Pädagogik soll von Lehrern gelehrt werden

Quelle: GA 330, S. 314-316, 2. Ausgabe 1983, 19.06.1919, Stuttgart

Die Menschenklasse, die ihnen vorangegangen ist, hat die Schule verstaatlicht. Die Schule ist ganz und gar verstaatlicht, an ihr kann man lernen, was Verstaatlichung ist. Und heute, unter dem Ruf nach Sozialisierung, muß, wer die Dinge ernst nimmt, wer fähig ist, die Dinge kulturhistorisch zu überschauen, er muß sagen: Entstaatlichung der Schule ist das, worauf es ankommt. Daher hat der «Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus» das Prinzip, das Schulwesen ganz auf sich selbst zu stellen, dem Schulwesen die Selbstverwaltung zu geben, so daß dem Staate nicht einmal die Beaufsichtigung bleibt, sondern was in der Schule durch Selbstverwaltung wirkt, das soll rein aus den Bedürfnissen des Geisteslebens selbst herauswachsen. Da wird manches herauswachsen. Ich will Ihnen nur eines als Beispiel sagen, weil wir uns vielleicht durch ein Beispiel über dieses umfassende Thema leichter verständigen können.

Wir unterscheiden heute Volksschulen, Mittelschulen und Hochschulen. An den Hochschulen wird auch Pädagogik gelehrt. Dieser Pädagogik will man ja jetzt an den Hochschulen ein bißchen eine bessere Stellung geben, aber sie wird eigentlich immer als « Nebenfach » gelehrt. Bisher war es so: Irgendein Philosoph wurde berufen, Philosophie zu lesen, und dann wurde ihm im Nebenfach auch die Pädagogik übergeben. Das war ihm meistens auch eine Last, er tat es gar nicht gern. In der Zukunft muß es anders werden. Denn in der Zukunft muß alles, was Geistesleben ist, mit dem allgemeinen Menschenleben zusammenhängen. In der Zukunft wird, wenn ein solches Ideal wirklich erfüllt werden kann, wie ich es heute vor Ihnen gezeichnet habe, in der Zukunft wird der Lehrer durchaus Psychologe sein. Er wird den heranwachsenden Menschen aus seiner vertieften Menschenkenntnis heraus zu erziehen haben, dann wird er am besten wissen, was pädagogische Wahrheit ist. Dann wird der Lehrer, der sonst die Kinder unterrichtet, berufen werden an die Universität, um dort Pädagogik zu lehren. Und wenn er dies eine Zeit hindurch getan hat, wird er wieder zurückgehen zur Schule, wird wieder Kinder unterrichten, neue Erfahrungen sammeln und wird dann später wieder Pädagogik lehren. Das wird eine wirkliche « Gelehrtenrepublik » werden, wie sie schon Klopstock geträumt hat. Anders, als wenn wir die Dinge so gründlich und so tief nehmen, kommen wir gar nicht vorwärts. Die heutige Zeit ist dazu bestimmt, diese Dinge dem äußeren Leben mitzuteilen. Um aber alles das durchzuführen, muß alles, was Geistesgebiet ist, ein Reich für sich sein.