Minimal- und Maximalarbeitszeit

Quelle: GA 329, S. 031-032, 1. Ausgabe 1985, 11.03.1919, Bern

Die Verwendung der menschlichen Arbeitskraft im sozialen Organismus besteht in dem Verhältnisse desjenigen, der handwerklich arbeitet, zu irgendeinem geistigen Leiter, der sich des Kapitals bedienen muß, indem er irgendeinen wirtschaftlichen Betrieb oder überhaupt irgend etwas dem sozialen Organismus Nutzbringendes verwaltet. Dieses Verhältnis kann nur ein Rechtsverhältnis sein. Das Verhältnis, das der Arbeiter zu dem Unternehmer einnimmt, muß sich auf ein Recht begründen. Das muß auf einem anderen Boden begründet werden, als auf dem Boden des Wirtschaftslebens selbst. Dadurch wird ein radikal anderes herbeigeführt, als wir es heute haben. Aber man muß heute gegenüber den radikalen Tatsachen auch zu radikalen Urteilen kommen. Das Wirtschaftsleben ist heute auf der einen Seite abhängig von der Naturgrundlage. Dieser muß der Mensch mit sachverständigem Urteil gegenüberstehen. Er kann in einer gewissen Weise das eine oder andere Bodenstück durch seinen Fleiß und die Technik fruchtbar machen, aber nur innerhalb gewisser Grenzen. Er ist in weitem Maße abhängig von seiner Naturgrundlage. Ebenso wie das Wirtschaftsleben auf der einen Seite von der Naturgrundlage abhängig ist, ebenso muß es abhängig werden von dem, was festgestellt werden muß auf der Grundlage des Rechtsstaates, in dem Zusammenwirken aller Menschen, gleichgültig welche Art von Arbeit sie betreiben. Ob sie geistige oder Handarbeiter sind, sie gehen auf dem Boden des Rechtsstaates ein Verhältnis ein in dem die Gleichheit der Menschen untereinander in Betracht kommt. Und es wird festgestellt, jetzt nicht in assoziativer Weise, wie es im Wirtschaftsleben sein muß, sondern in rein demokratischer Weise, in einer Weise, die die Wirkungen auf dem politischen Gebiete des Staates für alle Menschen gleich macht vor dem Gesetze. Da wird das festgelegt, was sich auf die Verwertung der menschlichen Arbeitskraft bezieht, festgelegt, was sich auf das Verhältnis vom Arbeiter zum Leiter bezieht. Da kann nur festgesetzt werden ein Maximal- oder Minimalarbeitstag und die Art der Arbeit, die ein Mensch leisten kann. Dasjenige, was festgesetzt wird - das muß beachtet werden -, wird zurückwirken auf den Volkswohlstand. Wenn irgendein Produktionszweig nicht gedeihen sollte, aus dem Grunde, weil für ihn zu viel rechtlich unmögliche Arbeit gefordert wird, so soll sie nicht geleistet werden; dann soll auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden. Das Wirtschaftsleben soll auf beiden Seiten an die Grenzen kommen: auf der einen Seite an die Grenze seiner naturwissenschaftlichen Grundlage, auf der anderen Seite an die Grenze des Rechtes. Kurz, wir kommen von dem einen Glied des sozialen Organismus zu dem anderen Glied, dem politischen Staate, in dem im weitesten Umfange alles Rechtliche und alles dem Rechte Verwandte reguliert wird.