Ohne soziale Dreigliederung gibt es keine Lösung der Währungsfrage

Quelle: GA 024, S. 121-123, 2. Ausgabe 1982, 12.1919

Einem Ideenzusammenhang wie dem von der Dreigliederung des sozialen Organismus wird oft als Einwand entgegengeworfen: er könne nicht für diese oder jene Einzelheit mit «praktischen Vorschlägen» auftreten. Man sagt etwa: Da ist die Zerrüttung der Valuta. Was hat der Anhänger der Dreigliederung als Mittel zu ihrer Verbesserung anzugeben? Dieser muß erwidern: Der Gang der wirtschaftlichen Weltverhältnisse ist in der neueren Zeit ein solcher gewesen, der durch den Konkurrenzkampf der Staaten zur Entwertung des Geldes im einzelnen geführt hat. Eine Verbesserung kann nur eintreten, wenn nicht einzelne Maßnahmen für dieses oder jenes als Heilmittel angesehen werden, sondern wenn dieser Gang des Wirtschaftslebens in seinem ganzen Wesen durch die Dreigliederung zu etwas anderem gemacht wird. Einzelne Maßnahmen können ja manches im einzelnen vorübergehend bessern; wenn aber das Wesen des Wirtschaftens dasselbe bleibt, so kann eine einzelne Verbesserung nichts helfen; sie muß sogar eine Verschlechterung auf einem anderen Gebiete zur Folge haben.

Das wirklich praktische Mittel zu einem Neuaufbau des Zerstörten ist eben die Dreigliederung selbst. Wollte man gerade in einem Gebiet, in dem zum Beispiel das Wirtschaftsleben durch die Entwertung der Valuta seufzt, umfassende Einrichtungen im Sinne der Dreigliederung schaffen, so mußte sich durch den Gang der Ereignisse das Übel bessern. Der gekennzeichnete Einwand kommt daher, daß derjenige, der ihn macht, aus irgendwelchen Gründen vor einer praktischen Arbeit im Sinne der Dreigliederung zurückschreckt und verlangt, die Träger dieser Dreigliederungsidee sollen ihm Mittel zu einer Gesundung dieser oder jener Verhältnisse angeben, ohne diese Verhältnisse selbst im Sinne ihrer Idee zu gestalten.

In diesem Punkte besteht eben ein wesenhafter Gegensatz zwischen dem Träger der Dreigliederungsidee und allen denen, die da glauben, man könne das alte einheitsstaatliche soziale Leben beibehalten und innerhalb desselben zu einem Neuaufbau kommen. Die Idee von der Dreigliederung ruht eben gerade auf der Einsicht, daß diese einheitsstaatliche Orientierung die katastrophale Weltlage herbeigeführt hat; und daß man sich deshalb entschließen muß, sie aus denjenigen Verhältnissen heraus neu aufzubauen, die sich aus der Dreigliederung ergeben.

Ehe nicht dieser Mut zu einem Durchgreifenden bei einer genügend großen Anzahl von Menschen erwacht, kann eine Heilung des kranken sozialen Lebens nicht kommen. Das einzige, das ohne dieses Durchgreifende möglich ist, kann nur sein das An-sich-reißen der wirtschaftlichen und politischen Macht durch die siegenden Staaten und die Unterdrückung der Besiegten. Die Sieger können vorläufig das alte System beibehalten, denn die Schäden, die sich bei ihnen aus demselben ergeben, können für sie ausgeglichen werden durch die Vorteile, die sich durch die Beherrschung der Besiegten herausstellen. Die Besiegten aber sind gegenwärtig in einer Lage, die augenblickliches Handeln im Sinne des hier gemeinten Durchgreifenden notwendig macht. Auch für die Sieger wäre naturgemäß Einsicht das Bessere. Denn der Zustand, den sie bei sich hervorrufen, muß im Laufe der Zeit zur Wahrnehmung der unerträglichen Lage bei dem Besiegten und damit zu neuen Katastrophen führen. Die Besiegten aber können nicht warten, denn jede Versäumnis vergrößert das Unmögliche ihrer Lebensverhältnisse.