Thomas Mayer und die Vollgeld-Initiative

05.05.2017

Quelle
Zeitschrift Sozialimpulse
Rundbrief Dreigliederung des sozialen Organismus
Jahrgang 28, Heft 2, Juni 2017, S. 39-40
Bibliographische Notiz

Die Vollgeld-Initiative sieht als eine wichtige Ursache des ungezügelten Finanzkapitalismus die private Geldschöpfung. Thomas Mayer lehnt deshalb ab, „dass Unternehmen selbst Geld herstellen“. Er verortet das Geld nicht in der Wirtschaft, sondern sieht die Probleme gerade von deren Seite her kommen und davon, dass Geld eine Ware sei. Die Aufgabe müsse also sein, der Wirtschaft klare Gesetze und Rechtssicherheit gegenüber zu stellen. Geld gehöre überhaupt in den Rechtsbereich; als Bezugsrecht und Rechtsregulator der Wirtschaft. Er meint, sich damit auf die Dreigliederung beziehen zu können, was mich hier versuchen lässt, ein paar Gesichtspunkte aus dieser seinem Ansatz gegenüberzustellen.

Geld kann immer nur Zeichen sein

Geld soll und kann in der arbeitsteiligen Wirtschaft selbstverständlich nicht selber Ware sein. Es ist immer Zeichen oder Anweisung und darf sinnvollerweise keinen eigenen Wert haben. Dieses Geld als Zeichen hat es aber nicht nur mit dem Rechtsbereich, sondern mit allen drei Gebieten des sozialen Organismus zu tun. Beim Blick nach „unten“ ist es nicht Ware, aber Anweisung für Ware; beim Blick zum Gegenüber ist es tatsächlich Rechtsgeld; beim Blick nach „oben“ verbindet es sich mit bestimmten Fähigkeiten und wird zu Kapital. Soweit die Vollgeld-Initiative besonders auf eine Verrechtlichung des Geldes setzt, lässt sie seine wirtschaftliche und geistige Seite unberücksichtigt. Gerade deshalb drohen längerfristig aber wieder neue, unvorhergesehene Schwierigkeiten.

Eine gewisse Verrechtlichung ist schon die Übertragung der Geldhoheit auf eine National- oder Zentralbank, auch wenn diese formal unabhängig vom Staat gedacht ist. Denn allgemeine pauschale Erhöhungen oder Schrumpfungen der Geldmenge in Bezug auf ein „Gesamtinteresse“ sind weit weg von der konkreten wirtschaftlichen Notwendigkeit. Diese besteht in Bezug auf das Geld zunächst darin, dass ich für das, was ich selber für die anderen geleistet habe – ich habe zum Beispiel Möhren angebaut – eine Art Anweisung in die Hand bekomme auf etwas anderes - zum Beispiel ein Buch - was die anderen für mich leisten. Dabei kommt alles auf die Preisrelationen an; in diesem Fall darauf, wie viele Kilo Möhren das Buch wert ist. Sozial gerecht ist, wenn die Preisverhältnisse stimmen. - Eine Verrechtlichung der Begriffe ist es auch, wenn Thomas Mayer Absprachen und Verträge zum Recht zählt und nicht zur Wirtschaft, wo sie eigentlich hingehören. Absprachen und Verträge begleiten das bestimmte und konkrete Handeln zwischen Menschen, das aus deren Einsicht und Erfahrung kommt. Vertrauen hat damit viel zu tun, Gesetze weniger. Diese sind weder für den konkreten Fall direkt ausschlaggebend noch werden sie durch ihn berührt. Sie kommen erst ins Spiel, wenn sie übertreten werden. Weiterhin: wird nicht auch der Kreditbereich umso mehr verrechtlicht, je zentralisierter die Kreditvergabe erfolgt? Das mittlere, staatliche Segment des sozialen Organismus droht sich mit dem Vollgeld über die beiden anderen noch weiter als jetzt schon auszudehnen.

Durch das Zusammenspiel Wirtschaft – Geist entsteht Wertschöpfung

„Alternative“ Reformvorschläge bewegen sich gern innerhalb der Dualität Wirtschaft - Staat. Man weiss, die Wirtschaft macht Schäden, man setzt gegen sie das Recht, sieht in letzterem das eigentlich Menschliche, und erwartet von daher Heilung. Wenn man aber die Dreiheit beachtet, kann man sehen, wie diese sich zunächst aus einer anderen Polarität bilden muss, nämlich der von Wirtschaftsleben und Geistesleben. Das Rechtsleben bildet dann nicht selber einen der Pole, sondern stellt sich als drittes der ursprünglichen Polarität gegenüber, eben der von Geist und Wirtschaft, oder Natur und Kapital (Wir bemerken diese Polarität zu wenig, weil in ihr die Wirtschaft dominiert und das Geistesleben nicht oder kaum als Selbständiges wahrnehmbar ist. Und wir vergessen, dass die Schädlichkeit der Wirtschaft gerade von diesem ungenügend ihr entgegengesetzten Geistesleben kommt; sodass wir vor allem ein stärkeres Geistesleben, nicht aber ein vergrössertes Rechtsleben brauchen.). Auf das Dasein und Zusammenarbeiten der Pole Wirtschaftsleben – Geistesleben kommt es zuerst an. Das Recht schafft dann das Gleichgewicht, wenn die Pole arbeiten, aber es ist nicht primär produktiv. Die ganze Wertschöpfung kommt von der Arbeit speziell der Erfahrenen in der Wirtschaft und der Fähigen im geistigen Bereich, nicht einfach demokratisch von „uns allen“. - Worin besteht folglich die Werthaltigkeit der Währung? Darin, dass sie der Ausdruck dieses produktiv arbeitenden sozialen Organismus ist, wo der an der Natur Arbeitende den geistigen Arbeiter mit ernährt und dieser jenem z.B. wieder die Arbeit erleichtert durch das Erfinden von Produktionsmitteln - und wo dieser Zusammenhang durch Kauf, Kredit und Schenkung auf der Geldseite abgebildet wird! Das kann natürlich nicht die Aufgabe einzelner Unternehmen sein, muss aber doch als Aufgabe innerhalb der Wirtschaft liegen.

Geldalterung ist eine Rechtsfrage

Was bleibt in einem gegliedert gedachten sozialen Organismus speziell der Rechtscharakter des Geldes? Eine Rechtsfrage ist bestimmt, ob anerkannt wird, dass eine Geldanweisung zu Recht bei mir ist und dass ich sie behalten kann. Eine weitere und ungewohnte Rechtsfrage wäre aber folgende: Ist es in Ordnung, wenn ich, nachdem ich den gefundenen Schatz meines Grossvaters, den er vor sechzig Jahren versteckt hatte, bei der Bundesbank in Euro tausche und mir dann davon Güter in der damaligen Wertrelation kaufen kann? Nein. In Wirklichkeit kann ich mit den damaligen Ansprüchen nur kaufen, was von damaligen Gütern noch da ist, also fast nichts. Das heisst: Geldalterung ist eine Rechtsfrage, weil nur alterndes Geld der alternden Warenwelt entspricht. Man vergleiche nun die relative Ohnmacht des zu Recht alternden Geldes mit der Macht, die dem Geldbesitzer schon das jetzige Geld verleiht und wohl noch mehr das Vollgeld verleihen würde. Der Geldbesitzer hat mit diesem in seinem Wert hoheitlich garantierten Geld sozusagen einen Polizisten an der Seite und kann mit seinen alten Scheinen jederzeit auch dem heute Arbeitenden die volle Leistung abfordern.

An dieser Stelle zeigt sich der grundlegende Unterschied zwischen erstens Geld, das lediglich Buchführung sein will, also Anweisung auf Waren, und zweitens dem Geld, das sich den Produzierenden in der Wirtschaft gegenüberstellt, um einen eigenen Wert zu behaupten: staatlich abgestempeltes Geld; damit vergleichbar ist auch Geld aus werthaltigem Edelmetall; Vollgeld und Schatzgeld. Was sehen wir? Gerade dieses letztere Geld gibt sich durch seinen „Eigenwert“ in der Wirtschaft sozusagen das Gewicht einer Ware, auch wenn es nur aus Papier oder aus Zahlen besteht, gerade dieses Geld ist also „Geld als Ware“! Geld als reines Recht bedeutet jedenfalls Macht über die Arbeit anderer Menschen, die dadurch zur Leistung verpflichtet sind. Das ist Rechtsdurchsetzung am falschen Ort. Das Recht sollte sich um anderes kümmern: Die zentralen demokratisch zu lösenden Aufgaben wären nicht, in die Wirtschaft und in das Geistesleben hineinzuregieren, sondern diese staatlichen Aufgaben sind, einerseits das Ausbeutungs- und Erb- Eigentumsrecht an Boden und Produktionsmitteln in Fluss zu bringen, bevor es schädlich wird, und andererseits eben die Arbeitsbedingungen von der Wirtschaft weg und in den Rechtsbereich zu nehmen. An all diesem agiert die Vollgeld-Initiative vorbei.