Gesetze durch Menschen statt abstrakt

Quelle: GA 329, S. 099-100, 1. Ausgabe 1985, 19.03.1919, Winterthur

Als eine selbständige Organisation muß sich im gesunden sozialen Organismus auch dasjenige entwickeln, was Rechtsstaat ist, der eigentliche politische Staat. Er hat es zu tun zum Beispiel mit der Regelung der Verwaltung der Leitungsverhältnisse. Er hat es aber vor allem zu tun mit der Regelung der menschlichen Arbeitskraft, die herausgehoben werden muß nicht durch abstrakte Gesetze, sondern durch Menschen selber herausgehoben werden muß aus dem bloßen Wirtschaftsprozeß.

Wie muß der Wirtschaftsprozeß verlaufen? Der Wirtschaftsprozeß ist auf der einen Seite abhängig von dem, was an seiner Grenze steht, von der Naturgrundlage, von den vorhandenen Rohstoffen eines Gebietes, von den Erträgnissen des Bodens und so weiter. Man kann bis zu einem gewissen Grade das Erträgnis des Bodens verbessern durch die Technik; aber eine Grenze ist da geboten, eine Grenze, welche errichtet wird für den Wohlstand, eine Grenze, von welcher die Preise abhängig sind. Das ist die eine Grenze. Im gesunden sozialen Organismus muß es eine zweite Grenze geben. Diese zweite Grenze ist der selbständig neben dem Wirtschaftsorganismus sich entwickelnde Rechts-, der politische Organismus. Im politischen Organismus wirkt das, wovor alle Menschen gleich sind, was demokratischjeden Menschen angeht, wo jeder Mensch mit jedem Menschen sich verständigen muß. Das ist der Boden, auf dem entschieden werden muß aus den Interessen dieser Menschlichkeit heraus Maß und Art der menschlichen Arbeit. Dann erst, wenn auf dem vom Wirtschaftsboden unabhängigen Rechtsboden entschieden ist über Maß und Art der menschlichen Arbeit, dann fließt diese Arbeit in den Wirtschaftsprozeß hinein, dann ist die Arbeitskraft des Menschen preisbildend. Dann diktiert niemand der Arbeitskraft den Preis, dann ist sie so preisbildend, wie der Boden mit seinen Erträgnissen und so weiter selbst preisbildend ist. Das wird das große wirtschaftliche Gesetz der Zukunft sein, daß das Wirtschaftsleben eingespannt ist zwischen zwei Grenzen, so daß nicht aus den wirtschaftlichen Kräften selbst heraus Maß und Preis der menschlichen Arbeit bestimmt werden.