Krieg durch östliche Verachtung für westliche Wirtschaft

Quelle: GA 209, S. 009-014, 1. Ausgabe 1968, 24.11.1921, Oslo (Kristiania)

Es war im Januar 1918, da hatte ich eine Unterredung in Mitteleuropa mit einer Persönlichkeit, die dann, als für Mitteleuropa die Katastrophe eine gefährliche Gestalt annahm, im Herbste desselben Jahres, innerhalb der katastrophalen Ereignisse, eine kurze, aber bedeutsame Rolle spielte. Diejenigen, welche die Ereignisse verfolgen konnten, wußten aber schon im Januar, daß, wenn es einmal zur Entscheidung kommen werde, gerade diese Persönlichkeit eine gewisse Rolle spielen würde. Schon im Januar also hatte ich ein Gespräch mit dieser Persönlichkeit. Es führte auch darauf, daß von seiten dieser Persönlichkeit bemerkt wurde, wie notwendig es eigentlich sei, eine Psychologie, eine Seelenkunde der europäischen Völker zu haben; denn das große Chaos, in das man hineinsegelt, werde fordern, daß diejenigen, die einigermaßen führend sein wollen, sich auskennen in der Wirksamkeit, in den Kräften der europäischen Völkerseelen. Und es wurde von dieser Persönlichkeit sehr bedauert, daß eigentlich keine Möglichkeit sei, bei der Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten so etwas wie eine Seelenkunde der Völker zu Grunde legen zu können.

Ich erwiderte, daß ich über diese Seelenkunde der europäischen Völker hier in Christiania einen Vortragszyklus gehalten habe, und ich habe dann dieser Persönlichkeit diesen Vortragszyklus mit einer aus der damaligen Situation - Januar 1918 - heraus geschriebenen Vorrede geschickt. Ja, ich kann nur darauf aufmerksam machen, wie dieser Vortragszyklus dazumal gemeint war, durch die Erzählung dieser Episode. Er sollte wirklich richtunggebend sein gegenüber den in die Verwirrung hineinsteuernden Kräften. Deshalb mußte ich ihn auch 1918 in dieser eben erzählten Weise gebrauchen.

Genützt hat es trotz der aus der Situation heraus geschriebenen Vorrede aus dem Grunde nichts, weil jene Reife, die notwendig wäre, um wirklich einzusehen, wie stark die Niedergangskräfte sind, die Reife, die schon in einer großen Anzahl von Seelen sein könnte, eben von diesen Seelen nicht bewußt angestrebt werden will. Man hat heute noch eben eine große Furcht davor, sich das, was an in das Chaos hineinsteuernden Kräften wirklich vorhanden ist, in wahrer Gestalt vor die Seele zu rufen.

Es sollte heute mehr, als es den Europäern klar ist, einleuchtend sein, daß Europa immer mehr und mehr verfallen muß, wenn es sich nicht auf die spirituelle Grundlage des Menschenlebens besinnt, wenn es weiter beiseite schiebt aus reiner Bequemlichkeit das, was doch zuletzt so gemeint ist, daß es Hilfe bringt aus den antispirituellen Wirren heraus.

Für mich war ja tief symbolisch dieses Beiseiteschieben meines nordischen Völkerpsychologiekursus durch eine der führenden Persönlichkeiten während der sinnlosen Zeit. So wird im Grunde noch heute von denjenigen, die tonangebend sind, alles beiseite geschoben!