Geistesleben braucht Kraft nicht nur Doktoren, sondern auch Unternehmer auszubilden

Quelle: GA 305, S. 205-242, 2. Ausgabe 1979, 29.08.1922, Oxford

Hier im Westen handelt es sich darum, daß die drei Glieder nebeneinander daliegen, daß sie deutlich voneinander gesondert sind, daß man selbst räumlich das geistige Leben so zusammengefaßt findet wie hier in Oxford, wo man das Gefühl hat, als ob es draußen überhaupt keine Staats- und keine wirtschaftliche Welt mehr gäbe, als ob alles Geistige souverän und autonom dastünde. Aber man hat auch das Gefühl, dasjenige, was in diesem souveränen Geistesleben sich entwickelt, das hat nicht mehr die Kraft, hinauszuwirken in die beiden anderen Glieder. Das ist etwas, was nur in sich selber lebt, was nicht organisch eingewebt ist in die beiden anderen Glieder.

In Deutschland hat man das Gefühl: Das geistige Leben steckt so drinnen im staatlichen Leben, daß man ihm erst auf die Beine helfen muß, daß es selbständig stehen kann. Hier hat man das Gefühl, das geistige Leben steht so selbständig da, daß es sich überhaupt nicht irgendwie kümmert um die anderen Glieder. Das gibt eine wesentlich andere Färbung, wenn man wirklichkeitsgemäß denkt gegenüber der ganzen sozialen Frage der Gegenwart und dem Grundimpuls der sozialen Frage in unseren Tagen. [...]

Wenn ich den Versuch gemacht habe, auf der einen Seite das Erziehungsmäßige auseinanderzusetzen, auf der anderen Seite das Soziale, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß das von Dornach aus gepflegt werden soll als ein Universelles. Zunächst ist ja vom Weltanschauungs-, vom Erkenntnisstandpunkte ausgegangen worden, als die anthroposophische Bewegung gegründet worden ist. Und erst als Menschen gesehen haben und gefühlt haben in unserer Zeit aus dem, was in unserer Zeit an Niedergangskräften lebt, daß in erzieherischer Weise und auch in sozialer Weise etwas geschehen muß, da sind die Menschen herangekommen an mich mit der Frage: Was hat Anthroposophie zu sagen für Schulgründungen, die mit dem vollen Leben rechnen, mit einer Zukunft, die aus den tieferen Menschenkräften hervorgeht? Denn aus der Oberfläche der Menschenkräfte läßt sich für die Zukunft zunächst nichts gewinnen.

Nicht aus irgendeiner Schrulle heraus, auch nicht aus einer abstrakten Idee ist die erzieherische Strömung entstanden, sondern weil Menschen gekommen sind, die an die Anthroposophie diese Frage gestellt haben, die wissen wollten, was Anthroposophie da zu sagen habe aus dem Leben heraus, nicht aus einer sektiererischen Bestrebung.

Und in noch höherem Maße war das der Fall mit der sozialen Frage. Auch da sind Menschen, denen das Herz brach über dasjenige, was in der Gegenwart in den Niedergang hineinführt, gekommen und wollten wissen, was anthroposophische Erkenntnis an wirklichem Eindringen in die Realität zu sagen hat über Impulse, die von der Gegenwart in die Zukunft hineingeschickt werden sollen.

Daß ich hier Verständnis dafür fand, dafür sage ich am Schlusse meinen herzlichsten Dank, indem ich noch betone, daß dasjenige, was gerade so gesagt werden muß, darauf angewiesen ist, daß es aufgenommen wird in das volle Leben, daß es aus dem College hinauswirkt in die Welt, wo die Menschen stehen, daß es also nicht antiquarische Wissenschaft sei, sondern daß gerade in den Stätten des geistigen Lebens die Impulse entstehen, die bewirken, daß auch in den Fabriken die richtigen Menschen stehen, die gerade das Kapital verwalten, von denen Leben ausgeht. Daß das charakterisiert wurde mit Beispielen, die sich darbieten, wird man mir nicht übelnehmen, wenn ich auf der anderen Seite wiederhole, was ich schon mehrmals gesagt habe, daß es mir mit ein ganz besonderes beglückendes Gefühl war, diese Impulse hier in Oxford auseinandersetzen zu können, wo jeder Schritt auf die Straße inspirierend wirkt aus dem ehrwürdigen Alter heraus, wo das ganz besonders wirkt, was derjenige braucht, der aus dem Geiste heraus sprechen will.

In älteren Zeiten war nicht der Geist lebendig, der heute lebendig werden muß, und der in die Zukunft hinein wirken soll, aber es war Geist lebendig. Und dieser Geist kann inspirierend wirken. Deshalb war es mir auch tief befriedigend, gerade hier unter dem Eindruck des Altehrwürdigen, des Verehrungswürdigen in Oxford diese Vorträge halten und diese Anregungen geben zu dürfen.