Der Arbeitgeber ist ein Parasit, wenn er nicht zugleich Arbeitsleiter ist

Quelle: GA 331, S. 112-114, 1. Ausgabe 1989, 05.06.1919, Stuttgart

Da legen sich also diese Leute merkwürdige Worte zurecht, Worte, die im Grunde genommen immer dazu angetan sind, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, einen Sand, der dann meistens eine ganz merkwürdige Bestimmung hat. Dieser Sand soll sich, wenn er etwa zurückfällt auf diejenigen, die ihn streuen, ein bißchen in Goldkörner verwandeln. Da sagen die Leute: Die Betriebsräte müssen aber dem Ganzen, dem Staatsganzen dienen. Sie sind auch nicht dazu da, dem einzelnen Arbeiter Vorteile zu verschaffen, sondern sie sollen dem Blühen des ganzen Betriebes dienen. - Nun frage ich Sie, was das eigentlich heißt, wenn man so etwas sagt: «dem Blühen des ganzen Betriebes sollen die Betriebsräte dienen». Das heißt nichts anderes, als daß in abstrakter Weise dasjenige verschleiert wird, um was es sich eigentlich handelt. Wozu sind denn überhaupt Betriebe in der Welt da? Doch dazu, daß sie etwas liefern für die Menschen, und die Menschen sind doch alle einzelne! Betriebe sind überhaupt nur dazu da, daß dasjenige, was in ihnen erzeugt wird, Konsumgut der einzelnen Menschen wird. Und zu sprechen von einem Blühen der Betriebe in einem anderen Sinne, als daß der einzelne Mensch zu seinem Gedeihen kommt durch das, was in den Betrieben erzeugt wird, das heißt nicht aus einer Wirklichkeit reden, sondern die Wirklichkeit mit blauem Dunst zudecken.

Es klingt immer so furchtbar schön, wenn man sagt, es soll dem Ganzen gedient werden. Im wirtschaftlichen Bereich hat das keinen Sinn, denn: Was ist da das Ganze? Es sind die einzelnen alle zusammen! Man sollte also nicht sagen «dem Blühen der Betriebe», sondern «dem Blühen all derer, die an den Betrieben und überhaupt an der Wirtschaft beteiligt sind». Dann wäre die Sache richtig dargestellt, und die Tatsachen würden nicht durch blauen Dunst zugedeckt.

Sehen Sie, man sagt öfters: Der Impuls zum dreigliedrigen sozialen Organismus sei eine Ideologie. In Wahrheit aber möchte dieser Impuls allen blauen Dunst, von dem genugsam nicht nur geredet worden ist, sondern der im Dienste der Unterdrückung gebraucht worden ist, beseitigen und an dessen Stelle die wahre Wirklichkeit, den Menschen mit seinen Bedürfnissen, setzen. Nun sehen Sie, was verlangen die Leute? Die Leute verlangen, daß die Befugnisse der Betriebsräte nach reichlicher Prüfung der Verhältnisse - so sagt man ja immer, wenn man eine Sache nicht will - durch Sachverständige geregelt werden, und als Sachverständige werden genannt Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Sozialpolitiker. Nun, der Begriff des Arbeitgebers - Sie können es meinen früheren Vorträgen und auch meinem Buch über die soziale Frage entnehmen -, der Begriff des Arbeitgebers, der muß eigentlich als solcher bei einer wirklichen Sozialisierung verschwinden. Denn einen Arbeitgeber kann es nur geben, wenn er ein Arbeitbesitzer ist, und Arbeitbesitzer darf es eben nicht geben. Es kann nur Arbeitsleiter geben, das heißt solche Menschen, die in der Arbeitsorganisation tätig sind, und zwar so, daß auch der physische Arbeiter seine Arbeitskraft am besten eingesetzt weiß und dergleichen. Natürlich kann in einem Betrieb die Arbeit nicht so ablaufen, daß jeder das tut, was er will. Es muß eine Leitung dasein, es muß der ganze Betrieb durchgeistigt sein, aber das sind keine Arbeitgeber, das sind Arbeitsleiter, das heißt Arbeiter von anderer Art. Darauf ist der größte Wert zu legen, daß man endlich einmal den wirklichen Begriff der Arbeit faßt, denn ein Arbeitgeber, der nicht selbst mitarbeitet, gehört in Wirklichkeit gar nicht zum Betrieb, sondern ist ein Parasit der Arbeit.