Eigentum befristet da individuelle Fähigkeiten aus Vergangenheit

Quelle: GA 330, S. 097, 2. Ausgabe 1983, 25.04.1919, Stuttgart

In unserer heutigen Wirtschaftsordnung haben wir nur auf einem Gebiete ein bißchen gesundes Denken mit Bezug auf das Eigentum. Das ist auf demjenigen Gebiet, das der modernen bürgerlichen Phraseologie, der modernen bürgerlichen Unwahrhaftigkeit innerlich doch nach und nach das unbedeutendste Eigentum geworden ist, es ist nämlich das geistige Eigentum. In bezug auf dieses geistige Eigentum, sehen Sie, denken die Leute doch noch ein bißchen gesund. Sie sagen sich da: Mag einer ein noch so gescheiter Kerl sein, er bringt sich mit der Geburt seine Fähigkeiten mit, aber das hat keine soziale Bedeutung, im Gegenteil, das ist er verpflichtet der menschlichen Gesellschaft darzubringen, mit diesen Fähigkeiten wäre es nichts, wenn der Mensch nicht drinnenstehen würde in der menschlichen Gesellschaft. Der Mensch verdankt, was er aus seinen Fähigkeiten schaffen kann, der menschlichen Sozietät, der menschlichen sozialen Ordnung. Es gehört einem in Wahrheit nicht. Warum verwaltet man sein sogenanntes geistiges Eigentum? Bloß deshalb, weil man es hervorbringt; dadurch, daß man es hervorbringt, zeigt man, daß man die Fähigkeiten dazu besser hat als andere. So lange man diese Fähigkeiten besser hat als andere, so lange wird man im Dienste des Ganzen am besten dieses geistige Eigentum verwalten. Nun sind die Menschen wenigstens darauf gekommen, daß sich nicht endlos forterbt dieses geistige Eigentum; dreißig Jahre nach dem Tode gehört das geistige Eigentum der gesamten Menschheit. Jeder kann dreißig Jahre nach meinem Tode drucken, was ich hervorgebracht habe; man kann es in beliebiger Weise verwenden, und das ist recht. Ich wäre sogar einverstanden, wenn noch mehr Rechte wären auf diesem Gebiet. Es gibt keine andere Rechtfertigung dafür, daß man geistiges Eigentum zu verwalten hat, als daß man, weil man es hervorbringen kann, auch die besseren Fähigkeiten hat. Fragen Sie heute den Kapitalisten, ob er einverstanden ist, für das ihm wertvolle materielle Eigentum einzugehen auf das, was er für das geistige Eigentum für das Richtige hält! Fragen Sie ihn! Und doch ist das das Gesunde.