1920

Stuttgart, 16. Juni 1920

Rudolf Steiner: Meine sehr verehrten Anwesenden! Ich möchte heute über Dreigliederung des sozialen Organismus in der Weise sprechen, daß durch die Gesichtspunkte, von denen meine Ausführungen handeln werden, einiges Licht fallen kann auf dasjenige, was man aus den volkswirtschaftlichen Tatsachen heraus in der neueren Zeit die Bodenfrage genannt hat. Es ist ja eine Eigentümlichkeit der Dreigliederungsidee, daß man durch sie einsehen lernt, daß gewisse Diskussionen und Agitationen im alten Stile aufhören müssen, wenn wir überhaupt in fruchtbarer Weise weiterkommen wollen - denn diese Diskussionen und Agitationen haben sich ja herausentwickelt aus den Verhältnissen, welche uns in den Niedergang hineingeführt haben.

Die Bodenfrage ist ja etwas, was breite Kreise sehr interessiert, weil der Preis, auch die Erwerbbarkeit und Verwertbarkeit von Grund und Boden mit dem menschlichen Schicksal, mit den menschlichen Lebensverhältnissen eng zusammenhängt. Nicht wahr, wie man dasjenige, was Bodenpreise sind, sich einrechnen lassen muß in das, was man für seine Wohnung bezahlen muß, sich einrechnen lassen muß in die Lebensmittelpreise - das ist ja etwas, was jeder unmittelbar verspürt. Man braucht nur ein wenig nachzudenken, und man wird finden, daß das, was von Grund und Boden ausgeht, in wirtschaftlicher Beziehung seine Wirkungen hat auf alle übrigen Verhältnisse. Je nachdem, aus welchen Bodenpreisen heraus man seine Lebensmittel bezahlen muß, je nachdem muß man für irgendeinen Beruf, in dem man drinnensteht, vergütet werden und so weiter. Aber nicht nur diese den Menschen unmittelbar berührenden Lebensfragen hängen mit dem Verhältnis der Menschheit zu Grund und Boden zusammen, sondern auch viele weitergehende Kultur- und Zivilisationsverhältnisse. Wir brauchen ja nur daran zu denken, wie mit Grund und Boden zusammenhängt das Verhältnis des Landes zur Stadt, wie zusammenhängt dasjenige, was dann die Schwierigkeit oder Leichtigkeit der Lebensverhältnisse in den Städten ist, mit den Verhältnissen auf dem Lande. Aus diesen wird hervorgehen wiederum, was in der Stadt selbst sich entwickeln kann. Je nachdem, wie in einer Stadt Reichtumsverhältnisse oder Wohlstandsverhältnisse sich ergeben durch ein bestimmtes Verhältnis des Landes, des Umlandes zur Stadt, entwickelt sich ja auch vorzugsweise in der Stadt dasjenige, was wir unser öffentliches geistiges Leben nennen - wenigstens unter unseren neuzeitlichen Kulturverhältnissen. Ein einsamer Mystiker kann man ja allerdings auch auf dem Lande werden; aber in dem ganzen Zusammenhang neuzeitlichen Wissenschaftsbetriebes, technischen Betriebes, Kunstbetriebes kann man im Grunde nur stehen, wenn man irgendein Verhältnis zum Städteleben hat. Das ist ja etwas, was sich unmittelbar aus einer auch nur oberflächlichen Betrachtung des Lebens ergibt. Und noch manches andere könnte man anführen, was schon zeigen würde, wie die Bodenfrage - und damit die Frage nach dem Verhältnis der Stadt zum Land - tief einschneidet in unsere ganzen Kulturverhältnisse. Daher muß auch die Bodenfrage in irgendeiner Weise zusammenhängen mit dem, was uns in den Niedergang dieser Kulturverhältnisse hineingetrieben hat.

Nun, die neuere Behandlung der Bodenfrage hängt ja insbesondere damit zusammen, daß die Ungerechtigkeit der Wert- oder Preissteigerungen des Bodens von einer großen Anzahl von Menschen bemerkt werden. Es wurde einfach bemerkt, wie wenig es mit menschlicher Arbeit zusammenhängt, ob das eine oder das andere Stück Boden in einem bestimmten Zeitraum seinen Wert steigern kann. Ich weiß, wie großen Eindruck ein sehr bekannter Bodenreformer immer wieder gemacht hat, wenn er seinem Publikum in grundlegenden Vorträgen folgendes vor Augen geführt hat: Man denke sich, jemand besitze irgendein Stück Boden, das er gekauft hat mit Rücksicht darauf, daß in der Nähe dieses Bodens eine Fabrik errichtet werde oder daß die Stadt sich nach diesem Stück Boden hin ausdehne oder daß dort eine Eisenbahn vorübergeführt werde oder dergleichen. Er hat dieses Stück Boden gekauft mit Rücksicht darauf, daß es durch solche Verhältnisse seinen Wert in den nächsten Jahren steigern werde um ein ganz Beträchtliches. Er hat das Stück Boden gerade in dem Moment gekauft, wo er in der Voraussicht leben mußte, die nächsten drei Jahre im Zuchthaus zu verbringen. Er wandert, nachdem er dieses Grundstück gekauft hat, ins Zuchthaus, bleibt drei Jahre drinnen, und wenn er herauskommt aus dem Zuchthaus, ist sein Stück Boden das Fünffache wert wie früher. Der Mann hat also zur Preissteigerung seines Besitzes um das Fünffache nichts anderes beigetragen, als daß er drei Jahre im Zuchthaus gesessen hat. - Das sind Dinge, meine sehr verehrten Anwesenden, die selbstverständlich außerordentlich stark wirken, wenn man dadurch etwas anschaulich machen will. Und man kann da nicht einmal sagen, daß diese Dinge mit Unrecht wirken. Hier wirkt etwas, was, ganz mit Recht, in bequemer Weise einleuchtend ist, denn es kann durchaus so sein. Und dann - man kann manches übergehen, möchte ich sagen -, dann ergibt sich aus solchen Erkenntnissen heraus, daß ja selbstverständlich die ganze [Art der] Einfügung des Bodenwertes in unseren wirtschaftlichen Prozeß etwas ist, was nicht weiter so bleiben kann, was in irgendeiner Weise einer Reform unterliegen muß.

Und nun haben ja die verschiedensten, aber immer alle nach einer Richtung gehenden Reformen eingesetzt: Henry George, Adolf Damaschke, zwischen beiden noch viele andere. Das hat eingesetzt, und eigentlich läuft alles darauf hinaus, daß der Grund und Boden mehr oder weniger - die Form kommt da nicht so sehr in Betracht - etwas sein müsse, was gewissermaßen der Allgemeinheit gehöre. Nicht, als ob alle Bodenreformer etwa eine unmittelbare Verstaatlichung des Grund und Bodens wollten, aber sie wollen, daß von den besonders starken Wertsteigerungen eben ein ganz erheblicher Prozentsatz als «Werterhöhungssteuer» an die Gemeinschaft geliefert werde - ein Prozentsatz vielleicht, der den Boden fast auf seinen früheren Wert herunterbringt, wenn er sich ohne das Verdienst des Besitzers in seinem Wert gesteigert hat. Man kann sich auch andere Formen denken, unter denen der Boden gewissermaßen in eine Art von Gemeinbesitz übergeführt wird. Aber es ist ja zweifellos einleuchtend, daß derjenige, der seine Mitmenschen so geschädigt hat, daß sie sich veranlaßt fühlten, ihn ins Zuchthaus einzusperren, nun, wenn er nach drei Jahren zurückkommt, gerechterweise genötigt werden kann, dasjenige, um was sich sein Boden an Wert gesteigert hat, an diese Allgemeinheit abzuliefern.

Nun, meine sehr verehrten Anwesenden, aber Damaschke betont ja gerade, daß er durchaus nicht daran denke, dasselbe Schicksal, das er dem Grund und Boden in einer solchen Weise zudenkt, etwa auch auszudehnen auf irgendwelche andere Produktionsmittel. Er beweist, wie die anderen Produktionsmittel in einer ganz anderen Weise innerhalb des menschlichen Besitzes ihren Wert steigern; er beweist, daß Wertsteigerungen der Produktionsmittel stattfinden in einem ganz anderen Verhältnis, das gar nicht zu vergleichen ist mit den oftmals eintretenden Wertsteigerungen des Grund und Bodens. Nun kann man sagen, so etwas ist ja ganz gewiß einleuchtend und kann eigentlich gar nicht anders behandelt werden, als daß man in einem gewissen Sinn zustimmt.

Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, Sie haben ja wohl gesehen, daß es heute Verstaatlichungen gibt, das heißt Überführung desjenigen, was sonst rein privatwirtschaftlich erzeugt wird und wofür der Gegenwert privatwirtschaftlich entgegengenommen wird, in die Verwaltung einer gewissen Gesamtheit. Aber man kann ja nicht sagen, daß die Erfahrung, die die Menschheit in solchen Dingen in den letzten Jahren gemacht hat, schon eine allseitig befriedigende wäre. Denn ich glaube - wenigstens einige von Ihnen werden ja etwas davon bemerkt haben -, daß es nicht allen Menschen so gutging, wie es im Sinne der Rationierung, also in einem gewissen Sinne der Kommunisierung, zum Beispiel der Lebensmittel und anderer Dinge hätte gehen sollen. Von einem gewissen Hamstern haben ja einige Menschen in diesen Jahren, in denen sehr vieles kommunisiert war, etwas erfahren, wie ich glaube.

Und derjenige soziale Impuls, der gegeben werden soll mit der Dreigliederung, der ist eben durchaus nicht des Willens, sich etwas vorzumachen und anderen etwas vorzumachen, sondern der ist des Willens, solche Anregungen zu geben, die nicht bloß auf dem Papier stehenbleiben und einer gewissen Sorte von Menschen dienen, während andere in der Lage sind, die betreffenden Dinge zu umgehen, und zwar in reichlichem Maße zu umgehen. Der Impuls, der durch die Dreigliederung des sozialen Organismus gegeben werden soll, soll eben ein Wirklichkeitsimpuls sein, der auch tatsächlich das verwirklicht, was er beabsichtigt. Wer das Leben kennt - und eigentlich nur der, der das Leben kennt -, kann wirklich verstehen, was der Impuls für die Dreigliederung im Ernste will. Wer sich bestrebt, das Leben zu verstehen, und wer das Leben wirklich versteht, der wird gar keinen Zweifel darüber haben, daß es auch eine Hamsterei der Bodenwertsteigerungen wird geben können, wenn man den Boden in der Weise kommunisiert, wie es die Bodenreformer wollen, die aus den alten Ideen heraus denken. Es ist eben durchaus möglich, sowohl im Leninschen Staatswesen wie auch im Damaschkeschen Staatswesen durch allerlei Hintertüren dasjenige wiederum unwirksam zu machen, was als Gesetz in die Welt tritt. Der Impuls für die Dreigliederung des sozialen Organismus kann einfach nicht, weil er etwas Wirkliches will, sich verschließen vor der Grunderkenntnis, daß ja die soziale Wirklichkeit wahrhaftig nicht von denjenigen Gesetzen gemacht werden kann, die entstehen, wenn man die alten sozialen und staatlichen Denkweisen und Vorstellungsarten fortsetzt. Auf die Menschen kommt es an und auf jene soziale Organisation, auf jenen sozialen Organismus, der einzig und allein bewirkt, daß die Menschen gar kein Mittel finden, um irgend etwas, was im Sinne dieses sozialen Organismus liegt, in ungerechter Weise oder in unmoralischer Weise zu umgehen - wenigstens so nahe als möglich muß man einer solchen Lebensforderung kommen.

Man kann ja das, was wir Dreigliederung des sozialen Organismus nennen, von den verschiedensten Gesichtspunkten her betrachten. Man kann dasjenige ins Feld führen, was ich zunächst einmal, gewissermaßen um einen ersten Schub zu geben, in den «Kernpunkten» ausgesprochen habe. Man kann auch von anderen Seiten her die Notwendigkeit der Dreigliederung charakterisieren, wie es ja seit mehr als einem Jahr gerade hier in Stuttgart von mir und einigen anderen getan worden ist. Man kann zum Beispiel aber auch folgende Gesichtspunkte geltend machen; man kann sagen: Wir sind im ganzen Verlauf der neueren Menschheitsentwicklung dazu gekommen, gewisse Einrichtungen einfach aus der Art, wie wir heute denken, nicht mehr zu ertragen und durch unseren ganzen menschlichen Seelenzustand andere Einrichtungen zu fordern. Daß wir solches Chaos durch die Welt hindurch haben, das entsteht ja gerade dadurch, daß einfach gewisse Zustände, die sich ergeben haben aus der Menschheitsentwicklung der letzten Jahrhunderte, von den Menschen der Gegenwart nicht mehr ertragen werden können. Der eine fühlt unbestimmt: die Verhältnisse können nicht mehr ertragen werden; er hört den Damaschke reden und hört, daß ungeheuer viel Unrechtes davon abhänge, daß ein Zuchthäusler seinen Bodenbesitz in drei Jahren ohne sein Verdienst verfünffachen kann. Einem anderen werden die marxistischen Theorien vorgetragen, und er nimmt sie an. Einem dritten wird gesagt: Wenn wir nicht die alten Einrichtungen und das alte sogenannte Junkertum schützen, dann wird die ganze Welt in ein Chaos hineingehen, also müssen wir es schützen.

Im Grunde genommen liegen aber die Gründe dafür, daß die Menschen unbefriedigt sind von den gegenwärtigen Verhältnissen ganz einfach tief unten im menschlichen Wesen; und heute ist es schon so: das, was als Programme entwickelt wird, das sind im Grunde genommen nur Träume, nur Illusionen, die sich die Menschen vormachen. Sie kommen gar nicht darauf, was sie eigentlich wollen. Und so macht der eine aus dieser, der andere aus jener bisherigen Lebensgewohnheit irgendeine Theorie auf sozialem Gebiet, die er logisch nennt. Es ist heute schon so, daß im Grunde genommen es nur davon abhängt, ob einer gerade im Proletariat lebt oder ob er in einem preußischen Junkerhaus geboren ist, ob er nun aus den alten Lebensgewohnheiten heraus Marxist ist oder ob er Konservativer ist im Sinne des Herrn von Heydebrand und der Lasa. Diese Programme, die gemacht werden von links und von rechts, die haben eigentlich heute gar nichts mehr mit der Wirklichkeit zu tun. Und man kann sagen: Wenn sich heute so etwas abspielt wie eine Reichstagswahl, so ist das, was geredet wird bei dieser Gelegenheit, ungefähr so, wie wenn ein böser Weltendämon träumen würde und diese Träume in die Bewußtseine der Menschen, der Parteimitglieder und Parteiführer, übergingen und sich die Leute über etwas unterhielten, was im Grunde genommen gar nichts zu tun hat mit dem, was geschehen soll. Denn die Menschheit tendiert heute nach einem ganz bestimmten Ziel hin. Sie ist sich nur unklar über dieses Ziel.

Zunächst einmal fühlt die Menschheit, daß es so mit den geistigen Angelegenheiten, mit der Ordnung der geistigen Angelegenheiten, nicht mehr so weitergeht, wie es bisher gegangen ist. Das kommt einfach daher, weil trotz alles Materialismus - der ganz, ganz in dem Stile da ist, wie ich das auch gestern im öffentlichen Vortrag auseinandergesetzt habe - filtrierte Geistigkeit in den Abstraktionen vorhanden ist, denen sich die Menschen heute hingeben, das Proletariat zum Beispiel am allermeisten. Trotzdem dieses am allermeisten von «Realitäten», von «Produktionsverhältnissen» und dergleichen auszugehen scheint, gibt es sich geistigen Abstraktionen hin und kann damit niemals zu irgendwelchen Einrichtungen kommen, die die Wirklichkeit ergreifen. Die Menschen fühlen, sie müssen sich an etwas Geistigem halten und das Geistige muß auch da sein, um ins soziale Leben einzugreifen, um die soziale Struktur des ja vom Menschen belebten sozialen Organismus zu bilden. Was hat denn im Grunde genommen bis in unsere Tage herein die Struktur unseres sozialen Organismus gemacht? Der Geist? Nein, ich denke, es ist nicht der Geist. Wenn ich zum Beispiel ein großes Landgut von meinem Vater erbe, da ist es etwas anderes als der Geist; da ist es ein natürlicher Zusammenhang, da ist es das Blut. Und das Blut ist dasjenige, das zusammen mit allen möglichen anderen Verhältnissen, die sich daran geknüpft haben, einen Menschen heute noch in eine bestimmte Position hineinbringen kann. Von dieser Position hängt dann wiederum ab, wie er im geistigen Leben steht. Er kann gewisse Erziehungsinhalte rein dadurch aufnehmen, daß er aus alten Verhältnissen heraus, die zum großen Teil von Blutsbanden herrühren, in eine bestimmte soziale Position hineingestellt ist. Das fühlt die Menschheit im Grunde genommen gegenüber dem geistigen Leben zunächst als etwas, was nicht mehr ertragen werden kann. Instinktiv fühlt die Menschheit: Statt daß, wie von altersher, alles durch das Blut bestimmt wird, muß in sozialen Einrichtungen in der Zukunft der Geist mitsprechen. Nicht wahr, die Kirche hat ja, um Genosse desjenigen zu sein, was sich [auf diese Weise in der Vergangenheit] entwickelt hat und was so heute nicht mehr ertragen werden kann, sich wohl gefügt jenem Konzilbeschluß, der auf dem achten ökumenischen Konzil im Jahre 869 in Konstantinopel gefaßt wurde, wo gewissermaßen der Geist abgeschafft worden ist, wo bestimmt worden ist, daß die menschliche Seele zwar einzelne geistige Eigenschaften habe, daß der Mensch aber nur aus Leib und Seele bestehe, nicht aus Leib, Seele und Geist. Unter dem, was da als Weltanschauung uber die zivilisierte Welt sich ausbreitete, konnte sich eben - weil zurückgehalten wurden die Forderungen des Geistes - in dem ganzen Betrieb des geistigen Lebens dasjenige entwickeln, was nicht vom Geiste bestimmt ist.

Und heute will der Mensch aus seinem tiefsten Innern heraus, daß der Geist mitspreche bei der Bestimmung der sozialen Struktur. Das kann aber nur geschehen, wenn das Geistesleben nicht mehr ein Anhängsel des aus alten Blutseroberungen hervorgegangenen Staates bleibt, sondern wenn das Geistesleben auf sich selbst gestellt wird, wenn das Geistesleben nur nach den Impulsen, die in ihm selbst liegen, wirkt. Dann kann man bei den führenden Menschen in diesem Geistesleben voraussetzen, daß sie das, was ihnen obliegt - wir werden gleich von einigem weiteren sprechen, was ihnen obliegt; in den «Kernpunkten» ist ja vieles angeführt -, nämlich die Menschen in die soziale Struktur hineinzuführen nach Erkenntnissen der Begabungen, des Fleißes und so weiter, daß sie das wirklich ohne Gesetze, rein durch die Erkenntnisse naturgemäßer Verhältnisse tun. Und man wird sagen müssen: Auf dem Gebiete des Geisteslebens, das für sich dastehen und aus seinen eigenen Impulsen wirken wird, da werden die Erkenntnisse des Tatsächlichen dasjenige sein, was bestimmend wirkt. Sagen wir also kurz: Das Geistesleben, der geistige Teil des sozialen Organismus, fordert als sein Recht Erkenntnisse [der tatsächlichen Kräfte], die aber Tatkraft-Erkenntnisse sind.

Sehen wir jetzt nach dem zweiten Gliede des sozialen Organismus, nach dem Rechts- oder Staatsgliede. Da kommen wir schon in etwas hinein, was gewissermaßen nicht so unterliegt dem Außerweltlichen wie das Geistesleben. Meine sehr verehrten Anwesenden, bis in die tatsächlichsten Verhältnisse hinein ist ja unser ganzer sozialer Organismus, insofern das Geistige in ihm wirkt, gebunden an das, was mit jeder neuen Generation erscheint, ja, was mit jedem neuen Menschen aus unbestimmten Tiefen in den sozialen Organismus neue Kräfte hineinführt. Nehmen Sie den jetzigen Zeitpunkt. Dürfen Sie irgendwie aus den Verhältnissen der jetzigen Zeit heraus, wenn Sie es ehrlich mit der Menschheit meinen, irgendeine Organisation einrichten, welche in einer ganz bestimmten Weise das Zusammenleben der Menschen bestimmt? Nein, das dürfen Sie nicht! Denn mit jedem einzelnen Menschen werden neue Kräfte aus unbekannten Tiefen heraus geboren; die haben wir zu erziehen, und wir haben zu warten, was sie hineintragen in das Leben. Wir haben nicht dasjenige, was da durch die geistigen Anlagen in das Leben getragen wird, zu tyrannisieren durch etwa schon bestehende Gesetze oder eine schon bestehende Organisation; wir müssen dasjenige, was uns hineingetragen wird aus geistigen Welten, unbefangen empfangen, wir dürfen es nicht tyrannisieren und dogmatisieren durch dasjenige, was schon da ist. Daher brauchen wir ein solches Glied des sozialen Organismus, das ganz aus der Freiheit heraus, aus der Freiheit der immer neu in die Menschheit hereingeborenen menschlichen Anlagen heraus wirkt.

Das zweite Glied des sozialen Organismus, das staatlich-rechtliche Leben, das ist schon etwas weniger abhängig von dem, was da hereinkommt aus geistigen Welten. Denn es betätigen sich, wie wir wissen, auf dem Gebiet des Rechtslebens, des Staatslebens die mündig gewordenen Menschen. Und, meine sehr verehrten Anwesenden, wenn wir mündig geworden sind, hat uns eigentlich schon ergriffen ein großes Maß von Durchschnittlichkeit. Da hat gewissermaßen das Nivellement des Philisteriums uns ins Genick geschlagen. Und insofern wir als mündig gewordene Menschen alle gleich sind, sind wir schon - das soll gar nicht in schlimmem Sinne gesagt werden - in einem gewissen Sinne ein bißchen in den Scheuledern der Philistrosität drinnen. Wir sind in dem drinnen, was man regeln kann durch Gesetze.

Sie werden aber sagen: Ja, wir können doch nicht alles geistige Leben von den Kindern abhängig machen; da muß doch auch die geistige Anlage, die geistige Fähigkeit und der geistige Fleiß über das Mündigkeitsalter hinausgehen. - Im Grunde genommen nicht, so paradox das klingt. Denn unsere über das Durchschnittsmaß hinausgehenden Fähigkeiten, wenn wir über die zwanziger Jahre hinausgekommen sind, die beruhen gerade darauf, daß wir uns - das zeigt uns die ernste geisteswissenschaftliche Forschung auf Schritt und Tritt -, daß wir uns bewahrt haben, was wir in der Kindheit als Anlage und so weiter gehabt haben. Und das größte Genie ist derjenige Mensch, der sich am meisten in die dreißiger, vierziger, fünfziger Jahre hineinträgt die Kräfte der Kindlichkeit. Man übt dann nur diese Kräfte der Kindlichkeit mit dem reifen Organismus, der reifen Seele und der reifen Geistigkeit aus, aber es sind die Kräfte der Kindlichkeit. Unsere Kultur hat ja nun leider die Eigentümlichkeit, daß sie diese Kräfte der Kindlichkeit schon durch die Erziehung möglichst totschlägt, so daß bei einer möglichst geringen Anzahl von Menschen die kindlichen Eigentümlichkeiten bis in das philiströse Alter hinein bleiben und die Menschen entphilistern. Denn eigentlich beruht alles Nicht-Philister-Sein darauf, daß einen die bewahrten Kindheitskräfte eben gerade entphilistern, daß sie durchschlagen durch das spätere Philistertum.

Weil da aber nun etwas auftritt, was nicht gegenüber den gegenwärtigen Bewußtseinsbedürfnissen der Menschheit fortwährend erneuert werden muß, können in der neueren Zeit die Verhältnisse des Rechts- und Staatslebens ja nur auf demokratischem Boden durch Gesetze geregelt werden. Gesetze sind nicht Erkenntnisse. Bei Erkenntnissen müssen wir immer uns der Wirklichkeit gegenüberstellen, und aus der Wirklichkeit heraus müssen wir durch Erkenntnisse den Impuls zu dem bekommen, was wir tun sollen. So ist es bei der Erziehung und auch bei allem anderen, von dem ich gezeigt habe in den «Kernpunkten», daß es von dem geistigen Gliede des sozialen Organismus ausgehen muß. Bei Gesetzen, wie ist es denn da? Gesetze werden gegeben, damit das staatlich-politische Leben, das Rechtsleben, bestehen kann. Aber man muß warten, bis einer nötig hat, im Sinne eines Gesetzes zu handeln, erst dann muß er sich um dieses Gesetz kümmern. Oder man muß warten mit der Anwendung des Gesetzes, bis einer es übertritt. Kurz, es ist immer etwas da, das Gesetz, aber erst für den Fall, der eventuell eintreten kann. Immer ist das Wesen der Eventualität vorhanden, der casus eventualis. Das ist etwas, was immer dem Gesetz zugrundeliegen muß. Man muß warten, bis man mit den Gesetz etwas machen kann. Das Gesetz kann da sein; wenn es nicht einschlägt in meine Sphäre, dann interessiert mich das Gesetz nicht. Es gibt ja heute viele Menschen, die glauben, daß sie sich für das Gesetz im allgemeinen interessieren, aber es ist doch so, wie ich es jetzt angedeutet habe - wenn einer ehrlich ist, muß er das zugeben. Also: das Gesetz ist etwas, was da ist, was aber auf die Eventualität hin arbeiten muß. Das ist dasjenige, was nun zugrundezuliegen hat dem rechtlichen, dem staatlichen, dem politischen Teil des dreigegliederten Organismus.

Beim wirtschaftlichen Gliede kommt man mit dem Gesetz nicht aus, denn es reicht nicht aus, Gesetze bloß zu geben etwa darauf, ob einem aus diesen oder jenen Verhältnissen das oder jenes in einer bestimmten Weise geliefert werden soll. Da kann man nicht auf Eventualitäten hin arbeiten. Da tritt ein drittes neben der Erkenntnis und neben dem Gesetz auf, das ist der Vertrag, der bestimmte Vertrag, der geschlossen wird zwischen denen, die wirtschaften - den Korporationen und den Assoziationen -, der nicht wie das Gesetz auf das Eventuelle hin arbeitet, sondern der auf das ganz bestimmte Erfülltwerden hin arbeitet. Ebenso wie die Erkenntnis im geistigen Leben und wie das Gesetz im staatlich-politisch-rechtlichen Leben herrschen muß, so muß herrschen der Vertrag, das Vertragswesen in all seinen Verzweigungen im Wirtschaftsleben. Das Vertragswesen, das nicht auf Eventualität, sondern auf Verbindlichkeit hin vorhanden ist, das ist dasjenige, was bewirken muß alles das, was Sie in den «Kernpunkten» geschildert finden als das dritte Glied des sozialen Organismus.

Wir können also sagen, wir haben da drei anschauliche Gesichtspunkte, aus denen heraus wir verstehen können, wie dem Wesen nach diese drei Glieder sein müssen. Alles, was im Leben unterliegt den Erkenntnissen, das muß verwaltet werden auf dem freien Boden des geistigen Gliedes. Alles, was im Leben in Gesetze eingespannt werden kann, gehört dem Staate an. All das, was dem verbindlichen Vertrag unterliegt, muß dem Wirtschaftsleben eingefügt werden.

Meine sehr verehrten Anwesenden, wenn die Leute glauben, daß dasjenige, was in den «Kernpunkten» ausgeführt worden ist, ein paar ausspintisierte Ideen sind, so irren sie sich gar sehr. Über das, was in den «Kernpunkten» ausgesprochen ist, kann man immerfort reden von den allerverschiedensten Gesichtspunkten aus, weil es aus dem Leben entnommen ist. Und das Leben können Sie so schildern, wie es bei einem Baum ist, den man photographiert: von der einen Seite hat man diesen Aspekt, von einer zweiten Seite einen anderen, von einer dritten, vierten Seite gibt es wieder ein anderes Bild und so weiter. Das ist das Eigentümliche: Wenn etwas aus dem Leben ist, wenn es nicht bloß eine vertrackte Utopie oder eine vertrackte Idee ist, sondern wirklich aus dem Leben, so kann man immer neue Gesichtspunkte finden, weil das Leben mannigfaltig reich in seinem Inhalte ist. [Mit dieser Mannigfaltigkeit des Lebens rechnet die Dreigliederung.] Man kann im Grunde genommen nicht auslernen, [überall in dieser Vielfalt] die Notwendigkeiten der Dreigliederung des sozialen Organismus zu sehen. Sie ist aber nicht irgend etwas Unbestimmtes, Nebuloses, sondern etwas, was in die schärfsten Begriffe gefaßt werden kann, wie ich sie Ihnen heute wieder zeigte mit Bezug auf Erkenntnis, Gesetz und Vertrag. Nun handelt es sich darum, daß man sich sagt: Man muß in Richtung der Dreigliederung hinarbeiten, und man kann aus den gewöhnlichen realen Verhältnissen heute in der Richtung arbeiten, die gegeben ist dadurch, daß man nun endlich diesen sozialen Organismus in drei miteinander in Wechselwirkung stehende Verwaltungs-Unterorganismen zerlegt. Und man muß endlich sehen, daß alle Antworten, die man sich gibt aus alten Verhältnissen heraus und die eigentlich nur hinauslaufen auf eine Umgestaltung der alten Verhältnisse, heute überholt sind. Wenn daher die Bodenreformer sagen, derjenige, dessen Bodenbesitztum sich ohne sein Verdienst, ohne seine Arbeit an Wert gesteigert hat, der müsse einen so und so großen Teil als Steuertaxe dem Staate abliefern, so rechnen sie da mit der alten Form des Staates. Man denkt gar nicht daran, daß auch dieser Staat reformiert werden muß. Man denkt nicht daran, daß er bloß das eine Glied des sozialen Organismus sein kann. Das ist das Eigentümliche, daß selbst die radikalsten Reformer der Gegenwart sich eigentlich nicht denken können, daß aus den Tiefen der sozialen Menschheitsverhältnisse heraus etwas neu gestaltet werden muß. Und sie können sich nicht denken, daß man nicht alles, was heute erreicht werden muß, erreichen kann, wenn man doch wiederum das, um was es sich handeln müßte, hineinpreßt in die alten Formen. Der Staat bleibt ja doch, auch wenn er in seinen Säckel einsteckt, was er den Bodenspekulanten abnimmt, und es ihnen oder anderen Leuten vielleicht wieder zufließen läßt auf Wegen, die immerhin möglich sind. Prüfen Sie aber dasjenige, was Ihnen aus der Idee der Dreigliederung für die Einrichtung des sozialen Organismus folgt: Wenn Sie im Ernst den Gedanken der Dreigliederung aufnehmen, wenn Sie ernstmachen mit der Anwendung dessen, was der Dreigliederung zugrundeliegt, dann werden Sie finden, daß alles das zur Unmöglichkeit wird, was eben in der Richtung liegt, daß man nur den alten Unfug in eine andere Form gießt.

Denn, was ist eigentlich Grund und Boden? Sehen Sie, Grund und Boden ist ja ganz offensichtlich ein Produktionsmittel. Mit dem Grund und Boden produzieren wir. Aber er ist ein Produktionsmittel anderer Art als die anderen Produktionsmittel. Die anderen Produktionsmittel müssen wir uns erst durch menschliche Arbeit zubereiten, und Grund und Boden ist, wenigstens der Hauptsache nach, da, ohne daß er erst von den Menschen zubereitet wird. Daher kann man sagen: Die Produktionsmittel gehen zunächst den Weg der Ware; dann, wenn sie fertig sind, wenn sie übergeben sind ihrer Aufgabe, dann sind sie nicht mehr Ware. Das haben wir ja wiederholt hervorgehoben - auch ich selber habe es ja von diesem Platze öfter betont -: Produktionsmittel dürfen nur solange im wirtschaftlichen Zirkulationsprozesse Ware sein, bis sie fertig sind und dem volkswirtschaftlichen Leben übergeben werden. Was sind sie dann nachher? Dann sind sie etwas, was unterliegt dem politischen oder Staatsleben, der Demokratie, und zwar mit Bezug auf die Arbeit, die die Menschen durch diese Produktionsmittel zu leisten haben, indem sie als mündige Menschen miteinander auskommen müssen. Die Produktionsmittel sind etwas, was unterliegt dem Staatsleben, indem sie übergehen von dem einen auf den anderen, so daß immer derjenige, der die Produktionsmittel gebraucht, sie wirklich auch hat. Aber sie sind auch etwas, was unterliegt den Einrichtungen der geistigen Arbeit. Denn nicht aus alten Erbschaftsverhältnissen heraus, sondern aus den Einrichtungen des geistigen Lebens [muß in der Zukunft] nun durch Erkenntnis - wie es das moderne Bewußtsein allein ertragen kann - [bestimmt werden], wie das Produktionsmittel, wenn einer es nicht mehr bearbeitet, an denjenigen übergeht, der durch seine Anlagen und Fähigkeiten das Produktionsmittel weiter versorgen kann. So kann man sagen: Liegt die Dreigliederung dem Leben zugrunde, so sind die Produktionsmittel nur solange Ware, als sie produziert werden. Dann hören sie auf, Ware zu sein und unterliegen den Gesetzen und den Erkenntnissen. Durch Gesetze und Erkenntnisse fügen sie sich ein in die soziale Struktur.

Grund und Boden kann nicht produziert werden; er ist also von Anfang an keine Ware. Er unterliegt also niemals dem Prinzip der Ware, über die man Verträge abschließt. Grund und Boden geht also überhaupt das, worüber man Verträge abschließt, nichts an. Er muß allmählich übergeleitet werden in die soziale Struktur so, daß zunächst die Verteilung von Grund und Boden im Hinblick auf die Bearbeitung durch die Menschen eine demokratische Angelegenheit des politischen Staates ist und daß der Übergang vom einen zum anderen eine Angelegenheit des geistigen Gliedes des sozialen Organismus ist. Das lebendige Verhältnis im demokratischen Staate entscheidet darüber, wer an einem Stück Boden arbeitet zugunsten der Menschen. Boden ist niemals Ware. Er ist von Anfang an etwas, was man nicht kaufen und verkaufen kann.

Danach hat man zunächst zu streben, daß man den Boden nicht kaufen und verkaufen kann, sondern daß dasjenige, was den Boden überführt in die Sphäre der Bearbeitung durch einen Menschen, rechtliche und geistige Verhältnisse, rechtliche und geistige Impulse sind. Nur derjenige, der sich diese Gedanken nicht klar macht, kann vermeinen, daß darin irgend etwas Utopisches liege. Denn im Grunde genommen ist es nur eine Umänderung von etwas, was heute [als Mißstand] vorliegt: daß man heute Grund und Boden bezahlt mit dem Geld, das man aus dem Erlöse von Waren hat; das ist keine Wahrheit, das ist eine soziale Lüge. Geld, das als Äquivalent angewendet wird für Grund und Boden, ist nämlich im volkswirtschaftlichen Prozesse etwas anderes als Geld, das angewendet wird als Äquivalent für eine Ware. Und sehen Sie, das ist etwas, was nun so schwer durchschaut wird in dem gegenwärtigen sozialen Chaos. Nehmen Sie einmal an, Sie kaufen Kirschen, so geben Sie dafür Geld. Sie kaufen irgendein Rittergut, so geben Sie dafür auch Geld. Jetzt, wenn die beiden Menschen, die Geld bekommen haben, der eine für Kirschen - eine genügende Menge Geld natürlich, es kommt hier nicht darauf an, ob in dieser Richtung die Sache auch möglich ist - und der andere für sein Rittergut, und wenn die ihr Geld durcheinanderschmeißen, so kann man nicht unterscheiden, welches Geld für die Kirschen und welches für das Rittergut bezahlt wurde. Aber eben dadurch, daß man das nicht unterscheiden kann, wird man in eine verderbliche, furchtbare Illusion geführt. Denn, sehen Sie, wenn ich hier Kreuzchen aufzeichne und dann kleine Kreise und würde diese durcheinanderschmeißen, so würde ich sie doch unterscheiden können.

files/image/05337a210210199916061920.png

Aber wenn ich keinen Sinn hätte für den Unterschied zwischen Kreuzchen und Ringelchen, dann würde ich nicht mehr unterscheiden können, was das eine oder andere ist. Mit anderen Worten: Wenn ich die Kreuzchen und Ringelchen so machen würde, daß ich aus den Kreuzchen Halbkreise und aus den Ringelchen wiederum Halbkreise machen und beides aufzeichnen würde, dann könnte man es nicht mehr unterscheiden. Aber wie ist es in der Wirklichkeit? Sehen Sie, nehmen Sie an, ich bekomme das Kirschengeld, und ich bekomme das Rittergutgeld. Schmeiße ich es durcheinander, dann kann ich ja nicht mehr unterscheiden, welches Geld von dem Rittergut und welches Geld von den Kirschen kommt. Man könnte nun glauben: Geld ist Geld. Das ist aber eben die furchtbare Illusion. Das ist nicht wahr. Im volkswirtschaftlichen Prozeß wirken nämlich die Ringelchen, die vom Rittergut kommen, anders im ganzen menschlichen Leben als die Kreuzchen, die von den Kirschen kommen. Nicht das Geld ist es, das in Wirklichkeit ausmacht, was geschieht, sondern die Nachwirkung, woher das Geld kommt, das ist es. Und darüber wird nun einfach ein Schleier gebreitet; das ist nicht mehr da für die menschliche Beobachtung. Und so bildet das Geld die lebendige Abstraktion. Alles kommt durcheinander ohne Differenzierung. Der Mensch ist nicht mehr fähig, bei dem zu sein, wozu er gehört, woran er produziert, woran er arbeitet. Alles kommt durch das Geld durcheinander, wie bei den unklaren Mystikern alles durcheinanderfließt und zu ein paar abstrakten Begriffen wird. Und wie diese abstrakten Begriffe [der Mystiker] nicht zu brauchen sind in unserem Erkenntnisprozeß, so ist auch das nicht zu brauchen, was sich die Menschen vorstellen vom Geld, weil es auch bloß eine Abstraktion ist, eben etwas neben der Wirklichkeit, also nichts, was man im Leben brauchen kann.

Wenn man sich so etwas überlegt, dann ist man sich klar darüber, welch ungeheure konkrete Bedeutung der Grund und Boden hat im Leben der Menschen. Man ist sich klar darüber, wie es niemals darauf ankommen sollte, daß ich ohne Interesse an Grund und Boden der Besitzer des Grund und Bodens bin und nur etwa meine Rente beziehe vom Grund und Boden, alles übrige aber mir gleichgültig ist. Wer das volkswirtschaftlich ordentlich überschaut, weiß, was das heißt: Ich lebe von Grund und Boden, aber im Grunde genommen ist es mir gleichgültig, ob ich von Grund und Boden lebe oder von den Erträgnissen, nun sagen wir, von Cri-Cri- oder Pokerspiel; es ist mir im Grunde das alles ganz gleichgültig, es kommt mir nur darauf an, eine Summe Geld zu erwerben. - Daß es einem gleichgültig ist, wie man eine Summe Geld erwirbt, das kommt nicht so stark in Betracht, wenn es sich darum handelt, daß man sich diese Summe Geld wirklich nur erarbeitet. Wenn man sie aber erhält von etwas, was mit dem Wohl und Wehe, mit dem Schicksal der Menschen, ja mit der ganzen Kulturkonfiguration zusammenhängt, wie es der Grund und Boden tut, wenn man sich so etwas überlegt, dann ist es nicht möglich, daß man diesen Grund und Boden verwandelt in das gleichgültige, abstrakte Geld. Denn gerade Grund und Boden macht notwendig, daß derjenige, der ihn bearbeitet, der mit ihm etwas zu tun hat und der dasjenige, was vom Grund und Boden abhängt, in den volkswirtschaftlichen Prozeß überführt - das ist ja nicht das Geld, das er einbringt, sondern die Frucht, die darauf gedeiht -, daß der [wirklich ganz] dabei ist. Meine sehr verehrten Anwesenden, Grund und Boden ist ja innerhalb seines Gebietes durchaus nicht zu verwalten nach denjenigen volkswirtschaftlichen Kategorien, die sich nun einmal in der neueren Zeit herausgebildet haben. Bitte rechnen Sie bloß aus, wenn jemand auf seinem Gute mit dem Dünger düngt, der sich von selbst ergibt von seinem Vieh - rechnen Sie sich aus, wie man dazu kommen soll, nun eine Wertangabe zu machen über diesen Dung, wie man feststellen soll den Marktwert des Düngers, etwa, was der Dünger wert wäre, wenn er irgendwelche Märkte der Städte verstänkerte. Es ist das nur ein drastisches Beispiel. Wenn Sie den Gedankengang zu Ende führen, dann werden Sie finden, daß es ein gewaltiger Unterschied ist in der ganzen Art und Weise, wie sich dem volkswirtschaftlichen Prozeß das einfügt, was auf einem Gute entsteht. Man vergleiche einmal die Art und Weise, wie ein Gut wirkt, welches der sogenannten Selbstbewirtschaftung unterliegt, das heißt, wo derjenige, der auf dem Gute, sei es einem kleinen oder großen Gute, tatsächlich die Versorgung des Gutes aus seinen Fähigkeiten heraus als seine eigenste Angelegenheit betrachtet, und man vergleiche das mit der Art und Weise, wie ein Gut wirkt und wirken muß, welches nur darauf gestellt ist, das möglichste an Geldertrag zu ziehen, was man herausschinden kann. Aber so, wie wir heute im öffentlichen Leben stehen, müssen ja die Dinge sich ausgleichen, das heißt, derjenige, der Selbstbewirtschafter ist, kann nicht anders als sich anpassen demjenigen, der das Gut verpachtet und nur die Rente daraus bezieht. So wird dadurch, daß angepaßt wird das, was aus dem Konkreten hervorgeht - und aus dem Konkreten geht beim Gute, beim Grund und Boden dasjenige hervor, wie die einzelnen Produkte gegeneinander sich tragen müssen, wie das eine das andere unterstützen muß; das ist bei der Selbstbewirtschaftung aus ganz anderen Motiven heraus taxiert, als wenn die Dinge nur auf den Geldmarkt gebracht werden -, so wird nach und nach das, was aus dem Konkreten hervorgeht, die Selbstbewirtschaftung, abhängig von dem, was ganz abstrakte Geldverhältnisse sind. Das ist ja auch schon geschehen, deshalb haben wir heute die unnatürlichen Verhältnisse. Grund und Boden, die keine Ware sein können, werden zur Ware gemacht; dadurch wird eine reale Lüge in das Leben eingeführt. Es ist nicht bloß das, was gesagt wird, verlogen, auch das, was geschieht, ist verlogen. Sobald man Grund und Boden als Ware betrachtet, das heißt, sobald man ihn kaufen und verkaufen kann, lügt man durch seine Taten.

Wenn man aber die Dreigliederung des sozialen Organismus hat, kann man Grund und Boden nicht kaufen und verkaufen. Die [rechtlichen] Verhältnisse, durch die Grund und Boden von dem einen auf den anderen übergeht, unterliegen den staatlichen Gesetzen, die nichts mit dem Kauf und Verkauf von Waren zu tun haben. Die Bestimmung darüber, wie [im Einzelfall] Grund und Boden von einem auf den anderen Menschen übergeht, unterliegt dem geistigen Gliede des sozialen Organismus, das nichts zu tun hat mit Vererbung und Blutsverwandschaft, sondern mit solchen Dingen, wie ich sie in den «Kernpunkten» geschildert habe. So sehen Sie, man braucht nur richtig zu verstehen dasjenige, was Dreigliederung ist, und wenn man sich in diese Richtung begibt, so begibt man sich auf den Weg zur Lösung der sozialen Frage.

Was will Damaschke? Er nimmt sich die Bodenfrage vor, er denkt darüber nach, und aus dem Nachdenken heraus soll die Bodenfrage gelöst werden. Meine sehr verehrten Anwesenden, aus dem Nachdenken heraus werden gar keine realen Dinge gelöst. Ich möchte bloß einmal wissen, wie Sie aus dem Nachdenken heraus Zucker zerschlagen, Holz hacken oder dergleichen wollen oder wie Sie aus dem Nachdenken heraus essen wollen. Ebensowenig, wie man aus dem Nachdenken heraus Zucker zerschlagen oder essen kann, ebensowenig kann man aus dem Nachdenken heraus die Bodenfrage lösen. Man kann nur sagen: Der Boden steht ja heute in bestimmten menschlichen Verhältnissen drinnen. Denken wir uns nun dasjenige, was Menschen aus ihrem besten Können heraus in dem sozialen Organismus tun, einlaufend in die Impulse von der Dreigliederung, dann lösen die Tatsachen, die dadurch entstehen, daß man sich dieser Dreigliederung widmet, die Bodenfrage nicht bloß in Gedanken, sondern [in praktischer Weise] gerade so, wie das Messer den Zucker zerschlägt, wie die Hacke das Holz zerhackt. Ebenso löst die Dreigliederung die Bodenfrage, indem der Boden einfach sich so einfügen wird in den dreigliedrigen Organismus, daß er nicht mehr - wie heute - als eine Ware behandelt wird. Er wird nicht mehr in ungerechtfertigter Weise in der Blutsverwandtschaft weitergehen, sondern allein dem unterliegen, was heute der Mensch als das einzig Erträgliche fühlt: daß der Übergang des Grund und Bodens von dem einen auf den anderen aus geistigen Erkenntnissen heraus geschieht, also aus dem Impuls des geistigen Gliedes des sozialen Organismus.

Sie sehen, nicht durch Programme, nicht durch irgendwelche abstrakte oder utopistische Begriffe, also nicht in ähnlicher Weise, wie das Damaschke mit der Bodenfrage tut, soll die Bodenfrage von der Dreigliederung gelöst werden, sondern so, daß man sagt: Wie vertrackt auch die heutigen Bodenverhältnisse sein mogen, widmet euch der Dreigliederung, führt die Tatsachen der Dreigliederung hinein ins soziale Leben, [greift die Dinge auf], die in der Richtung dieser Dreigliederung liegen; was dann geschieht, das führt den Grund und Boden in für die Menschen segensreiche Verhältnisse - soweit auf Erden überhaupt etwas segensreich sein kann. Dreigliederung will nicht durch Gedanken die brennenden Fragen lösen, sondern durch Tatsachen, in die sich die Menschen versetzen, wenn sie sich solchen Gedanken widmen, die von ihnen selber abhängen, und nicht solchen Gedanken, die mit alten Traditionen fortarbeiten. Es ist etwas anderes, wenn man sagt, man versucht zu wirken in der Richtung der Dreigliederung, oder wenn man sagt, der Staat ist ein braver Mensch, der kann alles, der macht alles recht. Durch die Dreigliederung löst sich die Bodenfrage, indem der Boden des Charakters der Ware, in den er so hineingesaust ist, entkleidet wird; der Staat verhindert nicht [die ungerechte Verteilung des Bodens], er rationiert bloß; er ist es, der die Ämter einsetzt, um die Wohnungen zu besetzen, er ist es, der feststellt, wieviel jeder haben darf, er ist es, der das Hamstern verhindert - das darf nicht mehr sein!

Nicht wahr, man könnte sagen, es ist ja ganz in der Ordnung, wenn die Menschen so denken, wie es Morgenstern [in einem Gedicht] angedeutet hat. Da wird einer vom Auto überfahren. Er wird krank nach Hause gebracht. Palmström - so heißt der Mann - hüllt sich in feuchte Tücher ein, er leidet, aber er gibt sich nicht seinen Schmerzen hin, denn er ist ein guter Staatsbekenner. Er findet in den Gesetzbüchern: Da, an der Stelle, wo ich überfahren worden bin, darf ja gar kein Auto fahren; also kann dort gar kein Auto gefahren sein, denn das widerspräche den Gesetzen, und da es den Gesetzen widerspricht, so bin ich eben nicht überfahren worden, denn: was nicht sein kann, das darf auch nicht geschehen sein. - Sehen Sie, ungefähr in dieser Art ist es, wenn man heute das, was in der Wirklichkeit wurzelt, so reformieren will, daß man sagt: Wenn sich der Bodenwert in unbestimmter Weise steigert, wird das dem Staat überliefert, der weiß dann schon zu verhindern, daß gehamstert wird - denn Hamstern kommt nicht vor, wenn der Staat gesprochen hat. Es ist verboten, also gibt es das nicht.

Nun, meine sehr verehrten Anwesenden, an diesem Beispiel gerade können Sie ersehen, wie anders die ganze Methode ist, die ganze Art der Lebensauffassung ist, in die die Dreigliederung alles soziale Leben bringt. Es handelt sich ja nicht darum - das habe ich oftmals gesagt -, daß man bloß denkt: Äußere Institutionen ändert man um; man nimmt dem, der zuviel Geld hat, durch eine Institution das Geld weg und gibt es dem Staat, sondern es handelt sich darum, daß die Menschen bis in ihr Innerstes hinein umdenken lernen. Das können sie so schwer, das wollen sie durchaus nicht. Gehen Sie im Sinne dessen vor, was wahrhaftig aus einem Wirklichkeitssinn heraus ist und was in den «Kernpunkten der Sozialen Frage» geschildert ist, dann würden Sie sehen, daß es sich darum handelt, daß überall die Assoziationen gestützt werden auf diejenigen, die mit dem, was sie produzieren oder konsumieren, innig verbunden sind - auf das letztere wird man ja weniger zu sehen haben, aber auf das erstere wird man gar sehr zu sehen haben.

Nun, sehen Sie, vor allen Dingen verhüllen sich ja, verschleiern sich ja alle Verhältnisse dadurch, daß wir in der Abstraktion der Geldwirtschaft drinnen leben, wie ich es heute und auch das letzte Mal an einem solchen Abend hier angedeutet habe. Da beobachtet man zum Beispiel nicht in einer richtigen Weise, wie das Verhältnis größerer Güter zu kleineren Gütern ist. Man wird, weil man heute alles bequem haben will, agitieren gegen große Güter oder für kleine Güter oder umgekehrt. Aber alles wird da in einen gewissen Monismus des abstrakten Denkens hineingeführt: entweder es sind nur große Güter gut, oder es sind nur kleine Güter gut für die Volkswirtschaft. Aber das entspricht nicht der Wirklichkeit. Es handelt sich darum, daß aus bestimmten Verhältnissen heraus gerade das Zusammenwirken von kleinen und großen Gütern, von großen Wirtschaften mit kleinen Wirtschaften, das Richtige ist, nur kommt das, wie es richtig ist, erst durch das Assoziative heraus, das als das Wesentliche im Wirtschaftsleben charakterisiert ist in den «Kernpunkten» Große Wirtschaften wirken mit kleinen zusammen und bewirken dadurch das Beste für die Volkswirtschaft. Nicht darum handelt es sich, daß man alles über einen Leisten schlägt, sondern darum, daß nach bestimmten Verhältnissen große und kleine Güter zusammenwirken. Glauben Sie, es entspricht nicht bestimmten realen Verhältnissen, daß die preußischen Rittergüter allein mit Bezug auf die Runkelrüben 54,8 % von der gesamten Produktion hervorgebracht haben - also über die Hälfte der Produktion -, während sie bei allen anderen Dingen im Verhältnis zu den kleinen Gütern weniger als die Hälfte, unter 50 %, hervorgebracht haben? Das alles ist in realen Verhältnissen begründet. Das kann nur fruchtbar hineinwirken in den realen volkswirtschaftlichen Prozeß, wenn die Menschen, die darinnenstehen in der Bewirtschaftung der Güter, Assoziationen nach diesen realen Verhältnissen begründen. Dann kommt heraus, wie das eine das andere tragen muß, denn dann arbeitet man nicht aus der Abstraktheit, sondern aus der Wirklichkeit heraus. Und dann kann man durch Verträge festsetzen, wie man einfach das, was nun auf der einen Seite ein Mehr an Produktion ist, auf der anderen Seite ausgleicht und so weiter. Deshalb war es berechtigt, daß ich [am Anfang] sagte: ich will zu Ihnen so von den Verhältnissen in der Dreigliederung sprechen, daß sie ein Licht werfen können auf die Bodenfrage. Ich wollte nicht so, wie es üblich ist, über die Bodenfrage sprechen, sondern ich wollte zeigen, wie irgendeine Frage des sozialen Lebens angefaßt werden muß, wenn man auf dem Boden der Dreigliederung steht. Und Sie können diese Frage schon sehr konkret anfassen, während Sie aus den alten Verhältnissen heraus niemals diese Frage in ordentlicher Weise anfassen können.

Man muß ja schon fast so sein wie der Herr Stadtpfarrer Planck, wenn man denkt: sozialer Organismus, Dreigliederung - das sind drei Dreiecke nebeneinander, und von dem einen geht ins andere nichts hinein. Nein, der dreigegliederte soziale Organismus ist wirklich ein Organismus, und eines spielt immer in das andere hinein, so daß in jedem der drei Glieder wieder etwas ist von den anderen beiden. Im menschlichen Organismus ist es ja auch so: Im Kopfe wirkt nicht nur das Nerven-Sinnes-System, sondern da drinnen geschieht auch Rhythmus und Verdauung. So spielt in das Wirtschaftsleben auch das Staatsleben hinein, es hat nur sein eigenes Zentrum der Verwaltung, und so spielt in das Wirtschaftsleben auch das Geistige hinein, eben beim Übergang der Produktionsmittel von einem zum anderen.

Aber noch in viel alltäglicheren Dingen sehen wir dieses Ineinanderspielen. Nehmen wir zum Beispiel einen Tatbestand des öffentlichen Lebens, wo dreierlei ineinanderfließt zu einem: das ist der Verkehr. Der Verkehr hängt ja auf der einen Seite dadurch, daß er die Straße braucht, mit Grund und Boden zusammen. Aber man sieht, weil der Verkehrsboden, Straßen und so weiter nicht Privatbesitz sein kann, auch nicht Ware sein kann, daß man da heraus muß aus der Ware, daß also wenigstens dieser Teil von Grund und Boden nicht als Ware betrachtet werden kann. Aber mit dem Verkehrswesen hängt auch unsere ganze Kultur zusammen. Eigentlich steht der ganze Verkehr unter drei Gesichtspunkten. [Wir können fragen:] Was unterliegt dem Verkehr? Erstens Güter, Waren; zweitens Menschen; drittens Nachrichten. In irgendeiner der drei Kategorien können Sie alles unterbringen, was dem Verkehr unterliegt: Nachrichten, Menschen, Waren. Sehen Sie, dadurch daß im Verkehr Waren drinnenstehen, muß dasjenige, was sich auf den Warenverkehr bezieht, nach Verträgen, nach den Impulsen des Wirtschaftslebens geregelt sein. Dasjenige, was sich auf Menschen bezieht, ist aus dem Staatsleben heraus geregelt, das sind die Rechtsverhältnisse. Auch der Verkehr der Menschen muß nach Rechtsverhältnissen geregelt sein. Die Nachrichten unterliegen dem geistigen Leben; sie sind das geistige Leben im Verkehr. Und Sie werden schon finden, wie von den drei Seiten her das eigentlich dreigegliederte Verkehrswesen verwaltet werden muß - etwas, was die alten Einrichtungen nicht zustandegebracht haben. Rechnen Sie sich aus, was für ein Unding es ist, daß noch immer bei uns in derselben Weise durch dieselbe Institution Güter und Nachrichten besorgt werden, die Postpakete und die Nachrichten ausgetragen werden, was durchaus nicht zusammengehört und wozu auch keine Notwendigkeit vorliegt in den äußeren Einrichtungen. Aber die alten Staatseinrichtungen konnten es nicht dahin bringen, die Paketfahrt zu trennen vom Nachrichtendienst, so daß das eine das andere stört. Sehen Sie in das Posttarifwesen hinein, so werden Sie sehen, was für eine Unwirtschaftlichkeit darin liegt, daß die Post sowohl für Nachrichten- wie für Güterverkehr dient.

Gerade da, wo das Leben anfangen muß, praktisch zu werden, gerade da, wo das Leben heute uns zu eng geworden ist, weil es nicht mehr praktisch ist - an allen Ecken und Enden sitzt die Unpraxis -, da ist die Dreigliederung dazu berufen, wiederum das Praktische herzustellen. Nur eines gehört eben zu dieser Dreigliederung: ein wenig Mut. Wer sich allerdings nicht getraut, die Postpakete wegzunehmen dem Nachrichtendienst der Post und sie zu übergeben dem gewöhnlichen Eisenbahnverkehr, wer da immer seine Bedenken einwendet und nicht real nachrechnet, was das eine oder andere bedeutet, der wird die Dreigliederung ewig nicht verstehen. Denn die Dreigliederung beruht eben gerade nicht auf dem Festhalten an alten Einrichtungen, nicht auf dem Festhalten an Ideen von alten Menschenvignetten, von alten Staatsvignetten und so weiter, sondern es beruht diese Idee der Dreigliederung eben auf der Betrachtung der wirklichen Verhältnisse.

Denn, meine sehr verehrten Anwesenden, man kann nicht verlangen, daß etwa der Dreigliederungs-Impuls sich so mit der Realität, mit der Praxis auseinandersetzt, daß er nun angibt, wie sich ein Geheimer Hofrat oder ein Regierungsrat in den dreigegliederten Organismus hineinstellen wird. Ja, so ungefähr sind ja viele Fragen, die gestellt werden. Es ist das nur eine der grotesken Fragen. Man kann eben nicht sagen, wie sich ein Geheimer Hofrat und ein Regierungsrat da hineinstellen, es ist aber auch gar nicht nötig, daß man das angibt. Es werden sich die geistigen, die rechtlichen, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Menschen nach der Erkenntnis, nach dem Gesetz, nach dem Vertrag in ganz klarer Weise regeln, nur wird innerhalb dieser drei Gebiete manches von dem nicht mehr da sein, das früher sehr geschätzt wurde. Aber, meine verehrten Anwesenden, muß man denn nicht zugeben, daß man im alten Regime manchmal mehr darauf geschaut hat, ob einer ein Geheimer Hofrat war, als darauf, was er leistete, was er arbeitete für den sozialen Organismus? Aber in der Wirklichkeit kommt es eben nicht darauf an, daß einer ein Geheimer Hofrat ist, sondern darauf, was er leistet für den sozialen Organismus. Deshalb muß die Idee der Dreigliederung hinwegsehen über dasjenige, was als Vignette noch aus der alten Zeit herstammt, wenn wir nicht dem vollständigen Untergang des Abendlandes entgegengehen wollen. Sie muß sehen auf das, was aufgehen muß in der neuen Zeit als Frucht der Arbeit, die ein Mensch in irgendeiner Form vollbringt im Dienste des dreigegliederten, aber gesamten sozialen Organismus.

Nach der Ansprache von Rudolf Steiner melden sich verschiedene Persönlichkeiten mit Fragen zu Wort:

Walter Johannes Stein: Grund und Boden ist eine unvermehrbare Totalität. Es gibt also nur eine bestimmte Menge von Grund und Boden. Darauf wohnt eine bestimmte Kopfzahl von Menschen. Man kann daher ausrechnen, wieviel Grund und Boden auf den einzelnen Menschen kommt. Nun möchte ich fragen, ob eine solche Rechnung einen Wirklichkeitswert hat, das heißt, ob man dadurch ein Maß gewinnt, mit dem man volkswirtschaftlich etwas anfangen kann. Oder ist das eine müßige Statistik?

Hans Kaltenbach: Herr Dr. Steiner hat nicht die ganzen Erkenntnisse der deutschen Bodenreformer wiedergegeben; er hat in seinen Ausführungen nur die Steuer auf der Wertsteigerung des Bodens herausgenommen. Diese würde aber nur einen kleinen Teil der vorgeschlagenen Bodenreform ausmachen. Die Einführung einer Grundrentensteuer ist ein deutlicher Beweis dafür, daß die Bodenreformer keine Gesetze im Sinne des alten Staatswesens wollen. Was ihnen vorschwebt, ist eine vertragliche Entwicklung, die nichts mit alter Gesetzesmacherei zu tun hat. Sie ist herausgeboren aus der Idee, daß jeder eine Grundrentensteuer bezahlen muß dafür, daß er den Boden benützen darf, denn die Rente, die ihm durch die Benützung des Bodens zufällt, die soll er der Allgemeinheit spenden. Es handelt sich bei diesem Verfahren nicht um parlamentarische Gesetze oder überhaupt um Gesetze im alten Sinn, sondern um viele einzelne Verträge.

Ein Diskussionsteilnehmer: Es ist aber letzten Endes doch der Staat, der die Grundrentensteuer einkassiert.

Ein anderer Diskussionsteilnehmer: Man kann die Sache drehen, wie man will: Ohne Bodenreform geht es nicht weiter; sie muß als Grundlage für eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft vorhanden sein.

Walter Johannes Stein: Die Dreigliederung ist uns oftmals geschildert worden von Herrn Dr. Steiner als funktionelle Dreigliederung und nicht als eine Dreigliederung der Gebiete. Viele Menschen sind aber im Irrtum; sie denken sich jedes Gebiet für sich und an der Spitze eine Korporation. Das ist also ein Irrtum. Ich möchte fragen, wie eigentlich ein so falsch gegliederter sozialer Organismus aussehen würde.

Hermann Heisler: Wie kommt man zu einer Wohnung, und wie vollzieht sich ein Tausch der Wohnung? Wie vollzieht sich der Hausbau? Der Boden ist Produktionsmittel; er wird vom geistigen Organismus zur Verfügung gestellt. Wenn das Haus fertig ist, ist es dann kein Produktionsmittel mehr? Die meisten Menschen wünschen einen kleinen Garten zu besitzen. Wie soll das gemacht werden, es ist doch nicht soviel Boden da? Welche Rolle spielt bei der Verwaltung von Grund und Boden das Rechtsleben?

Rudolf Steiner: Meine sehr verehrten Anwesenden! Es ist richtig, daß Grund und Boden nicht aus Kautschuk besteht und nicht in beliebiger Weise ausdehnbar ist, und es ist daher auch richtig, daß ein gewisser Zusammenhang bestehen muß zwischen einem abgeschlossenen Bodengebiet und den darauf wohnenden Menschen. Nun ist ja die Sache, die hier als ein ideal-reales Verhältnis spielt, die, daß in der Tat einfach dadurch, daß ein Mensch geboren wird, ein Stück des Grund und Bodens wirklich gewissermaßen okkupiert wird - das entspricht der gesamten verfügbaren Bodenfläche, dividiert durch die Anzahl der bisherigen Bewohner des Bodens plus eins. Es ist tatsächlich so, daß ideal-real jeder Mensch das ihm zufallende Bodenstück bei seiner Geburt beansprucht und daß sich einfach eine reale Beziehung bildet zwischen der verfügbaren Bodenfläche und dem, was eben der neugeborene Mensch auf diese Weise beansprucht. Das ist eine reale Beziehung. Aber nicht wahr, in der Tat geht in dieser sozialen Wirklichkeit nicht alles am Schnürchen. Die Gesetze - ich meine jetzt Naturgesetze, nicht Staatsgesetze - sind da, sie sind aber approximativ. Wenn zum Beispiel auf einem gewissen Gebiet verschiedene Pflanzen leben, und die eine Pflanzensorte entwickelt sich besonders stark, so verdrängt sie die andere Pflanzensorte; die kann nun nicht mehr wachsen. Wenn nun auf einem Bodengebiet es im wesentlichen so ist, daß in der Tat dieses eine Stückchen, von dem ich geredet habe, viel zu klein wird für einen neugeborenen Menschen, so wird gewissermaßen das Ventil aufgemacht, und es tritt ganz von selbst die Auswanderung, die Kolonienbildung und so weiter ein. Wenn die Bevölkerung sich in einem bestimmten Gebiet vermehrt, so kann man eben auch prüfen, ob dem Boden noch mehr Fruchtbringendes entnommen werden kann als in einer früheren Zeit. Das ist zum Beispiel bei dem Boden des ehemaligen Deutschland im wesentlichen der Fall gewesen.

Also das besteht, worauf Herr Dr. Stein hingedeutet hat: die Beziehung des Menschen auf ein gewisses Stück von Grund und Boden. Nur müssen wir uns klar sein, daß dieses Verhältnis eben ein ideal-reales ist, das aber dann, wenn die Dreigliederung Wirklichkeit wird, immer Verträge entscheiden, insofern auf dem Boden Waren erzeugt werden. Der Boden wird nämlich von den Menschen verwaltet, und die Menschen, die den Boden verwalten, müssen - einfach dadurch, daß nicht jeder die gleichen Produkte erzeugt - miteinander in Beziehung treten. Sie müssen eben Verträge schließen, und nachdem sie Verträge geschlossen haben, muß irgend etwas da sein, was sie daran hält, diese Verträge auszuführen. Also dasjenige, was im wechselseitigen Verkehr der Menschen auftritt, welche den Boden bewirtschaften, das unterliegt den Rechtsverhältnissen, den politischen, den Staatsverhältnissen. Dasjenige aber, was geschieht, wenn eine einzelne Bodenfläche übergeht von dem einen Menschen auf den anderen, das unterliegt dem geistigen Gesetz, das in einem selbständigen, sich emanzipierenden Geistesleben gebildet wird und einfließt in die Bodenverwaltung. Die Rechtsverhältnisse greifen ein in die Wechselbeziehungen der Menschen, die den Boden verwalten; das sind Verhältnisse, die nur rechtlich geregelt werden können. Wenn nun so die Dreigliederung eingreift, dann wird wirklich ersichtlich, ob der Boden noch ausreicht oder nicht oder ob man irgendwie - aber nicht durch den bloßen Instinkt, sondern durch einen durch Vernunft geleiteten Instinkt - Kolonisationsverhältnisse hervorruft.

Im ganzen wird man aber sehen, daß etwas Merkwürdiges eintritt. Es gibt etwas im ganz gewöhnlichen, alltäglichen Leben, das regelt sich merkwürdig schön, obwohl natürlich auch nur approximativ. Es regelt sich ganz gut, obwohl die Menschen nichts durch Staatsgesetze oder sonst irgend etwas dazu tun können: das ist nämlich das Verhältnis der auf der Erde vorhandenen Frauenzahl zur Männerzahl. Man ist nicht imstande bis jetzt - und in dem Sinne, wie es die Schencks träumen, wird es auch nicht sein -, durch irgendwelche Staatsgesetze oder durch etwas anderes zu regeln, daß annähernd soviel Männer wie Frauen die Erde bevölkern. Denken Sie, was das wäre, wenn einmal nur 1/5 Frauen und 4/5 Männer da wären oder umgekehrt.

Es ist doch besser, man überläßt das den Gesetzen, die so harmonisch zusammenwirken wie die Naturgesetze. Ebenso harmonisch wird sich - wenn die Dreigliederung einmal wirklich läuft - das, was entsteht, auch den Verhältnissen anpassen. Es werden zum Beispiel nicht alle Menschen Gelehrtenberufen nachlaufen und darin etwas Besonderes sehen. Es werden sich nun wirklich solche Verhältnisse herausbilden, die zum Beispiel auf eine bestimmte Bodenfläche eine geeignete Anzahl von Menschen bringen, so daß dem Dasein des einzelnen die Fruchtbarkeit desjenigen Gebietes entspricht, das ideal-real auf ihn entfällt. Wenn auch dann in übertragener Bedeutung fünf oder hundert solcher Flächen von einem einzigen, der die besondere Fähigkeit dazu hat, verwaltet werden, so kommt doch das, was angebaut wird auf diesen Flächen, den anderen zugute.

Nun habe ich die zweite Frage von Herrn Dr. Stein nicht verstanden. Es scheint mir, als ob er gefragt hätte, was entstehen würde, wenn in falscher Weise die drei Gebiete des sozialen Organismus gegliedert würden.

Ich habe ja schon erwähnt, daß heute die Leute sich eine große Force daraus machen, allerlei «Traubismus» zu treiben. Sie werfen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft vor, daß von der Gnosis etwas entnommen sei, daß vom Indertum etwas entnommen sei, daß den ägyptischen Isis-Mysterien etwas entnommen sei. Ein Artikelschreiber hat sogar entdeckt, daß aus einem sehr alten Buche, das aus den atlantischen Gegenden stammen soll, dasjenige steht, was die Geisteswissenschaft abschreibt und so weiter. Das wird sozusagen nach und nach zu einer Technik, [so etwas zu behaupten], obwohl es eigentlich knüppeldicke Unwahrheiten, sogar in vielen Fällen wirkliche Lügen sind. Denn es ist selbstverständlich einfach so: Wenn ich heute ein mathematisches Lehrbuch schreibe und darin kommt der pythagoräische Lehrsatz vor und ich rechne auf Leser, die ihn nicht gelernt haben, so schreibe ich ihnen das Nötige hin. Aber wenn dann nach dem pythagoräischen Lehrsatz noch etwas dazukommt, was Pythagoras nicht hatte, so darf der Leser nicht sagen, das ganze sei entlehnt, nur weil ich genötigt war, auch das zu sagen, was schon da war. Es handelt sich doch immer darum, daß man an Bekanntes anknüpft und dann das Unbekannte hinzufügt. Es ist unredlich, wenn die Traubisten dann kommen und sagen, es sei etwas von der Gnosis Entlehntes und so weiter. Man muß wissen, was gerade auf dieser Seite für ein knüppeldickes Unwahrheitswesen getrieben wird. Sehen Sie, ist man offizieller Vertreter eines heutigen Bekenntnisses, so ist man schon sehr, sehr veranlaßt, das Wahre nicht zu sagen. Als Professor ist man auch in einer sonderbaren Lage im Verhältnis zur wirklichen Wahrheit. Ist man aber nun gar beides und schreibt man dann ein Buch - ich will den Gedanken nicht weiter ausführen.

Aber sehen Sie, dieselbe Geschichte wird auch mit der Dreigliederung losgehen. Da ich nun weder behaupte, daß ich die Zahl Drei entdeckt habe, noch auch, daß die Zahl Drei nicht in der verschiedensten Weise schon auf irgendwelche physischen Verhältnisse angewendet worden ist, zum Beispiel auf den Menschen, so können auch die Leute kommen und können sagen: Ja, in alten arabischen Schmökern findet sich auch eine Dreigliederung des Menschen, da hat man auch schon den Menschen in drei Glieder eingeteilt. Das aber, um was es sich bei unserer Dreigliederung handelt, das finden Sie in meinem Buche «Von Seelenrätseln», wo ich von Funktionsbegriffen ausgehe. Ich sage nicht: Der Mensch besteht aus drei Trakten. Ich sage: Da ist ein Nerven-Sinnes-Gebiet, da ist ein Luft-und Blutgebiet, da ist ein Verdauungsgebiet. Aber ich sage ausdrücklich: Verdauung ist im ganzen Menschen; die drei Gebiete sind im ganzen Menschen. Ich unterscheide nach den Funktionen; da spreche ich von einer Nerven-Sinnes-Tätigkeit, nicht von irgendeinem Gebiet, und ich unterscheide davon die Funktion der rhythmischen Tätigkeit und drittens die Funktion des Stoffwechsels. Das ist der Mensch, gegliedert nach Funktionen. Sehen sie, wie ich streng als Funktionen in dem Buche «Von Seelenrätseln» gerade das alles charakterisiert habe.

Nun entdeckt einer in einem alten Schmöker, daß der Mensch in Arabien in drei Glieder geteilt werde, in drei Trakte. Der könnte nun auch sagen: Da spricht einer von der Dreigliederung des menschlichen Organismus; er hat ja das Wichtige, die Zahl Drei, aus uralten Traditionen entlehnt; das ist nicht originell. Und weiter wird in diesem alten Schmöker auch nach Analogien eingeteilt - das ist etwas, was ich gerade nur zu einer gewissen Interpretation angewendet habe; lesen Sie nach, was in den «Kernpunkten» über Analogien steht -, dort in diesem Schmöker wird gerade nach Analogien das äußere Staatswesen eingeteilt; es wird zwischen Gebieten unterschieden, und an der Spitze eines jeden Gebietes steht ein Fürst. Es stehen drei Fürsten an der Spitze, also auch in diesem Falle nichts anderes als die Dreizahl. Nun, Fürsten - wenn das einmal kommen sollte, dann können Sie selbst Stellung dazu nehmen. Es kommt nicht auf drei Fürsten an; sondern der innere Geist ist etwas ganz anderes in der sozialen Dreigliederung, [dort kommt es auf das Funktionsmäßige an]. Wenn man nicht auf das Funktionsmäßige sieht, so würde der Irrtum entstehen, daß man zwei oder drei Parlamente nebeneinander haben könnte, wie es einmal ein Tübinger Professor in der «Tribüne» geschrieben hat. Darauf kommt es in der Dreigliederung eben an, daß nicht drei Parlamente nebeneinander sein werden, auch nicht drei Fürsten, sondern nur ein Parlament, im demokratischen Staatsgebilde. Denn im Geistesleben wird nicht parlamentarisiert werden, sondern da wird eine sachgemäße Verwaltung aus der Sache heraus tätig sein, ebenso im Wirtschaftsgebiet. Also, man kann ja den Leuten ihr Vergnügen gönnen, die Dreigliederung auch schon in alten Schmökern nachzusehen. Aber wenn es sich um ein fruchtbares Wirken vom Dreigliederungsgedanken aus handeln soll, so muß man nun wirklich auf das eingehen, wie es in den «Kernpunkten» beschrieben ist.

Nun zu den Fragen von Pfarrer Heisler: Wie kommt man zu einer Wohnung? - und so weiter.

Diese Art Fragen sind eben gar zu starr. Ich will nicht sagen, daß sie nicht wichtig sind, sie sind ungeheuer wichtig. Es ist eine so große Wohnungsnot in der Welt, daß die Leute auf ganz groteske Weise zu Wohnungen zu kommen versuchen. Es ist sogar vorgekommen, daß jemand geheiratet hat, um eine Wohnung zu finden, um nicht auf der Straße zu sein. Es ist außerordentlich wichtig zu wissen, wie man zu einer Wohnung kommt, aber man soll nicht färben seine ganze Auffassung von der Dreigliederung mit etwas, was noch zu stark im Stile desjenigen denkt, was überwunden werden muß.

Denken Sie sich realisiert die Dreigliederung des sozialen Organismus - man muß ja nicht abstrakt denken, denn wenn es sich darum handelt, wie etwas gedacht werden soll, dann muß man auf diese Realisierung der Dreigliederung sehen, wenn sie auch noch so weit draußen steht; es kann nicht alles bloß nach Zielen beantwortet werden. In dem dreigliedrigen Organismus wird der Mensch nicht bloß eine Wohnung zu suchen haben, sondern er tut auch sonst noch etwas. Er wird irgend etwas sein, Fabrikdirektor oder Tischler oder sonst etwas. Dadurch, daß man Fabrikdirektor oder Tischler ist, kann man leben; dafür wird einem etwas vergütet. Dieses Zusammenbringen des Menschen mit seiner Arbeit muß aber im dreigliedrigen sozialen Organismus nach und nach auf die Verwaltung des geistigen Gliedes des Organismus übergehen: Eine Wohnung zu kriegen gehört dann zum Vergüten dazu; das schließt sich zusammen. Sie dürfen sich also nicht vorstellen: ich bin ein Mensch und muß zu einer Wohnung kommen, sondern Sie müssen davon ausgehen: ich bin nicht einfach nur ein Mensch, sondern ich habe auch etwas an einem Orte zu tun, und unter denjenigen Dingen, die mir dafür als Vergütung zukommen, ist - wenn normale soziale Verhältnisse sind - auch eine Wohnung. Nicht bloß darum handelt es sich, daß man abstrakt die Frage stellt: Wie komme ich zu einer Wohnung? -, sondern man muß fragen: Was geschieht, wenn die Dreigliederung da ist? - Da kriegt der Mensch eben, wenn er Mensch ist, an irgendeinem Ort - und das ist man gewöhnlich, wenn man nicht ein Engel ist, der überall ist -, da kriegt der Mensch, wie er sein Gehalt kriegt, auch eine Wohnung, und das unterliegt eben dem, was aus der Organisation des geistigen Lebens kommt. Oder - wenn es sich darum handelt, daß man zwar nicht in ein neues Gebiet hinein versetzt wird, aber sonst in einem anderen Arbeitszusammenhang wirkt, so unterliegt das dem Staat oder dem politischen Gebiet. Aber solche Fragen können nicht abstrakt gestellt werden.

Es werden wirklich erst ein wenig die Verhältnisse abgewartet werden müssen, die durch die Dreigliederung kommen, oder man wird nötig haben, sich durch die Phantasie ein Bild zu machen, wie sich die Verhältnisse gestalten werden. Dann wird es sich ja wirklich auch beantworten lassen, wie man zu verhandeln hat, wenn man irgendwo eine Stelle antritt, also eine Arbeit verrichtet, damit man auch zu einem kleinen Gärtchen kommt und dergleichen. Das sind wirklich Dinge, die nicht an den Nerv der Dreigliederung gehen. Man kann sicher sein, daß sie sich so regeln werden, daß man wahrhaftig erst recht sein kleines Gärtchen vor dem Haus haben kann, wenn einmal die Verhältnisse da sind, die durch die Dreigliederung herbeigeführt werden.

Ebenso handelt es sich ja darum, daß der Hausbau geregelt wird. Was ist er? Er hängt mit der Bodenfrage zusammen. Wenn aber diese Bodenfrage keine Frage der Ware mehr ist, sondern eine Frage des Rechts und des geistigen Lebens, dann ist die Hausbaufrage auch eine Frage, die zusammenhängt mit der ganzen Kulturentwickelung der Menschheit. Es ist ja selbstverständlich, daß Häuser gebaut werden aus denselben Impulsen heraus, aus denen heraus ein Mensch hineingestellt ist in seine Arbeit. Also darum handelt es sich, daß man all diese Fragen nicht abstrakt stellt, daß man sie nicht so stellt, daß der Mensch als ein abstraktes Wesen herausgerissen wird aus seiner ganzen Konkretheit. In einem lebendigen dreigegliederten sozialen Organismus ist es eben nicht so, daß man nur allein vor die Frage gestellt wird, wie man zu einer Wohnung kommt, sondern man wird mit der Frage in die ganze Konkretheit des Lebens hereingestellt, und da kommt alles darauf an, wirklichkeitsgemäß diese Dinge zu behandeln.

Da hat Herr Kaltenbach schon etwas Richtiges gesagt, [wenn er auf die Bedeutung der Grundrente hingewiesen hat]. Ich habe natürlich nur ein Beispiel herausgegriffen, gerade die Wertsteigerungstaxe. Aber ganz dasselbe hätte ich ja sagen müssen in bezug auf die Besteuerung der Grundrente. Aber, meine sehr verehrten Anwesenden, ich möchte nun wissen, ob denn das, was als Frage aufgeworfen wurde, nicht schon beantwortet wurde? Denn mir kam es nicht darauf an, ob es sich nun um eine Grundrente handelt oder um eine Wertsteigerung, sondern darauf, daß grundsätzlich eine Steuer dem Staate gegeben wird; Herr Kaltenbach hat ja deutlich gesagt «Steuer», und damit meint er etwas, was dem Staate gegeben wird. Welche Art Steuer es ist, die dem Staat gegeben werden soll, darauf kommt es nicht an. Aber darauf kommt es an, daß der Staat auf ein einziges Glied des sozialen Organismus eingeschränkt werde, nicht behalten werden soll die Struktur, in der er heute ist. Man kann nicht sagen, daß die Bodenreformer keine Gesetze im Sinne des alten Staatswesens wollen. Das wollen sie doch. Sie wollen dem alten Staat etwas aufbuckeln, wovon sie glauben, der alte Staat könne es. Er kann es niemals. Ich weiß selbstverständlich, was für eine Rolle es spielt, wenn jemand sich in eine Idee eingelebt hat; er kann nicht davon lassen. Aber ich denke, daß eigentlich alles das, was über die Grundrentensteuer gesagt worden ist, schon aus dem Geiste dessen, was über Wertsteigerung gesagt wurde, beantwortet ist.

Das möchte man so sehr, daß nicht wiederum das Alte auftaucht. Man möchte nicht, daß nur einer kommt und sagt: Ich will ja gar nicht, daß die Geheimen Regierungsräte geradeso sind wie die alten Geheimen Regierungsräte, aber ich will, daß der dreigegliederte Organismus neue Regierungsräte fabriziert. - [Es kommt auf das gleiche heraus], ob man das sagt oder ob man sagt: Ja, die Bodenreformer wollen ja gar nichts dem Staate geben. - Aber Steuern wollen sie doch geben, und Steuern kann man ja in der heutigen Form nur dem Staate zahlen. Damit steckt man ja in der Frage drinnen: Wem soll man denn Steuer zahlen? - Und wenn es sich um Verträge handelt - ja, wissen Sie, Verträge läßt wahrhaftig bis jetzt kein Staat mit sich über die Steuer schließen. Das nimmt sich doch anders aus, was da spielt zwischen Staat und Mensch, wenn Steuer gezahlt werden soll; da handelt es sich wahrhaftig nicht um Verträge.

Es handelt sich darum, daß wir lebendig aufzunehmen versuchen, wie die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus ein Umdenken will. Aber dem steht eben entgegen - auch wenn man mit gutem Willen oftmals zugibt, man soll und muß umdenken -, daß, wenn man dann versucht umzudenken, man eben am Worte kleben bleibt, zum Beispiel bei dem Worte «Gesetz». Ja, so habe ich auch schon die Frage gestellt bekommen: Wie soll der Staat die Dreigliederung einführen? Das ist es: Wir müssen hinauskommen über die Denkgewohnheiten, über die Wortgewohnheiten. Wir müssen zu scharf umrissenen Gedanken kommen, sonst wird der Impuls der Dreigliederung des sozialen Organismus doch nicht verstanden.

Rudolf Steiner