Politisches auch in der Politik überwinden

Quelle: GA 341, S. 040-042, 3. Ausgabe 1986, 02.08.1922, Dornach

Bemerkung: Der Vertreter des Anerkennungsbegriffes macht das «Politische» dafür verantwortlich, daß Anerkennungen unsozialer Vorgänge - zum Beispiel unverdienter Konjunkturgewinne - herbeigeführt werden.

Wenn wir die Möglichkeit haben, die Dreigliederung richtig in die Wirklichkeit umzusetzen, dann fällt aber der Begriff des «Politischen» weg, wie Sie ihn entwickelt haben. Denn das Politische ist wesentlich im Rechtlichen gegeben, so daß dann aus dem Wirtschaftlichen das Politische völlig herausfallen würde und man also durch irgendein Politisch-sich-Verhalten nicht dazu kommen könnte, eine «Anerkennung» herbeizuführen.

Aber es besteht die Frage doch: Was ist dann das «Politische»?

Das Politische ist eigentlich ein außerordentlich sekundärer, stark abgeleiteter Begriff. Denn vom rein wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus besteht gar keine Veranlassung, politisch zu sein. In dem Beispiel, das Sie vorgebracht haben, mit dem Unternehmer, der auf zweihunderttausend Mark rechnet und der dann, wenn er den Arbeitern achtzigtausend gibt, infolge eines flotteren Geschäftsganges fünfhunderttausend einnimmt, besteht keine Notwendigkeit, ins Politische hineinzutreiben. Nehmen wir einmal das Folgende an: Mit dem, was da mehr herausgewirtschaftet worden ist, kann ja der Unternehmer, falls die Arbeiter mit ihren achtzigtausend Mark auskommen und damit zufrieden sind, ganz offen vor die gesamte Arbeiterschaft hintreten und kann sagen: Ich habe darauf gerechnet, daß ich zweihunderttausend Mark herauswirtschafte. Es sind aber dreihunderttausend Mark mehr herausgearbeitet worden. Wir haben unter diesen Voraussetzungen, daß zweihunderttausend herausgearbeitet werden, das Geschäft gegründet. Diese dreihunderttausend sind mehr herausgearbeitet worden. Ich finde es aus diesen und jenen Gründen für die Gesamtheit des volkswirtschaftlichen Organismus, in dem wir drinnenstehen, richtiger, mit diesen dreihunderttausend Mark, sagen wir zum Beispiel, eine Schule zu begründen, als sie euch zu verteilen. Seid ihr damit einverstanden? - Da haben Sie eine Form, wo der wirtschaftliche Vorgang derselbe geblieben ist, aber Sie haben gar nicht nötig, mit irgendeinem politischen Faktor zu rechnen.

Das Politische ist in der Weltgeschichte ein sekundäres Produkt. Das beruht lediglich darauf, daß die primitiven, vielleicht höchst unsympathischen, aber ganz ehrlichen Machtverhältnisse allmählich die Form des Krieges unter den Menschen angenommen haben. Man kann zwar nicht sagen, der Krieg sei die Fortsetzung der Politik nur mit anderen Mitteln, aber die Politik ist der ins Geistige übertragene moderne Krieg. Denn dieser Krieg beruht darauf, daß man den Gegner täuscht, daß man irgendwelche Situationen herbeiführt, die ihn täuschen. Jede Umgehung im Kriege, alles Mögliche, was nicht direkte offene Angriffe sind, beruhen auf einer Täuschung des Gegners. Und der Feldherr wird sich um so größere Verdienste zuschreiben, je besser es ihm gelingt, den Feind zu täuschen. Das ist, übertragen aufs Geistige, die Politik. Sie finden ganz dieselben Kategorien in der Politik darin.

Wenn man von der Politik redet, so möchte man sagen: Es müßte danach gestrebt werden, daß die Politik in allem überwunden wird, selbst in der Politik. Wir haben nämlich im Grunde genommen erst dann eine wirkliche Politik, wenn sich alles das, was auf politischem Felde spielt, in rechtlichen Formen abspielt. Dann haben wir aber eben den Rechtsstaat.