Propaganda durch Initiativen statt durch große Zahl

Quelle: GA 337a, S. 141-142, 1. Ausgabe 1999, 03.03.1920, Stuttgart

Wenn wir, die wir in engerem Kreis an der Fortführung der Dreigliederungsideen arbeiten, dennoch durchaus glauben, daß die Arbeit fortgesetzt werden muß, so sind wir auf der anderen Seite auch gründlich davon überzeugt, daß der Weg, der eben zunächst eingeschlagen worden ist - eine genügend große Anzahl von Seelen zu überzeugen von der Notwendigkeit der Dreigliederung -, daß dieser Weg heute nicht rasch genug zum Erfolg führen kann. Deshalb müssen wir heute denken an unmittelbar praktische Unternehmungen, deren Gestalt ja schon in der nächsten Zeit vor unsere engere Zeitgenossenschaft hintreten soll. Wir müssen daran denken, unser Ziel zu erreichen durch gewisse Institutionen, die ersetzen können dasjenige, was bewirkt worden wäre durch das Zusammenwirken einer genügend großen Anzahl von überzeugten Menschen. Wir müssen wenigstens den Versuch machen, durch Institutionen, die wirtschaftliche Institutionen sind, erste Musterinstitutionen zu schaffen, an denen man sehen wird, daß in solchen wirtschaftlichen Institutionen unsere Ideen praktisch verwirklicht werden können. Diese können dann Nacheiferung finden in dem Sinne, daß man dann den Tatsachen dasjenige glaubt, was man vorher den uns überzeugend scheinenden Worten nicht glauben wollte. Auf der anderen Seite werden diese Musterinstitutionen auch tatsächlich solche wirtschaftlichen Folgen haben können, daß manches von dem, was schon eingetreten ist an wirtschaftlicher Helotisierung, wiederum gutgemacht werden kann. In der Tat ist ja eine große Anzahl von Menschen in diesem Mitteleuropa soweit gekommen, daß es ihnen ganz gleichgültig ist, woher sie ihre Profite beziehen. Sie lassen sich von den Siegern unter Umständen die Direktiven und auch die sachlichen materiellen Unterlagen geben, wenn das für sie nur möglich macht, entsprechende Profite zu haben. Die Art und Weise, wie man in manchen Kreisen heute daran denkt, sich wirtschaftlich aufzuhelfen in Mitteleuropa, ist ja geradezu beschämend. So muß gedacht werden, aus der Dreigliederungsidee selber heraus praktische Institutionen zu schaffen, welche den Beweis werden liefern können - selbst unter den schon recht schwierig gewordenen Verhältnissen -, daß diese Dreigliederungsidee tatsächlich nicht eine utopistische, sondern eine praktische ist.

Sehen Sie, als wir mit unserer Arbeit begonnen haben, wurde vielfach gefragt: Ja, könnt ihr uns für einzelne Einrichtungen praktische Gesichtspunkte geben? Wie soll man das oder jenes machen? - Derjenige, der eine solche Frage aufgeworfen hat, der hat gewöhnlich ganz davon abgesehen, daß es sich nicht darum handeln konnte, die eine oder andere Institution, die gerade ihre Unbrauchbarkeit erwiesen hat, durch gute Ratschläge weiter zu erhalten, sondern daß es sich darum gehandelt hat, durch Umwandlung im großen einen völligen sozialen Neuaufbau zu bewirken, durch den dann die einzelnen Institutionen getragen worden wären. Dazu hätte es nicht der Ratschläge bedurft für das eine oder andere, sondern dazu hätte es bedurft, daß die Ideen im großen eingesehen worden wären, das heißt von einer genügend großen Anzahl von Menschen - denn zuletzt werden doch alle Institutionen von Menschen gemacht.