Beamtenbezahlung bedingt vorbildlich für Trennung von Arbeit und Einkommen

Quelle: GA 185a, S. 213-215, 2. Ausgabe 1963, 24.11.1918, Dornach

Einen anderen Richtsatz finden Sie in der angefangenen Abhandlung über « Theosophie und soziale Frage », die ich vor Jahren in « Lucifer-Gnosis » veröffentlicht habe, einen Richtsatz, von dem ich mich überzeugt habe, daß er von den wenigsten Menschen mit dem vollen Gewicht genommen wird. Ich habe da auf etwas aufmerksam zu machen versucht, was als ein soziales Axiom wirken soll. Darauf habe ich aufmerksam gemacht, daß schon einmal in jeglicher sozialer Struktur nichts Gedeihliches herauskommen kann, wenn das Verhältnis eintritt, daß der Mensch für seine unmittelbare Arbeit entlohnt wird. Soll eine gedeihliche soziale Struktur herauskommen, so darf das nicht sein - lesen Sie den Aufsatz, er wird ja doch noch zu haben sein -, so darf das nicht sein, daß der Mensch bezahlt wird für seine Arbeit. Die Arbeit gehört der Menschheit, und die Existenzmittel müssen den Menschen auf anderem Wege geschaffen werden als durch Bezahlung seiner Arbeit. Ich möchte sagen, wie ich es schon in- jener Abhandlung getan habe: Wenn gerade das Prinzip des Militarismus, aber ohne Staat, übertragen werden würde auf einen gewissen Teil - ich will gleich von diesem Teil sprechen - der sozialen Ordnung, dann würde ungeheuer viel gewonnen werden. - Aber zugrunde liegen muß eben die Einsicht, daß gleich Unheil da ist auf sozialem Boden, wenn der Mensch so in der Sozietät drinnensteht, daß er für seine Arbeit, je nachdem er viel oder wenig tut, also nach seiner Arbeit eben, bezahlt wird. Der Mensch muß aus anderer sozialer Struktur heraus seine Existenz haben. Der Soldat bekommt seine Existenzmittel, dann muß er arbeiten; aber er wird nicht unmittelbar für seine Arbeit entlohnt, sondern dafür, daß er als Mensch an einer bestimmten Stelle steht. Darum handelt es sich. Das ist es, was das notwendigste soziale Prinzip ist, daß das Erträgnis der Arbeit von der Beschaffung der Existenzmittel völlig getrennt wird, wenigstens auf einem gewissen Gebiete des sozialen Zusammenhangs. Solange nicht diese Dinge klar durchschaut werden, solange kommen wir zu nichts Sozialem, solange werden Dilettanten, die manchmal aber Professoren sind, wie Menger, von « vollem Arbeitsertrag » und dergleichen sprechen, was alles Wischiwaschi ist. Denn gerade der Arbeitsertrag muß von der Beschaffung der Existenzmittel in einer gesunden sozialen Ordnung völlig getrennt werden. Der Beamte, wenn er nicht durch den Mangel an Ideen Bureaukrat würde, der Soldat, wenn er nicht durch den Mangel an Ideen Militarist würde, ist in gewisser Beziehung - in gewisser Beziehung, mißverstehen Sie mich nicht - das Ideal des sozialen Zusammenhanges. Und kein Ideal des sozialen Zusammenhanges, sondern der Widerpart des sozialen Zusammenhanges ist es, wenn dieser soziale Zusammenhang so ist, daß der Mensch nicht arbeitet für die Gesellschaft, sondern für sich. Das ist die Übertragung des unegoistischen Prinzips auf die soziale Ordnung. Wer nur in sentimentalem Sinne Egoismus und Altruismus versteht, der versteht eigentlich nichts von den Dingen. Derjenige aber, der praktisch, ohne Sentimentalität, mit reinem gesundem Menschenverstand durchschaut, daß Jede Sozietät notwendigerweise zugrunde gehen muß, indem der Mensch nur für sich selber arbeitet - also rein das, mit anderen Worten, was in der sozialen Ordnung egoistisch gestaltet ist -, der weiß das Richtige.

Das ist ein Gesetz, so sicher wirksam, wie die Gesetze der Natur wirken, und man muß dieses Gesetz einfach kennen. Man muß einfach die Möglichkeit besitzen, den gesunden Menschenverstand so zu handhaben, daß einem ein solches Gesetz als ein Axiom der sozialen Wissenschaft erscheint. Man ist heute noch weit entfernt davon, so etwas einzusehen. Aber die Gesundung der Verhältnisse hängt doch ganz und gar davon ab, daß geradeso, wie jemand den pythagoräischen Lehrsatz in der Mathematik als etwas Grundlegendes ansieht, er diesen Satz zugrunde legt der sozialen Struktur: Alles Arbeiten in der Gesellschaft muß so sein, daß der Arbeitsertrag der Sozietät zufällt und die Existenzmittel nicht als Arbeitsertrag, sondern durch die soziale Struktur geschaffen werden.

Solche sozialen Axiome gibt es natürlich eine ganze Anzahl, denn das soziale Leben ist natürlich kompliziert. Aber wir stehen heute einmal vor der Notwendigkeit, auf irgendeine Weise daran zu denken, wie die soziale Struktur der menschlichen Entwickelung in gesunde Bahnen gebracht werden soll. Da muß man vor allen Dingen einen gesunden Blick haben für die Partien, für die Teile, für die Glieder des sozialen Lebens. Man muß in gesunder Weise auseinanderhalten können die verschiedenen Glieder des sozialen Lebens.