Kein demokratischer Gesamtwille bei individuellen Fähigkeiten

Quelle: GA 024, S. 206-207, 2. Ausgabe 1982, 07.1919

Die sozialen Verhältnisse, über die jeder mündig gewordene Mensch urteilsfähig ist, sind die Rechtsbeziehungen von Mensch zu Mensch. Es sind dies zugleich diejenigen Lebensverhältnisse, die ihren sozialen Charakter nur dadurch erhalten können, daß sie in demokratischen Einrichtungen sich als ein Gesamtwille aus dem wirklichen Zusammenwirken der gleichen menschlichen Einzelwillen ergeben. Bei allem, was auf dem Boden der individuellen menschlichen Fähigkeiten erwachsen soll, kann nicht ein Gesamtwille in den Einrichtungen zum Ausdruckkommen; sondern diese Einrichtungen müssen solche sein, in denen die Einzelwillen sich voll zur Geltung bringen können. Der einzelne Mensch muß gewissermaßen wie eine Naturgrundlage sich verhalten können. Man kann nicht über eine Landfläche hin aus Bedürfnissen heraus, die abgesehen von den einzelnen Teilen dieser Landfläche gefaßt sind, diese bewirtschaften; man muß aus dem Wesen der einzelnen Teile kennenlernen, was sie besonders hervorbringenkönnen. So muß auf geistigem Gebiete die auf den individuellen Fähigkeiten beruhende Einzelinitiative sich sozial auswirken können; sie darf nicht bestimmt werden durch den Inhalt eines Gesamtwillens. Dieser Gesamtwille muß unsozial wirken, denn er entzieht der Gemeinschaft die Früchte der individuellen menschlichen Fähigkeiten.