Nacht als Ablegen von eigener für andere Rassen und Völker

Quelle: GA 156, S. 125-128, 3. Ausgabe 2003, 12.12.1914, Dornach

Vorhanden also ist das Zusammenleben mit der Volksseele vom Aufwachen bis zum Einschlafen, denn dasjenige, was die Volksseele ist, was sie entwickelt an Kräften und Betätigungen, das wird hineingegossen in den physischen Leib und in den Ätherleib, in den physischen Leib mehr das Rassenmäßige, in den Ätherleib mehr das Volksmäßige. Es wird hineingegossen in jene Umhüllungen, in die wir eintreten, wenn wir aufwachen. Da sind wir mit unserer eigenen Volksseele eigentlich fortwährend im Austausch der Kräfte. Diejenige Wissenschaft, welche allgemein-menschlich ist, welche nichts zu tun hat mit den Konfigurationen und Differenzierungen, die in die Menschen hineingegossen werden durch die Volksseelen, diese Wissenschaft muß ja gewonnen werden von demjenigen Teil der Menschennatur, der sich frei machen kann, unabhängig machen kann vom Leiblichen, wie der Mensch im Schlafe davon unabhängig ist. Diese Wissenschaft ist notwendigerweise allgemein-menschlich, weil sie gewonnen wird mit denjenigen Gliedern der Menschennatur, die unabhängig sind vom physischen Leibe und vom Ätherleibe.

Wenn man voraussetzen würde, daß derjenige, der wirklich in die geistige Welt hineinschauen und ein Wissen von der geistigen Welt gewinnen kann, durch volksmäßige Vorurteile gebunden sein könnte, so würde man einfach auf die Geheimnisse der Initiation nicht in gebührender Weise Rücksicht nehmen. Denn geradeso wie das Leben [] im Schlafe in den vorhin angeführten Fällen ganz anders ist als im Wachen, wie sie aber doch beide aufeinander Bezug haben, so ist es auch mit Bezug auf das Verhältnis des Menschen zu der Volksseelennatur und der Volksart. Der Mensch ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen nicht zusammen mit den Kräften, die unmittelbar aus seiner Volksseele herauskommen, denn die können nur hineingeschickt werden in den physischen und Ätherleib allein. Derjenige also, der es zum bewußten inneren Erleben seines Ich und seines astralischen Leibes gebracht hat, der ist, während er das erfährt, erlebt, was er dann zur Geisteswissenschaft zu formen hat, ja außerhalb des physischen und Ätherleibes; er erlebt außerhalb des physischen und Ätherleibes. Man ist aber trotzdem nicht außerhalb der Welt. Während man nämlich, sobald man hineinschlüpft in seinen physischen Leib und damit auch in seinen Ätherleib, mit seinem Volksgeiste zusammen ist, so ist man, wenn man herausschlüpft aus dem physischen und Ätherleibe, wie es beim Schlafen oder in der Initiation ist, außerhalb der eigenen Volksseele, die in den physischen und ätherischen Leib hineinwirkt. Man ist außerhalb, aber man ist nicht außerhalb des Reigens der Volksseelen überhaupt, denn das sind ja geistige Wesen. Und wenn man außerhalb seines physischen und ätherischen Leibes in der geistigen Welt ist, ist man eigentlich nur außerhalb einer einzigen Volksseele, die für die Gegenwart eine bestimmte Bedeutung für einen hat, nämlich außerhalb seiner eigenen Volksseele, derjenigen, die in den physischen und den Ätherleib hineinwirkt. Dadurch, daß man mit ihr in Gemeinschaft steht oder in Gemeinschaft kommt beim Wachen, verliert sich das Interesse für sie im Schlafe und während der Initiation. Die eigentümliche Tatsache stellt sich heraus, daß man im Schlafe und während der Initiation wesentlich mit allen anderen Volksseelen zusammen ist, nur nicht mit seiner eigenen.

Wenn Sie sich also den Reigen der zeitgenössischen Volksseelen vorstellen, so ist man als Mensch, wenn man im physischen Leibe ist und während des Wachens diesen wahrnimmt, mit der eigenen Volksseele zusammen; wenn man dagegen im Schlafzustande oder im Initiationszustande ist, so ist man mit allen andern Volksseelen, [] nur nicht mit der eigenen, zusammen. Das ist eine objektive Wahrheit.

Nun können Sie sich daraus eine Vorstellung machen, wie unsinnig es wäre, wenn derjenige, der bewußt mit andern Volksseelen zusammen sein kann, verkennen würde die andern Volksseelen, oder wenn er sie mit Sympathie oder Antipathie belegen würde. Es ist, wie wenn man die Volksseelen nicht anerkennen wollte. Nur für denjenigen, der nicht bis zur Initiation vorgeschritten ist, hat es einen Sinn, Sympathie und Antipathie für diese oder jene Volksseele zu hegen, weil er ja nicht weiß, daß er für die Schlafhälfte seines Lebens wirklich mit den andern Volksseelen zusammen ist. Doch ist jetzt ein Unterschied. Während man im Wachleben sozusagen mit einer Volksseele verbunden ist, mit der eigenen, ist man im Schlafleben mit den anderen Volksseelen verbunden, also nicht mit den Wirkungen nur, die von einer ausgehen, sondern mit dem Zusammenwirken der anderen, gleichsam mit dem, was die anderen Volksseelen als Reigentanz in Harmonie zusammenwirkend ausführen.

Also Sie können sich geradezu vorstellen das Leben mit der einen Volksseele und das Leben mit den andern Volksseelen. Jenes ist das Leben im Wachen, das andere ist das Leben im Schlafe. Während des Schlafes oder während der Initiation ist man mit dem Zusammenwirken der andern Volksseelen zusammen. Mit seiner eigenen Volksseele [] allein zusammen sein kann der Mensch nicht, wenn er nicht immerfort wachen würde. Es ist ihm ganz unmöglich, denn da müßte er immerfort wachen. Der Unterschied ist eben der, daß man im Wachzustande mit seiner eigenen Volksseele die Kräfte austauscht, im Schlafzustande nicht mit seiner eigenen, sondern mit der Gesamtheit, mit dem Reigen der andern Volksseelen.

Aber es gibt ein Mittel, mit einer besonderen Volksseele auch im Schlafe zusammen zu sein, mehr beeinflußt zu werden von den Kräften, die von einer Volksseele ausgehen und nicht von der Gesamtheit der Volksseelen. Dann ist man im Schlafe gleichsam gebannt an diese eine Volksseele. Dieses Mittel besteht darin, daß man im Wachzustande diese Volksseele besonders haßt. Eine Volksseele, die man besonders haßt während des Wachzustandes, die reißt man heraus aus dem Reigen der anderen Volksseelen, und sie bannt, sie fesselt einen an ihre besonderen Eigentümlichkeiten. Wenn ich mich trivial ausdrücken darf, meine lieben Freunde, so muß gesagt werden - Sie werden mir in diesem Falle den trivialen Ausdruck nicht übelnehmen: eine Volksseele richtig hassen im Wachzustande heißt, sich verurteilen dazu, mit dieser Volksseele schlafen zu müssen! - Das ist wirklich eine okkulte Wahrheit, wenn auch eine erschütternde, eine Wahrheit, über die es wirklich nichts zu lachen gibt. Dies muß man ins Auge fassen, wenn man von einer gewissen Seite her auch ein Verständnis dafür gewinnen will, wie die Geisteswissenschaft influenzieren muß, indem sie sich über die Welt verbreitet, die Gesinnung der Menschen, wie sie durchdringen muß das ganze Empfinden und Fühlen.

Ich habe absichtlich dasjenige, was ich zu sagen habe in bezug auf das Verhältnis des Menschen zur Volksseele, in eine Formel gefaßt, über die Sie lachen. Das mußte ich, weil man sehr häufig als Okkultist das Bestreben hat, über das, was das Erschütterndste, das Tragischste ist, dadurch hinwegzuhelfen, daß man das nicht in seiner ganzen tragischen Schwere sagt, da es den Menschen erdrücken würde, sondern es so sagt, daß es den Menschen dazu verhilft, es aufnehmen zu können wie jede andere wissenschaftliche Vorstellung.