Parteien als ahrimanisch oder luziferisch

Quelle: GA 199, S. 022-025, 1. Ausgabe 1967, 06.08.1920, Dornach

Sie erleben es heute, daß Sie hineinwachsen in eine Welt, in der es unter vielem andern, auf sozialem Felde zum Beispiel, Parteien gibt, liberale, konservative und alle möglichen andern Parteien. Die Menschen schlafen gegenüber dem, was diese Parteien sind. Wenn sie Wahlzettel erhalten, so bekennen sie sich zu einer oder der andern Partei, denken nicht viel darüber nach, was eigentlich das ist, was im ganzen öffentlichen Leben, dieses Leben durchwühlend, als Parteimeinung existiert. Man kann eben die Dinge nicht ernst nehmen. Da ist eine ganze Menge von Leuten, die plappern in der schönsten Weise alle möglichen Orientalismen von Maja in der Außenwelt nach; aber sobald sie einen Schritt in dieser Außenwelt machen wollen, dann bleiben sie nicht bei dem, was sie abstrakt nachplappern. Denn sonst würden sie zum Beispiel fragen: Maja? Also sind auch die Parteien Maja? Was ist denn die Wirklichkeit, auf die diese Maja hinweist?

Geht man geisteswissenschaftlich - und wir werden uns morgen genauer über diese Sache aussprechen - genauer auf diese Sache ein, dann findet man, daß Parteien in der äußeren physischen Welt da sind, indem sie Programme haben, Grundsätze haben, das heißt, indem sie abstrakten Ideen nachjagen. Aber alles, was äußerlich in der physischen Welt lebt, ist immer das Abbild, der Abglanz dessen, was in der geistigen Welt als eine Realität intensiverer Art vorhanden ist. Da haben wir immer die physische Welt (siehe Zeichnung, rot). Aber alles hier in der physischen Welt weist hin auf Geistiges.

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Und da oben in der geistigen Welt sind für diese physischen Dinge erst die eigentlichen Realitäten (siehe Zeichnung, rot). Da unten sind zum Beispiel die Parteien (orange); wovon sind sie Abglanz? Auf der Erde bekämpfen sich diese Parteien; da suchen sie eine Menge von Menschen unter einem abstrakten Programm zusammenzuhalten. Wovon sind denn diese Parteien der Abglanz? Was ist denn da oben in der geistigen Welt, wenn hier in der Maja die Parteien sind? In der geistigen Welt gibt es keine Abstraktionen, und die Parteien stehen in der Abstraktion. Da oben gibt es nur Wesen. Da oben kann man sich nicht zu einem Parteiprogramm bekennen, sondern da kann man Anhänger dieses oder jenes Wesens, dieser oder jener Hierarchie sein.

Man kann dort nicht bloß mit seinem Intellekt einem Programm anhängen, das gibt es da nicht; man muß mit seinem ganzen Menschen einem andern Wesen nachgehen. Was hier abstrakt ist, ist da oben wesenhaft, das heißt, das Abstrakte ist hier nur Schatten des Wesenhaften da oben. Und wenn Sie die beiden Hauptkategorien der Parteien, konservativ und liberal, nehmen, so ist es so, daß die konservative Partei ein Programm hat, die liberale Partei ein Programm hat; aber wenn man hinaufsieht, wovon das der Abglanz ist, dann zeigt sich: Ahrimanisches Wesen schattet sich hier (siehe Zeichnung, unterer Teil) im Konservativen ab, luziferisches Wesen schattet sich hier ab im Liberalen. Hier läuft man einem konservativen oder einem liberalen Programm nach, oben ist man Anhänger von einem ahrimanischen Wesen irgendeiner Hierarchie oder einem luziferischen Wesen irgendeiner Hierarchie.

Dabei kann es aber vorkommen, daß man in dem Augenblicke, wo man die Schwelle überschreitet, nötig hat, sich wirklich klar darüber zu sein, daß man sich nicht durch Worte täuschen läßt, sich keinen Illusionen hingibt. Man kann sehr leicht glauben, man gehöre zu irgendeinem guten Wesen. Aber damit, daß man irgendein Wesen mit einem guten Namen bezeichnet, ist es noch nicht ein gutes. Es kann zum Beispiel irgend jemand sagen: Ich bekenne mich zu Jesus, dem Christus. - In der geistigen Welt kann man sich nicht zu einem Programm bekennen, aber nach der ganzen Art und Weise, wie die Vorstellungen, die Begriffe von diesem Jesus, dem Christus, in seiner Seele leben, ist es nur der Name des Jesus, des Christus, in Wirklichkeit hängt er dann Luzifer oder Ahriman an und er gibt nur Luzifer oder Ahriman den Namen Jesus oder Christus.

Aber ich frage Sie: Wie viele Menschen wissen heute davon, daß Parteimeinungen Abschattungen sind von Wesenhaftem in der geistigen Welt? Manche wissen es, und die richten dann das, was sie tun, nach diesem Wissen ein. Ich kann Sie hinweisen auf solche, die so etwas wissen. Nehmen Sie die Jesuiten, die wissen das. Glauben Sie nicht, daß die Jesuiten meinen, wenn sie zum Beispiel in ihren Blättern jetzt gegen Anthroposophie schreiben, daß sie mit ihren Gründen da irgend etwas besonders träfen, was nicht widerlegt werden könnte. Aber auf Widerlegungen kommt es dabei nicht an.

Und was man schließlich einwenden kann gegen solche Widerlegungen, das wissen die Jesuiten sehr gut, denn den Jesuiten kommt es nicht darauf an, mit Gründen für oder wider zu fechten, sondern ihnen kommt es darauf an, Anhänger zu sein eines gewissen Wesens, das ich aber heute noch nicht bezeichnen will, das sie aber ihren Anführer Jesus nennen, dem sie zugehören. Mag dieses Wesen sein, was immer, sie nennen es Jesus. Ich will nicht auf den Tatbestand genauer hinweisen; aber sie bezeichnen sich als Soldaten, ihn als den Anführer, und sie kämpfen nicht, um zu widerlegen, sie kämpfen, um Anhänger zu werben für die Kompanien, für das Heer des Jesus, das heißt desjenigen Wesens, das sie Jesus nennen. Und sie wissen ganz genau, daß, sobald man über die Schwelle hinaufschaut, es nicht auf abstrakte Kategorien, nicht auf logische Zusagen oder Widerlegungen ankommt, sondern daß es da ankommt auf die Heerfolge des einen oder des andern Wesens, während es unten auf der Erde sich um Redensarten handelt. Das ist aber dasjenige, was die Menschen heute so schwer begreifen wollen, daß, wenn wir heraus wollen aus dem Niedergang der Zeit, es sich nicht mehr handeln darf um bloße Abstraktionen, nicht bloß um das, was man sich denken kann, sondern daß es sich um Realitäten handeln muß. Wir beginnen zu Realitäten aufzusteigen, wenn wir nicht mehr bloß von richtig oder unrichtig, sondern von gesund oder krank sprechen. Wir beginnen zu Realitäten aufzusteigen, wenn wir nicht von Parteiprogrammen oder Weltanschauungsprogrammen sprechen, sondern von der Gefolgschaft irgendwelcher realer Wesenheiten, die uns sogleich begegnen, wenn wir auf die Dinge hindeuten, die jenseits der Schwelle liegen. Es handelt sich heute darum, wirklich jenen ernsten Schritt zu machen von der Abstraktion zur Realität, von der bloß logischen Erkenntnis zur Erkenntnis als Tat. Und nur das kann herausführen aus all der Verwirrung, in der die Welt heute steckt.