Kulturrat an gegenseitiges Mißtrauen der Universitätsprofessoren gescheitert

Quelle: GA 337b, S. 165-166, 1. Ausgabe 1999, 07.10.1920, Dornach

Wir haben in Stuttgart damit angefangen, einen sogenannten Kulturrat zu begründen - ich habe schon einmal hier bei anderer Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht -, und wir mußten selbstverständlich da zunächst an diejenigen herangehen, die es angeht. Nun, meine sehr verehrten Anwesenden, man kann nicht plötzlich andere Menschen ins Geistesleben hineinstellen wollen, als da sind. Es ist ja selbstverständlich, daß derjenige, der praktisch denkt, sich zunächst sagt: Wir wollen die Dreigliederung des sozialen Organismus verwirklichen, nicht irgendeine Utopie in einem Wolkenkuckucksheim schaffen. - Da handelt es sich natürlich darum, daß man zunächst mit denjenigen Arbeitern im Geistesleben rechnet, die eben da sind. Und es handelt sich darum, daß man sich klar ist, daß dieses Geistesleben nun auf sich selbst gestellt ist, daß es sich herausgelöst hat aus dem Einheitsstaat. Schon dadurch geschieht wirklich etwas. Nur, man fand wenig Gegenliebe, weil insbesondere die Universitäts-Professoren sagten: Na, da könnte es ja geschehen, wenn sich die Universitäten selbst verwalten würden, da wäre ja mein Kollege derjenige, der mitverwalten würde - nein, da ist mir ein Minister, der draußen steht, noch immer lieber. - Denn kein Kollege traut eigentlich dem andern. Das ist natürlich etwas, was überwunden werden muß. Aber dem realen Denken gegenüber nimmt sich die Sache so aus: Mögen noch so viele Künstler, Wissenschafter und geistige Arbeiter meinetwillen ihre eigenen Wege gehen wollen, entscheidend ist, daß das geistige Leben auf sich selbst gestellt ist, so daß im Erziehungs- und Unterrichtswesen von der untersten Schulklasse bis hinauf zum Universitätsprofessor nichts anderes maßgebend ist als die Stimme desjenigen, der in diesem Geistesleben drinnen tätig mitwirkt. Dasjenige, was zu entscheiden ist innerhalb des Geisteslebens, das muß im großen Stil so entschieden werden, wie es bei uns in der Waldorfschule entschieden wird, also nur durch diejenigen, die beteiligt sind an diesem Geistesleben, nicht durch irgendein Parlament oder dergleichen oder durch irgendein Ministerium, das draußen steht, oder höchstens durch einen Referenten, der, weil er für das Unterrichtswesen zu alt geworden ist, nachher noch das Referat im Unterrichtsministerium zu besorgen hat.