Capvis wirbt erfolglos um Vertrauen der hessnatur-Mitarbeiter

14.06.2012

Einstweilige Verfügung

Am 1. Oktober (Ausfertigung 2. Oktober) hat die Hess Natur-Textil GmbH, vertreten durch Maximilian Lang, gegen Johannes Mosmann und Andreas Schurack, die Betreiber der website www.wir-sind-die-konsumenten.de, eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Frankfurt am Main erwirkt, die ihnen untersagt, einen der folgenden Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. "Die Zahlungen der Kunden der Hess Natur-Textil GmbH gingen in die Rüstungsindustrie"
b. "Die Anteilseignerin Capvis der Hess Natur-Textilien GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt"
c. "Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der Hess Natur-Textilien GmbH"

Aus diesem Grund mussten wir Texte und Textstellen, die die einstweilige Verfügung betreffen, auch von dieser website entfernen. Johannes Mosmann und Andreas Schurack haben ihren Anwalt beauftragt, Widerspruch zu erheben. Solange die einstweilige Verfügung jedoch wirksam ist, ist ihnen "bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten" untersagt, solche Zusammenhänge zu behaupten oder behaupten zu lassen.

Download einstweilige Verfügung (PDF)

Am Mittwoch reiste die Schweizer Private-Equity-Gesellschaft Capvis nun doch noch an, um sich den Mitarbeitern des Ökomodenversenders hessnatur vorzustellen. Vor gut zwei Wochen hatte Capvis das Fair-Trade-Unternehmen erworben, ein erstes Treffen mit der Belegschaft aus Angst vor Protesten jedoch abgesagt. Nachdem aber mittlerweile unzählige Kunden Boykottdrohungen gegenüber hessnatur ausgesprochen, und die Belegschaft die Partner der Gesellschaft in einem öffentlichen Brief um einen Rücktritt von diesem unglücklichen Geschäft gebeten hatte, war eine "Glättung der Wogen" wohl nicht mehr zu erwarten. Capvis musste sich also dem obligatorischen Treffen mit ihrer Acquisition stellen.

Das Problem begann mit dem Mikrofon. Die Mitarbeiter von hessnatur handhaben es bei ihren Treffen für gewöhnlich so, dass der Redende das Mikrofon selbst halten muss. Die Partner der Investmentgesellschaft bestanden jedoch auf einem Ständer, der eigens herangeschafft werden musste. Leider passte das Mikrofon nicht. Viele einprägsame Minuten lang beobachtete die Belegschaft des Ökopioniers, wie die Reisegesellschaft sich abmühte, das hessnatur-Mikrofon mit dem Capvis-Ständer zu verbinden. Schließlich musste mit Plastik-Klebeband verklebt werden, was nicht passen wollte.

Man sollte meinen, dass die "führende Beteiligungsgesellschaft der Schweiz" über Erfahrung im Umgang mit symbolträchtigen Bildern verfügt. Dieses Bild saß jedenfalls. Und irgendwie konnte man Mitleid mit den "Partnern" haben, die sich hübsch herausgeputzt hatten und nun tatsächlich die Mitarbeiter darum baten, sie nicht als Heuschrecken, sondern als "Bienchen" anzusehen. Man werde niemanden entlassen, obschon man das nicht schriftlich geben könne. Und man denke sogar über eine Beteiligung der Mitarbeiter am Gewinn nach. Auf Nachfrage erfuhren die Mitarbeiter allerdings, dass mit "Mitarbeiter" der Geschäftsführer gemeint war - wenn auch angedeutet wurde, dass die hnGeno vielleicht ebenfalls ein Stück vom Kuchen haben könne. Von den Kunden sei außerdem kein Widerstand zu erwarten.

Zur selben Zeit geht in der Hamburger hessnatur-Filiale das Kassengeld aus, weil empörte Kunden eben gekaufte Ware zurückbringen und ihr Geld zurückfordern. Immer mehr verantwortungsbewusste Menschen tragen sich auf wir-sind-die-kosumenten.de ein und schreiben Sätze wie: "Ich bin seit fast 25 Jahren Kunde bei hessnatur, mittlerweile sind es vier Personen, für die ich hier bestelle. Sollte die Übernahme durch Capvis stattfinden, werde ich in keinem Fall mehr bei hessnatur kaufen." Und für die kommenden Wochen erwartet das Institut für soziale Dreigliederung sogar noch deutlichere Formen des Protests von Seiten vieler wacher hessnatur-Kunden.

Schließlich präsentierte Capvis der hessnatur-Belegschaft einen "Zeugen" für die eigene Nachhaltigkeit und Wertetreue: Hans Knürr, ehemaliger Geschäftsführer der Knürr AG. Dieser Zeuge schwärmte dann von der vorbildlichen Behandlung, die sein Unternehmen von Capvis erfahren habe, dass man die Rendite erhöhen müsse, und dass China der Markt der Zukunft sei. Werden die Chinesen etwa in Zukunft Fair-Trade-Kleidung aus dem hessischen Butzbach kaufen? "Es war einfach für jeden offensichtlich, dass die nicht die geringste Ahnung von der Materie haben", so ein teilnehmender Mitarbeiter. Ach ja: Hans Knürr half Capvis im Jahr 2002, die Knürr AG mitsamt Belegschaft an den britischen Finanzinvestor 3i zu verschachern. Dafür erhielt Knürr selbst einen neuen Posten - als "Advisor" bei Capvis!

Irgendwie, so ließ es Capvis durchblicken, sei man ja selber auch ein bisschen Opfer. Man habe vom Verkäufer nicht alle für den Kauf von hessnatur relevanten Informationen bekommen. Letzteres ist allerdings sehr wahrscheinlich, denn anders ist kaum zu erklären, warum Capvis ausgerechnet die Übernahme eines Unternehmens versucht, an dem der größere Bruder Carlyle zuvor scheiterte. Dass Marc Sommer, ehemaliger Chef des Verkäufers Primondo, als Berater für den Käufer Capvis fungierte, wird vielleicht der Schlüssel zum Verständnis der grotesken Szenerie sein.

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