Aufbruchstimmung bei Afrikas Aktivisten

31.01.2007

50.000 Globalisierungskritiker trafen sich zum Weltsozialforum in Nairobi

NAIROBI (NNA). Unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ fand in Nairobi in der zweiten Januarhälfte das 7.Weltsozialforum statt. Nach Angaben der Veranstalter waren rund 50.000 Globalisierungskritiker aus der ganzen Welt in Nairobi zusammengekommen, um Strategien hin zu einer Welt der sozialen Gerechtigkeit und ökologischen Nachhaltigkeit zu diskutieren. Im Mittelpunkt der nahezu 1000 einzelnen Veranstaltung in der kenianischen Hauptstadt standen Themen wie Krieg, Armut, Aids, Umweltschutz und die Kritik an der herrschenden Weltwirtschaftsordnung.

Das Treffen versteht sich als Gegenbewegung zum jährlichen Weltwirtschaftsgipfel, der derzeit in Davos in der Schweiz stattfindet. Von den Massenmedien wurde über das Weltsozialforum nur sehr wenig berichtet. Das Forum, das mit einem Konzert für Straßenkinder begonnen hatte, endete mit einem Marathonlauf von Slumbewohnern, an dem sich Hunderte von Menschen beteiligten.

Aus Deutschland waren etwa 30 Organisationen vertreten, darunter Attac, Misereor, „Brot für die Welt“ und das Bildungswerk des DGB. Zu den prominenten Rednern des Forums gehörten der südafrikanische Bischof Desmond Tutu und die kenianische Nobelpreisträgerin Wangari Maathai. Dem Dalai Lama war die Einreise nach Kenia verweigert worden. Der Informationsdienst „Sonnenseite“ von Franz Alt bringt dies mit den Beziehungen zu China in Verbindung, die Kenia offenbar nicht verschlechtern wolle.

Das Weltsozialforum, bei dem die Situation in Afrika im Vordergrund stehen sollte, habe „Afrikas soziale Bewegungen in Aufbruchstimmung versetzt“, schreibt das deutsche Informationsportal des Weltsozialforums.

Ein Beispiel dafür sei die kontinentweite Kampagne gegen die Freihandelsabkommen, die die EU derzeit mit 77 Ländern aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum abschließen will. Der Protest gegen diese Abkommen gehe von Afrika aus und werde von den europäischen Ländern unterstützt. Angeführt wird sie vom afrikanischen Handelsnetzwerk „Accord“, das auf dem Weltsozialforum 30.000 Unterschriften dazu gesammelt hat.

Neu sei auch die Initiative „15 Prozent jetzt“, die sich an die afrikanischen Staatschefs wendet und sie an ihre Zusage erinnern soll, 15 Prozent des Staatshaushalts für den Gesundheitssektor bereitzustellen. Dies sei bei einem afrikanischen Gipfeltreffen bereits vor fünf Jahren zugesagt, aber bisher nicht eingehalten worden. Eine ganze Generation werde in Afrika ausgelöscht, weil kein Geld für die Behandlung selbst einfachster Krankheiten zur Verfügung stehe, kritisierte die Menschenrechtsorganisation CREDO Afrika. „Den Menschen ihr Recht auf Gesundheit zu nehmen ist dasselbe, wie massenhaft die Todesstrafe zu verhängen,“ hieß es.

Vertreter von deutschen Hilfsorganisationen begrüßten den neuen Schwung, den das Forum für die afrikanischen Organisationen gebracht habe. Helmut Hess, Afrika-Referent der Organisation „Brot für die Welt“ erwartet, dass das Forum den Wunsch der afrikanischen Aktivisten nach mehr Vernetzung verstärkt hat. Das neue Selbstbewusstsein, mehr auf eigene Faust zu machen, sei wohl das wichtigste Ergebnis des Sozialforums für die Afrikaner.

Ein Problem stellte nach Auffassung von attac Vertretern der Eintrittspreis in Höhe von 500 Schilling für das Weltsozialforum dar. Hinzu kämen die Kosten für die Anreise. Zeitgleich habe deswegen ein Peoples Parliament für Slumbewohner stattgefunden, berichtete Dorothea Härlin vom Netzwerk attac der Zeitschrift „junge Welt“. Mit einer Protestdemonstration sei dann erreicht worden, dass viele Kenianer doch noch umsonst in das Forum gekommen seien. Dies sei ein Fortschritt, denn die Ausgrenzung der Armen habe sie auch bei den vorhergehenden Foren schon erlebt, sagte Härlin. Nun sei das Problem zum ersten Mal thematisiert worden.

Härlin berichtete auch von Kritik, dass Afrika nicht der Platz eingeräumt worden sei, der eigentlich vorgesehen worden war. Es habe viele Veranstaltungen gegeben, die ausschließlich von Weißen besucht worden seien, dadurch sei der Dialog sicher zu kurz gekommen. Erst bei der abschließenden Versammlung habe dieses Missverhältnis korrigiert werden können, die Mehrheit der Redner seien Afrikaner gewesen.

Härlin betonte desweiteren, im Lauf siebenjährigen Geschichte des Forums hätten sich bestimmte Bereiche herauskristallisiert, wie zum Beispiel Steuergerechtigkeit, Schuldenerlass und Gesundheit, bei denen sich die Zusammenarbeit vertieft habe und wo auch gemeinsame Forderungen entstanden seien. Gleiches gelte für das Thema Wasser, zu dem 63 Organisationen eine eigene Abschlussveranstaltung mit zwölf sehr konkreten Verabredungen gehabt hätten.

Dies sei kein Widerspruch zur Auffassung der Mehrheit des Weltsozialforums, dass das Forum ein „open space“ bleiben solle, ein Ort der Vernetzung, wie es ursprünglich geplant war. Alternativ war in Nairobi diskutiert worden, zu bestimmten Themen gemeinsame Strategien zu erarbeiten. Diese Position sei jedoch „in der klaren Minderheit“ gewesen. Das WSF lasse sich thematisch auch nicht eingrenzen. „Wer will sagen, dass EPA wichtiger als Wasser oder Krieg wichtiger ist als Privatisierung oder Migration?“ betonte Härlin gegenüber der „jungen Welt.“ Eine große Mehrheit sei der Meinung, dass das WSF kein handelnder Akteur sei, sonder der Rahmen, „wo wir uns austauschen und absprechen, wo wir auch Kraft schöpfen, um dann im eigenen Land tätig zu werden.“

In 2008 soll es kein WSF geben, sondern parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos einen Aktionstag oder eine ganze Woche, in der vor Ort unterschiedlichste Aktionen organisiert werden. In Porto Allegre soll zu diesem Zeitpunkt ein weltweites Wasserforum stattfinden.

Der nächste „Meilenstein“ der Globalisierungskritiker werde der Protest gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm im Sommer sein. Es sei gelungen, auf dem Weltsozialforum viele Leute dafür zu gewinnen und nun müsse man überlegen, wie man die Anreise für einige aus Afrika, Asien oder Lateinamerika finanziell ermögliche.

Auf einer Veranstaltung des Weltsozialforums kam es zu einer hitzigen Auseinandersetzung, als die Rolle Chinas in Afrika zur Diskussion stand. Dies berichtete die Deutsche Welle in einem Rundfunkbeitrag.

Prof. Isaac Mbeche, Sozialwissenschaftler an der Universität Nairobi foderte, China solle eine Afrikapolitik entwickeln, die nicht nur das eigene Wirtschaftswachstum, sondern auch die Bekämpfung der Armut zum Ziel habe. Vertreter chinesischer NGOs verteidigten daraufhin die chinesische Haltung, während Afrikaner die Auffassung vertraten, das heutige China unterscheide sich in seinem Handeln den afrikanischen Staaten gegenüber nicht von den anderen kapitalistischen Ländern. Es exportiere Rohstoffe aus Afrika und liefere dafür Billigwaren.

Prof. Mbeche hatte als Beispiel für seine These Simbabwe angeführt, wo China mit eigenen Arbeitern Chrom und Platin abbaue, der diktatorisch regierende Präsident des Landes bekomme im Gegenzug dazu Waffen, sogar Kampfflugzeuge von China geliefert. Die Bevölkerung gehe leer aus.

Link: www.weltsozialforum.org

© 2007 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten. Siehe: www.nna-news.org/copyright/