Das Wirtschaftsleben soll nicht demokratisch, sondern föderalistisch gestaltet werden

Quelle: GA 331, S. 279-280, 1. Ausgabe 1989, 23.07.1919, Stuttgart

Das Wirtschaftsleben für sich und das staatliche Leben für sich, jedes soll sich selbst verwalten, das ist das Ziel. Und im staatlichen Leben soll nur das verwaltet werden, was auf demokratischer Grundlage verwaltet werden kann, worüber jeder mündige Mensch entscheiden kann. Jeder mündige Mensch kann aber nicht einfach entscheiden, was die beste Art ist, dieses oder jenes Produkt von dem einen zum anderen Ort zu bringen; dazu gehört Sachverständnis. Und Sachverständnis haben nur die Menschen aus den jeweiligen Wirtschaftszweigen selbst. Deshalb muß das gesamte Wirtschaftsleben auf Sachverständnis beruhen und zugleich eine gewisse föderative Struktur aufweisen.

Professor Heck, der manches Törichte gesagt hat, hat vorzugsweise Angst, daß dann, wenn eine solche Art der Verwaltung entsteht, im Wirtschaftsparlament - ein solches wird es aber nicht geben, es wird nur einen wirtschaftlichen Zentralrat geben - der kleine Handwerker den Großindustriellen, der Landarbeiter den Naturwissenschaftler nicht verstehen wird. Ja, aber eine solche Situation entsteht gar nicht erst, weil die Assoziationen, die im Wirtschaftsleben entstehen, sich kettenförmig zusammenschließen und von Assoziation zu Assoziation sachgemäß verhandelt werden wird. Es bezeugt eben gerade ein solcher Einwand, daß man das Wirtschaftsleben nicht auf demokratische Art verwalten kann, sondern nur föderativ, assoziativ. Es kann nur etwas durch sachgemäße Verhandlungen zustande kommen.

Also, da sitzen, sagen wir, Vertreter der Schuhbranche, Vertreter der Metallindustrie oder der Textilindustrie, und die verstehen alle speziell etwas von ihrer Sache. Und die Versammlung ist nun dazu da, daß jeder sein sachgemäßes Urteil über das Festsetzen gerechter Preisverhältnisse abgibt. Es ist doch etwas ganz anderes, wenn man sich die verschiedenen Urteile anhört und jeder seine Forderungen geltend macht, als wenn man einfach auf demokratische Art abstimmt. Dies würde ja nichts anderes bewirken, als daß sich gewisse Wirtschaftszweige zusammenschließen und die anderen majorisieren. Dann würde die Minderheit nie zu ihrem Recht kommen können. Bei einer Konstitution, die aus dem Sachzusammenhang des wirtschaftlichen Lebens selbst heraus entsteht, ist eine solche Majorisierung ausgeschlossen. So würde also das, was jetzt ungerechtfertigterweise durch das vom Staat vorgelegte Betriebsrätegesetz zustande kommen soll, erst durch die Verhandlungen der Betriebsräteschaft zustande kommen. Das bitte ich als das Wichtigste festzuhalten, daß der dreigliedrige soziale Organismus jedes staatliche Gesetz in diesem Zusammenhang ablehnt.