Geistige Korporationen statt Gewerkschaften

Quelle: GA 337b, S. 233-235, 1. Ausgabe 1999, 12.10.1920, Dornach

Nun, wissen Sie, was verschwindet dann? Sie müssen das durchdenken: Was verschwindet, das ist die Konkurrenz. Wenn man in dieser Weise den Preis bestimmen kann, wenn man wirklich auf dem Wege der Zusammenschließung der Branchen den Preis bestimmen kann, da hört die Konkurrenz nämlich auf. Es ist nur nötig, dieses Aufhören der Konkurrenz in einer gewissen Weise zu unterstützen. Und man kann es dadurch unterstützen, [daß sich die verschiedenen Branchen zu Assoziationen zusammenschließen]. Allerdings war ja auch schon immer ein Bedürfnis dazu vorhanden, daß sich die Leute gleicher Branchen zusammenschließen; aber dieses Zusammenschließen der Leute gleicher Branche, das verliert tatsächlich seinen wirtschaftlichen Wert, weil man dadurch, daß man nicht zu konkurrieren braucht auf dem freien Markt, es nicht mehr nötig hat, den Preis zu unterbieten und dergleichen. Dann werden allerdings durchzogen sein die Assoziationen, die sich im wesentlichen von Branche zu Branche begründen, die werden durchzogen sein von jenen Vereinigungen, die wir dann wieder Genossenschaften nennen könnten. Diese brauchen aber keine eigentlich wirtschaftliche Bedeutung mehr zu haben, diese werden mehr herausfallen aus dem eigentlich wirtschaftlichen Leben. Wenn sich diejenigen, die ein gleiches Produkt fabrizieren, verbinden, so wird das ganz gut sein, aber es wird eine gute Gelegenheit sein, wenn sich mehr geistige Interessen da entfalten, wenn da vorzugsweise die Leute, die aus gemeinsamen Denkrichtungen heraus arbeiten, sich kennenlernen, wenn die einen gewissen moralischen Zusammenhang haben. Derjenige, der real denkt, der kann sehen, wie schnell sich das machen ließe, daß man die Verbände der gleichen Branche entlasten würde von der Sorge für die Preisbestimmung, indem die Preise lediglich bestimmt würden von den Verbänden der ungleichen Branchen. Es würde dadurch - indem, ich möchte sagen, das Moralische einziehen würde in die Verbände gleicher Waren -, es würde dadurch am besten die Brücke hinüber zu der geistigen Organisation des dreigliedrigen sozialen Organismus sich schaffen lassen. Solche Verbindungen aber, die rein aus der kapitalistischen Wirtschaftsordnung heraus entstanden sind wie die Gewerkschaften, die müssen vor allen Dingen so schnell als möglich verschwinden.

Ich wurde neulich von einem Menschen, der es mit dem Wirtschaftsleben zu tun hat, gefragt, was eigentlich jetzt geschehen solle, denn es sei wirklich sehr schwer, irgend etwas noch auszudenken, um irgendwie hineinzuwirken im günstigen Sinne in das rasend schnell untergehende Wirtschaftsleben. Ich sagte: Ja, wenn man so weitermacht bei den entsprechenden Staatsstellen, die ja noch immer maßgebend sind für das Wirtschaftsleben - und heute gerade erst recht maßgebend sind -, wenn man so weitermacht, dann geht das schon ganz sicher weiter in den Ruin hinein. - Denn was wäre heute notwendig? Das wäre notwendig, daß sich diejenigen, die aus der Staatsbürgerlichkeit irgendwie allmählich sich herausarbeiten sollten zu Trägern der wirtschaftlichen Assoziationen, daß die sich weniger beschäftigen würden in der Richtung, die man zum Beispiel in Württemberg merken konnte, wo ein sozialistisches Ministerium war. Ja, gerade in der Zeit, während wir besonders regsam waren, haben ja diese Leute manchmal versprochen, sie wollten kommen. Sie sind nicht gekommen. Warum? Ja, sie ließen sich immer entschuldigen, denn sie hatten Kabinettssitzungen. Da konnte man diesen Leuten nur immer sagen: Wenn ihr euch zusammensetzt, da könnt ihr dadrinnen brauen, was ihr wollt; dem sozialen Leben werdet ihr jedenfalls nicht aufhelfen. - Auch Minister und alle diejenigen, die nun die unteren Stellen hatten, von den Ministern abwärts, die hätten dazumal nicht in die Kabinette hineingehört, sondern überall hinein in die Volksversammlungen, um die Massen auf diese Weise zu finden und zwischen ihnen zu arbeiten; diejenigen, die irgend etwas zu unterrichten und zu leisten hatten, die hätten jeden Abend unter die Arbeiter gehört. Dadurch hätte man können die Leute gewinnen, daß allmählich auf eine vernünftige Weise verschwunden wären die Gewerkschaften. Und sie müssen verschwinden, denn nur dadurch, daß die Gewerkschaften verschwinden, die reine Arbeiterverbände sind, wird die Assoziation stattfinden können, und es ist ganz gleichgültig, ob einer heute nach der Richtung der Gewerkschaft hintendiert oder der Angestelltenvereinigung oder gar der kapitalistischen Vereinigung einer bestimmten Branche - die gehören alle zueinander, die gehören in Assoziationen hinein. Das ist dasjenige, auf was es ankommt, daß wir vor allen Dingen wirken zur Beseitigung desjenigen, was die Menschen auseinanderreißt.