Peer Steinbrück, der Kandidat der Finanzindustrie?

10.10.2012

Die aktuelle Diskussion um den Kanzlerkandidaten der SPD, ob er ein Diener des Kapitals sei oder nicht, hängt sich vornehmlich an den Nebeneinkünften des Abgeordneten Steinbrück auf. Steinbrück hat mit ca. 83 Reden und Vorträgen in den letzten drei Jahren mindestens 580.00.- Euro verdient. Steinbrück hielt u.a. Reden für Finanzinstitute aus der Schweiz und Liechtenstein, für Anwaltskonzerne wie Baker & McKenzie, einer der größten Sozietäten der Welt, vor den Investmentbankern der Citigroup Global Markets, der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, welche die Finanzindustrie vertritt, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank , der Dortmunder Volksbank, der Hypo Noe Gruppe Bank AG, der NATIONAL-BANK AG, der Pensionskasse für die deutsche Wirtschaft, der Union Investment Privatfonds GmbH, der Volksbank Geest und dem J.P. Morgan Asset Management, einer Zweigstelle der JPMorgan Chase & Co., der zweitgrößten Bank der Welt; J.P. Morgan Asset Management hat unter ihren Produkten auch solche hübschen Dinge wie Private Equity Beteiligungen und Hedge Fonds im Angebot. Die Deutsche Bank durfte natürlich in dieser Aufzählung nicht fehlen, hier hielt Peer Steinbrück gleich mehr als nur einen Vortrag. Da Steinbrück für eine Großteil der übrigen Reden nur die Agenturen angibt, die ihn vermittelt haben, bleibt viel Raum für Spekulationen [1]. Steinbrück ist empört und hält es für dummes Gerede, dass ihm eine unappetitliche Nähe zum Finanzkapital vorgeworfen wird. Richtig Herr Steinbrück, schließlich werden sie ja nur vom Finanzkapital bezahlt. Alles in Ordnung also. Pecunia non olet. Allein die hier genannten 13 von insgesamt 83 Adressaten erbrachten jeweils mehr als 7000.- Euro, zusammen also mindestens 91.000 Euro, mindestens, weil die Verhaltensregeln des Bundestages den Abgeordneten ab Stufe 3 der Nebentätigkeiten (über 7000.- Euro) freie Bahn für höhere Einkünfte lassen, ohne dass sie diese näher beziffern müssen. Wieviel Finanzindustrie steckt in den noch verschleierten Vorträgen?

Nun sind die Vorträge ja nur ein Ausdruck eines Interesses an der Person, deren Stellung und ihren Standpunkten. Was rechtfertigt dieses Interesse?

In der Vergangenheit durfte so mancher Politiker nach seiner parlamentarischen Laufbahn hochdotierte Posten in Unternehmen einnehmen, die von Entscheidungen während seiner Amtszeit profitiert haben. Der ehemalige Wirtschaftsminister Clement wurde bei Adecco untergebracht, dem Weltmarktführer für Zeitarbeit, nachdem er im Amt den Weg freigemacht hat für die modernen Sklavenhändler. Gerhard Schröder heuerte bei Gasprom an, vorher peitsche er noch die russische Ostsee-Gas-Pipeline gegen alle Widerstände durch. Der ehemalige Verkehrsminister Matthias Wissmann wurde Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. Werner Müller widersetzte sich als Wirtschaftsminister dem vom Bundeskartellamt ausgesprochenen Verbot der Übernahme der Ruhrgas durch die Nachfolgegesellschaft seines ehemaligen Arbeitgebers VEBA, der E.ON AG , Aus «Gründen des überragenden Interesses der Allgemeinheit», setzte er darauf seinen Staatssekretär Alfred Tacke in Marsch, der die Fusion durch Erteilung einer Ministererlaubnis nach § 42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ermöglichte. Tacke wurde dann zur Belohnung 2004 Vorstandsvorsitzender beim Stromversorgungsunternehmen STEAG, einer 100%igen Tochter der RAG, in der inzwischen sein ehemaligen Chef Werner Müller den lukrativen Vorstandsvorsitz inne hatte. An der RAG war E.ON in dieser Zeit mit rund 40% beteiligt. Nun ja, Leistung muss sich lohnen und gute Freunde halten zusammen.

Was hat Peer Steinbrück nun getan, dass ihn die Banken und anderen Finanzinstitute so lieben?

Wir hatten schon vor einem Jahr an dieser Stelle auf die knappe Zusammenfassung des verdienstvollen und leider viel zu früh verstorbenen Hermann Scheer hingewiesen: «Wie sehr stattdessen auch die rot-grüne Finanzpolitik die Lunte der Finanzkrise mit gelegt hat – stets von Steinbrück unterstützt und dann als Finanzminister aktiv betrieben, belegt die Serie entsprechender Gesetze: 2002 das Finanzmarktförderungsgesetz, das die Spielräume von Investmentfonds und Hypothekenbanken erweiterte; 2003 wurden verbriefte Kreditforderungen ausgeweitet, wurde den Hedge-Fonds die Türen geöffnet; 2004 die Steuererleichterungen für Private Equity-Firmen..» [2] Steinbrück hat dem kriminellen Finanzkapital in Deutschland den roten Teppich ausgelegt.

Aber auch praktisch wurde er tätig. In seine Amtszeit wird der Finanzindustrie kräftig geholfen: 2008 musste die Commerzbank mit 8,2 Milliarden Steuergeldern vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Im Januar 2009 kam es zu einer zweiten staatlichen Beihilfe (8,2 + 1,8 Milliarden Euro aus SoFFin-Mitteln). In mehreren Hauruck-Aktionen erhielt die Hyporealestate innerhalb von nur vier Monaten insgesamt gigantische 87 Milliarden Euro an Staatshilfen. Die IKB wurde im wesentlichen durch Hilfen der Kfw und Direkthilfen des Bundes gerettet. Das Kapital der KfW Bankengruppe wird zu vier Fünftel von der Bundesrepublik Deutschland und zu einem Fünftel von den Bundesländern gehalten. Insgesamt pumpte der Staat direkt und über die KfW 9,2 Milliarden in die «Zockerbank».[3] Nach wenigen Monaten wurde die IKB an den Finanzinvestor LoneStar veräußert. Der Kaufpreis für die erworbenen Anteile betrug nach unbestätigten Presseberichten 137 Mio. Euro!

Weiteres Steuergeld wurde in Milliardenhöhe vernichtet durch Unterstützung der SachsenLB, der BayernLB, letztere mit 3 Miliarden direkt vom Staat und weiteren 15 Milliarden als Kreditgarantien. Natürlich werden mit diesen gigantischen Summen nicht die Spargelder der Menschen abgesichert, sondern die Einlagen der großen Kapitalbesitzer, was bedeutet, dass der kleine Sparer und Steuerzahler den großen Besitzer finanziert. Dies war und ist der eigentliche ideologische Kern des Denkens von Peer Steinbrück. Darum hält er auch nach wie vor an der Agenda 2010 fest, die durch niedrigere Löhne und Deregulierung der Arbeitsmärkte die deutsche Wirtschaft konkurrenzfähiger machen und gleichzeitig die industrielle Reservearmee disziplinieren und in gesteigerte Abhängigkeit bringen sollte, wovon nur die profitiert haben, die schon Vermögen und Macht besaßen und welche die ohnehin schon vorhandene Spaltung der Gesellschaft masssiv vertieft hat und so entwürdigende Phänomene wie die Tafeln hervorgebracht hat, bei denen sich die Eltern vor ihren Kindern schämen, wenn sie diese Almosen in Anspruch nehmen [4]. Für weniges gilt der Spruch Pestalozzis treffender, als für diese Einrichtung: «Wohltätigkeit ist das Ersäufen des Rechts im Mistloch der Gnade.»

Keiner sollte sich von den aktuellen bankenkritischen Sprüchen des scheinbar vom Saulus zum Paulus gewandelten Peer Steinbrück und den grünen Claqueren täuschen lassen. Schon einmal wurden mit Rot-Grün bedeutende Hoffnungen auf einen sozialen, kulturellen und demokratischen Wandel verbunden, die bitterst betrogen wurden. Als Menetekel dafür steht die Agenda 2010, welche sich anschickt jetzt über den ganzen Euro-Raum zu herrschen um dort vor allem die Bevölkerung der südeuropäischen Länder auszuplündern.

Für nichts anderes als diese Politik steht Peer Steinbrück. Weiß man wer von ihr profitiert, so weiß man, wem Steinbrück dient.

Anmerkungen

[1] www.abgeordnetenwatch.de/peer_steinbrueck-575-37981--f258029.html
[2] www.dreigliederung.de/news/11102500.html
[3] www.sueddeutsche.de/geld/kosten-der-ikb-rettung-euro-fuer-jeden-1.691336rosselung
[4] www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2011/11-10/054.php