Werbung

Werbung als Symptom

Werbung gibt es überall da, wo die Wirtschaft nicht mehr dient, sondern sich bedient. Werbung ist symptomatisch für unsere Produzentenwirtschaft, wo die Initiative von den Unternehmen ausgeht und ein Heer von Kaufleuten, Psychologen und Künstlern allein damit beschäftigt ist, dem Kunden das Gegenteil zu suggerieren. Von einem solchen Produkt habe er doch immer geträumt. Und wie es sich nun trifft, hat es gerade Nestlé im Angebot.

Die Überwindung der Werbung durch die soziale Dreigliederung

Durch eine soziale Dreigliederung - mit ihrer Verselbständigung und Aktivierung der Zivilgesellschaft - läßt sich die Werbung weitgehend unwirksam machen. Die Bedürfnisse entstehen dann nicht mehr aus der Wirtschaft, sondern aus dem individuellen und kulturellen Bereich heraus. Die Wirtschaft sorgt nur noch dafür, daß die Bedürfnisse befriedigt werden, schafft sie aber nicht mehr selber. Manche Bedürfnisse können sich dadurch so stark individualisieren, daß eine Massenproduktion unmöglich wird. Ein naheliegendes Beispiel Beispiel wäre die Kleidung, die weitgehend vom Handwerk bzw. in der eigenen Freizeit verfertigt werden wird. Von der früher aggressiven Werbung bleibt dann eigentlich nur noch die passive Information. Es wird gewartet, bis der Konsument die Initiative ergreift. Von einer solchen Konsumentenwirtschaft kann erst gesprochen werden, wenn die Händler zu Agenten der Konsumenten geworden sind. Sie müssen Psychologen sein, um sich in sie hineinversetzen zu können, ohne sie zu manipulieren. Um diese Wende zu schaffen, brauchen sie aber emanzipierte Konsumenten, die jeder Werbung gegenüber immun sind – und stärkere Konsumentenorganisationen. Auf dem Weg dorthin können die LehrerInnen helfen, indem sie nicht nur Goethe oder Max Frisch auseinandernehmen, sondern auch einige typischen Fälle von Werbung und daran zeigen, wie leicht man manipuliert werden kann. Man braucht gar nicht die Künstler, die sich so instrumentalisieren lassen, zu verteufeln, ganz im Gegenteil. Sie sind eher Teil der Lösung als des Problems. Es läßt sich leicht zeigen, daß sie bei einer Produzentenwirtschaft kaum andere Möglichkeiten haben, überhaupt zu überleben. Die verstaatlichtenSchulen haben die Kunst aus ihrem Programm gestrichen. Nur bei freien Schulen läßt sich durch eigenes Tun die Begeisterung für die Kunst so entfachen, daß den Künstlern wieder ein Publikum geschaffen wird. Sie können dann von ihrer Kunst leben - statt von der Werbung. Seitens der Industrie hat es schon Versuche gegeben, sich nach den Kunden zu orientieren. Wie ernst diese Versuche gewesen sind, sieht man daran, daß sie nie einen nennenswerten Einfluß auf die Werbebudgets gehabt haben. Die Initiative muß daher von den Konsumenten selbst ausgehen.

Sylvain Coiplet