Der internationale Warencharakter des Geldes wird durch die Staaten gestört

Quelle: GA 189, S. 111-115, 2. Ausgabe 1957, 07.03.1919, Dornach

So wie die Dinge sind, nehmen die Menschen mit ihrem Empfinden wohl wahr, was hemmend, was krankmachend ist im sozialen Organismus, sehen aber nicht bis auf die Grundlagen. Daß heute das Geld viele Schäden hervorruft, das sieht man ja im Kleinen und im Großen.

Im Kleinen, in seiner nächsten Nähe sieht es mancher, daß mit dem Geld etwas nicht in Ordnung ist, - auch solche, die es nicht haben. Es ist eben die Zeit gekommen, wo die alte Gelassenheit aufhört, die sich noch ein wenig über die Dinge hinweggesetzt hat mit dem Sprichwort: 'Der eine hat das Portemonnaie, der andere hat das Geld'. Die Zeit ist gekommen, wo man dieses Sprichwort nicht mehr wahr haben will. Die Leute, auch wenn sie nur noch selten über die Grenze kommen, merken ja, daß manche Schäden des Geldwesens vorhanden sind. Nicht wahr, es ist ja tiefer Friede eingetreten, aber die Leute können jetzt noch weniger über die Grenze als während des Krieges. Da draußen bedeutet eine Mark so und so viel, hier ist sie ganz wenig wert. An die Geldfrage schließt sich die Währungsfrage, die Valutafrage, an. Die Leute merken im Kleinen und im Großen, daß mit dem Gelde irgend etwas los ist, was schon mit den gewöhnlichsten Menschenzuständen zusammenhängt. Sie denken nach, wie man den Schäden, die heute eingetreten sind, abhelfen könnte. Aber sie merken nicht, daß es heute notwendig geworden ist, von den gewöhnlichen äußeren Gedanken, die sich an die Verhältnisse selbst anschließen, zu den Urgedanken vorzudringen.

Es folgt eine Kurzdarstellung der sozialen Dreigliederung, die wieder zur Frage des Geldes führt.

Was ist denn eigentlich Geld? Ungeheuer viel wird über die Frage diskutiert, ob Geld eine Ware oder ein bloßes Wertzeichen sei. Der eine ist der Meinung, daß das Geld auch eine Ware unter anderen Waren ist, die auf dem Wirtschaftsmarkte ausgetauscht werden, daß man nur eine bequeme Ware gewählt hat, damit man über gewisse sonstige Konflikte des heutigen Wirtschaftslebens hinwegkommt. Nun denken Sie einmal, Sie seien Tischler, und es gäbe kein Geld. Sie müssen essen, Sie müssen Gemüse haben, Käse haben, Butter haben, aber Sie sind Tischler, verfertigen nur Tische und Stühle. Nun müssen Sie sich mit Ihren Tischen und Stühlen auf den Markt begeben und müssen versuchen, zum Beispiel einen Stuhl loszuwerden, damit Ihnen jemand für den Stuhl eine gewisse Menge von Nahrungsmitteln gibt. Einen Tisch müssen Sie loswerden, damit Ihnen ein anderer einen Anzug gibt. Denken Sie sich nur, was das heißen würde! Aber eigentlich tut man gar nichts anderes! Es ist nur dadurch maskiert, daß eine allgemein gangbare Ware, das Geld, da ist, für die man alles übrige eintauschen kann, und daß dann die anderen Waren warten können, bis sie gebraucht werden.

Nun scheint es aber so, als ob das Geld nur eine Zwischenware wäre. Daher sind manche Nationalökonomen der Ansicht, daß das Geld eine Ware ist. Das Papiergeld ist eben nur als Ersatz für die Ware anzusehen. Denn die Ware, auf die es ankommt, ist eigentlich das Gold, und die Staaten sind genötigt worden, die Goldwährung einzuführen, da der führende Wirtschaftsstaat der Gegenwart, England, das Gold als alleinige Wertware, Ausgleichsware gewählt hat, und die anderen Staaten folgen mußten. Die Mittelware ist eben da, und der Tischler braucht nicht mit seinen Stühlen zu Markte zu gehen, sondern verkauft seine Waren an den, der sie gerade haben will. Dafür bekommt er Geld und kann sich nun seinerseits sein Gemüse und seinen Käse kaufen.

Die andern haben eine entgegengesetzte Meinung über das Wesen des Geldes. Nach ihnen kommt es nicht darauf an, ob man das Stückchen Gold hat oder nicht, sondern darauf, daß ein Ersatzmittel existiert, auf das der Stempel gedruckt ist. Unser modernes Papiergeld trägt ja einen solchen Stempel: dieses Papier gilt so und so viel.

Und es gibt Nationalökonomen, die es als höchst unnötig betrachten, daß für das Papiergeld in den Banken der entsprechende Goldwert liegt. Es gibt ja auch, wie Sie vielleicht wissen, einzelne Staaten, die bloße Papierwährung haben, die keinen Goldschatz für die Papierwährung haben. Die können auch damit in einer gewissen Weise unter den heutigen Voraussetzungen Wirtschaft treiben.

Jedenfalls sehen Sie daraus - und wir müssen uns ja auf unserem Gebiete auf die Basis eines rein menschlichen Standpunktes stellen -, daß es heute gescheite Menschen gibt, die das Geld als eine Ware betrachten, während andere gescheite Menschen es als eine bloße Abstempelung, als bloße Marke betrachten. Was ist es nun eigentlich? Unter den heutigen Verhältnissen ist es eigentlich beides! Darauf kommt es an, daß man das einsieht, daß es unter den heutigen Verhältnissen beides ist, daß heute auf der einen Seite, namentlich im internationalen Verkehr, das Geld nur den Charakter einer Ware hat; denn das andere sind alles Überschreibungen von Guthaben. Was im Ernste als Deckung gilt, das sind die Goldwarenaustausche, die von Staat zu Staat stattzufinden pflegen. Alles übrige beruht nur darauf, daß man das Vertrauen hat: wenn so und so viel Papier oder Wechsel oder so etwas von einem Staat zum anderen geliefert wird, so hat derjenige, der diesen Wechsel, dieses Papier liefert, wirklich auch das Gold, daß also für die Ware Gold da ist, die dann wie eine andere Ware behandelt wird. Sie geben ja auch einem Kaufmann Kredit, gleichgültig ob er Gold oder Fische oder irgend etwas anderes besitzt, wenn nur eine Deckung durch irgend etwas Reales vorhanden ist. Also ist namentlich im internationalen Verkehr das Geld Ware.

Aber der Staat hat sich hineingemischt und das Geld allmählich zu etwas bloß Taxiertem, Abgestempeltem gemacht. So wirkt das eine mit dem anderen zusammen. Die Schäden, die vorhanden sind, rühren lediglich davon her, daß man nicht die ganze Verwaltung des Geldes abschiebt in das Gebiet, das wir als das dritte Glied des gesunden sozialen Organismus bezeichnet haben. Würde man die gesamte Geldverwaltung abschieben in den Wirtschaftsorganismus, daß heißt sie vom Staatsorganismus loslösen, so würde das Geld Ware und würde auf dem Warenmarkte seinen Warenwert haben müssen. Es würde nicht mehr die heute vorhandene kuriose Abhängigkeit da sein, die sich ausdrückt durch ein merkwürdiges Verhältnis zwischen Währung und Lohn.

Das Kuriose ist heute, daß die Währung sinkt, wenn der Lohn steigt, und der Arbeiter oftmals gar nichts hat, wenn man ihm noch so viel Lohn gibt, weil er für diesen Lohn sich nichts anderes kaufen kann, als er sich früher kaufen konnte um seinen viel geringeren Lohn. Wenn die Löhne und zugleich die Lebensmittelpreise steigen, das heißt, wenn die Währung eine ganz andere wird, dann helfen alle übrigen Verhältnisse nichts. Dem kann nur abgeholfen werden, indem man die Verwaltung auch dieses Wirtschaftsgutes, des Geldes, loslöst vom politischen Staate, und wenn das Geld, das da ist, um eben Vergleiche des einen mit dem andern hervorzurufen, auch von dem dritten, von dem Wirtschaftsgliede des gesunden sozialen Organismus verwaltet werden kann.