Verträge schliessen statt über wirtschaftliche Fragen abzustimmen

Quelle: GA 024, S. 061-063, 2. Ausgabe 1982, 09.1919

An den unfruchtbaren Diskussionen, die gegenwärtig in vielen Kreisen über die Betriebsräte gepflogen werden, kann man deutlich wahrnehmen, wie wenig noch Verständnis vorhanden ist für die Forderungen, die der Menschheit aus ihrer geschichtlichen Entwickelung heraus für Gegenwart und nächste Zukunft erwachsen sind. Von der Einsicht, daß in Demokratie und sozialer Lebensgestaltung zwei im Menschenwesen der neueren Zeit selbst liegende Antriebe sich ausleben wollen, davon ahnen die meisten von denen, die in solchen Diskussionen mitreden, nichts. Beide Antriebe werden so lange beunruhigend und zerstörend im öffentlichen Leben wirken, bis man es zu Einrichtungen bringt, in denen sie sich entfalten können, aber der soziale Antrieb, der im Wirtschaftskreislauf wird leben müssen, kann sich, seinem Wesen nach, nicht demokratisch offenbaren. Ihm kommt es darauf an, daß die Menschen im wirtschaftlichen Produzieren den rechtmäßigen Bedürfnissen ihrer Mitmenschen Rechnung tragen. Eine von diesem Antrieb geforderte Regelung des Wirtschaftskreislaufes muß auf das gebaut sein, was die wirtschaftenden Personen füreinander tun. Diesem Tun aber müssen Verträge zugrunde liegen, die herauswachsen aus den wirtschaftlichen Positionen der wirtschaftenden Menschen. Zum Abschluß dieser Verträge ist, wenn sie sozial wirken sollen, zweierlei nötig. Erstens müssen sie entspringen können aus der freien, auf Einsicht ruhenden Initiative der Einzelmenschen; zweitens müssen diese einzelnen Menschen in einem Wirtschaftskörper leben, in dem die Möglichkeit gegeben ist, durch solche Verträge die Leistung des Einzelnen in der denkbar besten Weise der Gesamtheit zuzuführen. Die erste Forderung kann nur erfüllt werden, wenn sich kein politisch gearteter Verwaltungseinfluß zwischen den wirtschaftenden Menschen und sein Verhältnis zu den Quellen und Interessen des Wirtschaftslebens stellt. Der zweiten Forderung wird Rechnung getragen, wenn Verträge nicht nach den Forderungen des ungeregelten Marktes, sondern nach den Bedingungen geschlossen werden, die sich ergeben, indem sich den Bedürfnissen gemäß Betriebszweige untereinander und mit Konsumgenossenschaften assoziieren, so daß die Warenzirkulation im Sinne dieser Assoziationen verläuft. Durch das Bestehen dieser Assoziationen ist den wirtschaftenden Personen der Weg vorgezeichnet, den sie in jedem einzelnen Falle zur vertraglichen Regelung ihrer Tätigkeit nehmen sollen.

Für ein in dieser Art gestaltetes Wirtschaftsleben gibt es kein Parlamentarisieren. Es gibt nur das fachkundige und fachtüchtige Stehen in einem Betriebszweige und das Verbundensein der eigenen Position mit andern in der sozial zweckmäßigsten Weise. Was innerhalb eines solchen Wirtschaftskörpers geschieht, das wird nicht durch «Abstimmungen» geregelt, sondern durch die Sprache der Bedürfnisse, die durch ihr eigenes Wesen auf das eingeht, was durch den fachkundigsten und fachtüchtigsten Menschen geleistet und durch föderativen Zusammenschluß an den rechten Ort seines Verbrauches geleitet wird.