Staat soll nicht einmal die Schulaufsicht behalten

Quelle: GA 330, S. 314-315, 2. Ausgabe 1983, 19.06.1919, Stuttgart

Ich kann es leicht glauben, daß heute und auch für die Übergangszeit gerade die Lehrerschaft recht große Bedenken haben könnte gegen das, was nur zur Ermöglichung einer solchen Schule und einer solchen Erziehung geschehen soll, wie sie hier charakterisiert worden sind, durch die Bestrebungen des « Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus ». Dieser Bund für Dreigliederung sieht in der Abhängigkeit der Schule vom Staat, in der Durchdringung der Schule mit dem Staatsprinzip das, was für die Zukunft unmöglich machen wird, in der Schule zu pflegen, wovon heute hier gesprochen worden ist. Die Sozialisten könnten darüber ein bißchen nachdenken. Sie wollen alles in einer gewissen Weise verstaatlichen oder vergesellschaften. Die Menschenklasse, die ihnen vorangegangen ist, hat die Schule verstaatlicht. Die Schule ist ganz und gar verstaatlicht, an ihr kann man lernen, was Verstaatlichung ist. Und heute, unter dem Ruf nach Sozialisierung, muß, wer die Dinge ernst nimmt, wer fähig ist, die Dinge kulturhistorisch zu überschauen, er muß sagen: Entstaatlichung der Schule ist das, worauf es ankommt. Daher hat der « Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus » das Prinzip, das Schulwesen ganz auf sich selbst zu stellen, dem Schulwesen die Selbstverwaltung zu geben, so daß dem Staate nicht einmal die Beaufsichtigung bleibt, sondern was in der Schule durch Selbstverwaltung wirkt, das soll rein aus den Bedürfnissen des Geisteslebens selbst herauswachsen. Da wird manches herauswachsen.