Capvis: Fährt Hessnatur Karussell mit Bertelsmann?

31.08.2012

Einstweilige Verfügung

Am 1. Oktober (Ausfertigung 2. Oktober) hat die Hess Natur-Textil GmbH, vertreten durch Maximilian Lang, gegen Johannes Mosmann und Andreas Schurack, die Betreiber der website www.wir-sind-die-konsumenten.de, eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main erwirkt, die ihnen untersagt, einen der folgenden Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. "Die Zahlungen der Kunden der Hess Natur-Textil GmbH gingen in die Rüstungsindustrie"
b. "Die Anteilseignerin Capvis der Hess Natur-Textilien GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt"
c. "Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der Hess Natur-Textilien GmbH"

Aus diesem Grund mussten wir Texte und Textstellen, die die einstweilige Verfügung betreffen, auch von dieser website entfernen. Johannes Mosmann und Andreas Schurack haben ihren Anwalt beauftragt, Widerspruch zu erheben. Solange die einstweilige Verfügung jedoch wirksam ist, ist ihnen "bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" untersagt, solche Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen.

Download einstweilige Verfügung (PDF)

Der Ökomodenversender Hessnatur befindet sich gegenwärtig nicht in den Händen der Menschen, die nach Auffassung vieler Kunden allein die rechtmäßigen Eigentümer genannt werden dürfen. Dieses Rechtsgefühl ist ein Fakt. Es ist mir deshalb ein Rätsel, weshalb Capvis, obwohl die Private-Equity-Gesellschaft selbstverständlich eine andere Rechtsauffassung [1] vertritt, nicht dennoch die Konsequenzen erkennt, die das Rechtsgefühl der Kunden für die Erfolgsaussichten von Capvis hat. Ein professioneller Fonds würde Geld, Ruf und Vertrauen seiner Anleger nicht verbrennen, nur um ein kleines Ökounternehmen zu vernichten. Er würde aus seiner Sicht „rational“ handeln, das heisst, Abstand von dem Geschäft nehmen, sobald er mehr zu verlieren als zu gewinnen hat. So wie der US-Gigant Carlyle, der mit knapp 100 Milliarden Dollar ein Hundertfaches des Vermögens verwaltet, das Capvis zur Verfügung steht, sich aber von Hessnatur zurückzog, da er sich den Ärger mit den Kunden nicht leisten wollte.

Warum also beisst sich Capvis an Hessnatur fest? Warum begrenzt die Private-Equity-Gesellschaft nicht den Schaden für ihre Anleger und gibt das Unternehmen wieder frei, bevor sie noch mehr an Wert und Image verliert? Ich denke, man sollte die Äußerung von Capvis-Partner Andreas Simon vom 13. Juni, wonach die Schweizer beim Kauf von Hessnatur nicht ganz im Bilde gewesen seien [2], auf die Goldwaage legen. Wenn es nämlich allein nach Capvis ginge, wäre Capvis wohl schon wieder weg. Vielleicht geht es also gar nicht nach Capvis? Klarheit werden wir erst haben, wenn der Kaufpreis bekannt ist, und vor allem: wenn wir wissen, wie groß die Beteiligung von Marc Sommer an Hessnatur ist. Möglich, dass der Schwiegersohn vom ehemaligen Bertelsmann-Chef Mark Wössner, der als Primondo-Vorstand die Renten der Karstadt-Mitarbeiter ausgab und dafür Hessnatur an den KQMT verpfändete [3], immer noch den größten Teil der Gewinne einsteckt. Möglich, dass Hessnatur immer noch im Sommer-Karussell mitfährt, und die Schweizer bloß schieben helfen.

Apropos Karussell: erinnert sich noch jemand an Wolfgang Clement? Richtig, das ist der Politiker, der während seiner Amtszeit als Arbeitsminister Arbeitslose als „Parasiten“ beschimpft hatte und seitdem als „Botschafter“ des neoliberalen Think-Tanks INSM in Talkshows für eine Erhöhung des Rentenalters auf 80, Lockerung des Kündigungsschutzes und Senkung der Arbeitgeberanteile eintritt [4]. Damit vertritt er exakt die Positionen derjenigen Organisation, die von vielen als der eigentliche Gesetzgeber in Deutschland identifiziert wird: die Bertelsmann-Stiftung. Nun, dieser Wolfgang Clement verlieh kürzlich Kaffee-Partner, einer anderen Acquisition von Capvis, den Preis „Top Job 2012“ für eine angeblich besonders faire und nachhaltige Wirtschaftsweise. Der Geschäftsführer zeigte sich entzückt über die Anerkennung: „Sie belegt großartig die Hochachtung, die wir unseren Beschäftigten zuteil werden lassen, und unser kontinuierliches Bestreben, uns mit einer hervorragenden Mitarbeiterförderung von anderen Mitbewerbern zu differenzieren.“[5] Verdi schreibt jedoch über das selbe Unternehmen: „Mit Drohungen und Schikane wird auf die aktiven KollegInnen Druck ausgeübt, findet Einschüchterung statt, wird so versucht den Erfolg der Betriebsrats-Wahlen zu verhindern."[6]

Und so schliesst sich die Spekulanten-Polonaise: Wolfgang Clement, der hier der Capvis-Acquisition den Preis für „beispielhafte Personalarbeit“ verlieh, ist derzeit Aufsichtsratsmitglied von Lahnstein Middelhoff & Partners, der Investmentgesellschaft eines gewissen Herrn Thomas Middelhoff. An der Seite von Thomas Middelhoff führte Marc Sommer den Arcandor-Konzern, unter dessen Dach sich damals auch Hessnatur befand, in die Insolvenz, und zusammen mit Middelhoff musste sich Sommer vor Gericht wegen überzogener Boni-Zahlungen verantworten - während Karstadt-Mitarbeiter auf ihren Lohn verzichteten, weil sie an das Märchen von der wundersamen Rettung glaubten. Das Karussell ist klein, aber fein: Neben Wolfgang Clement ist Mark Wössner, ehemaliger Bertelsmann-Chef und Schwiegervater von Marc Sommer, Aufsichtsrat in Middelhoffs offensichtlich exklusiven Investmentgesellschaft „Lahnstein Middelhoff & Partners“.[7]

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