Demokratische Wahrheit durch Zusammenwirken

Quelle: GA 329, S. 140-141, 1. Ausgabe 1985, 02.04.1919, Basel

Was ist eigentlich für den heutigen sozialen Organismus das Geld? Es ist das Mittel, um gemeinsame Wirtschaft zu führen. Stellen Sie sich nur einmal die ganze Funktion des Geldes vor. Sie besteht darinnen, daß ich einfach für dasjenige, was ich selber arbeite, Anweisung habe auf irgend etwas anderes, was ein anderer arbeitet. Und sobald Geld etwas anderes ist als diese Anweisung, ist es unberechtigt im sozialen Organismus.

Ich könnte, um das zu bestätigen, lange Ausführungen machen; ich will das aber nur kurz anführen: das muß das Geld werden! Es wird es werden, wenn alle übrigen Machinationen aufhören werden, die in die Zirkulation des Geldes hineinspielen. Denn lediglich das Geld ist der gemeinsame Index, der zu dem gemeinsamen Vergleich für die gegenseitigen Werte der Waren da ist. Das ist dasjenige, was auch durch die Art dieser Dreiteilung erreicht werden kann, und was partiell, einzeln angestrebt wird von der Freiland-Freigeld-Bewegung; deshalb habe ich in einem solchen Falle gesagt: Ich bin ganz mit dieser Bewegung einverstanden - weil ich immer versuche, die einzelnen Bewegungen in ihrer Berechtigung einzusehen, und ich möchte sie in einen gemeinsamen großen Strom leiten, weil ich eben nicht glaube, daß ein Mensch, oder selbst eine Gruppe von Menschen das Richtige finden kann, sondern weil ich demokratisch glaube, daß die Menschen zusammen in der Wirklichkeit, im Zusammenwirken, allein richtig organisiert, erst das Rechte finden werden.

Das ist dasjenige, was ich als Wirklichkeitsansicht bezeichnet habe, nicht als irgendeine objektive Entwickelung ansehe. Aber ich glaube, daß der wirkliche Mensch aus seinem gesunden Menschenerleben heraus im Verein mit den anderen Menschen das finden wird, was dem sozialen Organismus frommt.

Wir haben eines, wovon jeder Mensch weiß, daß es nur im sozialen Leben möglich ist - die heutigen Egoisten möchten wahrscheinlich auch das für sich haben -, das ist für einen geschlossenen Organismus die Sprache. Immer wiederum wird in den Schulen gepredigt: Wäre der Mensch auf einer einsamen Insel, einsam aufgewachsen, so würde er nicht sprechen können; denn Sprechen kann sich nur im sozialen Leben ausbilden. Man muß erkennen [...], daß alle die Dinge, die sich verbergen hinter Privatkapital, Besitz, die sich verbergen hinter der Herrschaft über irgendeine Arbeit und dergleichen, daß alle diese Dinge, auch die menschlichen Talente, die individuellen Begabungen, genau so wie die Sprache, soziale Funktionen haben, daß sie ins soziale Leben hineingehören und nur innerhalb desselben möglich sind. Es muß eine Zeit kommen, wo das in den Schulen den Menschen schon klar wird, was sie durch den sozialen Organismus sind, und was sie daher verpflichtet sind, dem sozialen Organismus wiederum zurückzugeben. Worauf ich also zähle, das ist: soziales Verständnis, welches kommen muß, wie heute von den Schulen das Einmaleins kommt. Darinnen wird man auch noch umlernen müssen. Es gab Zeiten, in denen man in den Schulen etwas ganz anderes gelernt hat als heute; man denke nur an die römischen Schulen. Es werden Zeiten kommen, wo man gerade das in den Schulen den Kindern schon beibringen wird, was soziales Verständnis ist. Weil dieses versäumt worden ist unter dem Einfluß der neueren Technik und des Kapitalismus, deshalb sind wir in die heutigen Zustände, in die krankhaften Zustände des sozialen Organismus hineingekommen.