Jedem nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen als sozialistische Unmöglichkeit

Quelle: GA 332a, S. 065-066, 2. Ausgabe 1977, 25.10.1919, Zürich

Lesen Sie so etwas wie « Staat und Revolution » von Lenin. Da finden Sie aus Vorkriegszeiten heraus - das Buch ist ja schon vorher geschrieben gewesen - die Intentionen Lenins. Man darf sagen: Lenin hat in einem gewissen Sinne sogar Recht, wenn er abkanzelt alle die halben oder Viertels- oder Dreiviertelsmarxisten und sich schließlich für den einzig wirklichen, wirklich konsequenten Marxisten hält: Es müßten die Menschen in der Zukunft in der sozialen Ordnung so gestellt sein, daß jeder darinnen leben kann « nach seinen Fähigkeiten und seinen Bedürfnissen ». Das müßte erst ein weiterer Zustand werden, der sich aus dem ungerechten, unmöglichen Zustand ergeben könnte. Nun findet sich bei Lenin eine höchst interessante Auseinandersetzung, die darauf hinausläuft, daß er sagt: Aber das kann man mit den heutigen Menschen nicht machen, daß sie nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen in der sozialen Ordnung leben, sondern das kann man erst machen, wenn andere Menschen da sein werden, eine ganz andere Menschenrasse. Diese ganz andere Menschenrasse muß erst geschaffen werden. Ja, sehen Sie, da haben Sie das Hineinsegeln in die alleräußerste Unwirklichkeit und das Rechnen mit etwas, das ja gar nicht zu erhoffen ist. Denn durch die Zustände, die von Lenin herbeigeführt werden, wird ganz gewiß diese neue Menschensorte nicht gezüchtet, die dann die gerechten sozialen Zustände herbeiführt. Auf so brüchigem Grunde stehen die Intentionen zu dem, was vorgeht.