Die Störung der Weltwirtschaft durch den Staat führt zur Valutaentwertung

Quelle: GA 340, S. 014-022, 5. Ausgabe 1979, 24.07.1922, Dornach

Was war im Grunde genommen das Richtige an der Sache, daß man damals dachte, man müsse die Dreigliederung in möglichst viele Köpfe hineinbringen? Ich will heute nur äußerlich charakterisieren: das Wichtigste war, daß man zunächst die Dreigliederung in möglichst viele Köpfe hineingebracht hätte, bevor die wirtschaftlichen Folgen aufgetreten sind, die seither eingetreten sind. Sie müssen bedenken: als die Dreigliederung zuerst genannt worden ist, standen wir noch nicht vor den Valutaschwierigkeiten von heute; im Gegenteil, wäre damals die Dreigliederung verstanden worden, so hätten sie nie kommen können. Aber wiederum stand man vor der Unmöglichkeit, daß die Menschen so etwas in wirklich praktischem Sinn verstanden. Man versuchte damals, die Dreigliederung verständlich zu machen, und dann fragten einen die Leute: Ja, das wäre alles schön, wir sehen es auch ein; aber das erste ist ja doch, daß wir dem Niedergang der Valuta entgegenarbeiten. - Ja man konnte den Leuten nur sagen: Das steckt ja in der Dreigliederung! Bequemt euch zu der Dreigliederung, sie ist das einzige Mittel, um gegen den Valutaniedergang zu arbeiten! Die Leute fragten gerade, wie man das macht, was doch gerade die Dreigliederung hätte treffen sollen. Sie verstanden also die Dreigliederung nicht, wenn sie das auch immer behaupteten. [...]

Und nun, im Jahre 1919 konnte man denken, weil alles im Grunde genommen zerstört war, daß die Leute gesehen haben würden, daß man mit etwas Frischem anfangen muß. Nun, es war nicht der Fall. Die geringe Anzahl von Menschen, die dazumal daran glaubten, daß man neu anfangen muß, sind auch sehr bald in die Bequemlichkeit verfallen: Man kann ja doch nichts machen. - Mittlerweile trat die große Kalamität ein, die Valutaentwertung in den östlichen und mittleren Gegenden, und damit eine vollständige Umwälzung der Menschenschichtung; denn mit jeder weiteren Entwertung muß selbstverständlich derjenige, der von dem lebt, was mit Ultraviolett verglichen worden ist [Sylvain Coiplet: das heißt vom Kapital], verarmen. Und das geschieht auch, vielleicht mehr, als man es heute schon bemerkt. Das wird vollständig geschehen. Daher wird man vor allen Dingen hier gewiesen an den Begriff des sozialen Organismus, aus dem Grunde, weil sich ja zeigt, daß die Valutaentwertung durch die alte Staatsbegrenzung bestimmt wird. Die alte Staatsbegrenzung greift also ein in den volkswirtschaftlichen Prozeß. Diesen muß man begreifen, aber man muß erst den sozialen Organismus verstehen.

Aber all die Nationalökonomien, von Adam Smith angefangen bis herauf zu den neuesten, rechnen eigentlich mit kleinen Gebieten als sozialen Organismen. Sie beachten da nicht einmal, daß, wenn man schon eine bloße Analogie wählt, diese stimmen muß. Die Menschen beachten gar nicht, daß sie stimmen muß. Haben Sie schon einen wirklichen ausgewachsenen Organismus gesehen, der so ist:

340-022-1979-24071922

Hier ist zum Beispiel ein Mensch, hier ist der zweite Mensch, hier ist der dritte Mensch und so weiter. Es wären niedliche Menschenorganismen, die in solcher Weise aneinanderkleben würden; das gibt es doch bei ausgewachsenen Organismen nicht. Das ist aber doch bei den Staaten der Fall. Organismen brauchen die Leere um sich herum bis zu dem anderen Organismus. Das, womit Sie die einzelnen Staaten vergleichen können, sind höchstens die Zellen des Organismus, und Sie können nur die ganze Erde als Wirtschaftskörper mit einem Organismus vergleichen. Das müßte beachtet werden. Das ist mit Händen zu greifen, seit wir Weltwirtschaft haben, daß wir die einzelnen Staaten nur mit Zellen vergleichen können. Die ganze Erde, als Wirtschaftsorganismus gedacht, ist der soziale Organismus.

Das wird nirgends ins Auge gefaßt. Denn die gesamte Volkswirtschaftslehre ist gerade dadurch hineingewachsen in etwas, was nicht der Wirklichkeit entspricht, weil man Prinzipien aufstellen will, die für eine einzelne Zelle gelten sollen. Daher finden Sie, wenn Sie die französische Volkswirtschaftslehre studieren, eine andere Konstitution, als wenn Sie die englische, die deutsche oder andere Volkswirtschaftslehren studieren. Aber als Volkswirtschafter brauchen wir schon ein Verständnis für den gesamten sozialen Organismus.