Biowein im Kommen - Teil 2

12.09.2006

Deutsche Winzer entdecken die Vorzüge biologisch-dynamischer Bewirtschaftung

Von Michael Olbrich-Majer

Vielleicht liegt es daran, dass Deutschland inzwischen mehr Wein importiert als produziert. Vielleicht aber auch an der Aufweichung des Weingesetzes durch die EU. Sicher ist nur: deutsche Winzer und Weingüter suchen dringend nach Wegen, um sich durch Qualität vom europäischen Massenmarkt und Technoweinen aus Übersee abzusetzen. Dabei entdecken sie Maßnahmen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft als Mittel zur Qualitätssteigerung.

Weinmarkt: globale Massenware droht

Mehr als 30.000 Winzer gibt es in Deutschland, ungefähr soviel wie in Österreich, ein fünftel der Anzahl von Frankreich. Weniger als ein Prozent arbeitet ökologisch, nicht einmal ein Zehntel davon biodynamisch, in Deutschland sind es - Demeter anerkannt - 22. Doch gerade anspruchsvolle Weingüter, die selbst vermarkten und auf Qualität setzen, werden mehr und suchen daher Möglichkeiten zur Profilierung. Denn nicht nur der Wein, auch das Ambiente und die Persönlichkeit der Winzer spielen eine Rolle bei der Vermarktung. Die Konkurrenz aus Übersee ist mächtig gewachsen und hat es zum Jahresbeginn geschafft, die Weingesetzgebung der EU zu knacken, um Zugang für ihre Art der Weinbereitung zu schaffen: fraktionieren und neu zusammensetzen. Das deutsche Magazin Der Spiegel schrieb von „Frankenstein-Weinen“. Bauernverbände fordern ein Reinheitsgebot. Auch wird der Weinmarkt zunehmend globalisiert und interessant für kapitalkräftige Privatiers. Neue Methoden im Weinbau, die diesem Trend nicht folgen und dennoch Erfolg versprechen, sind daher hoch im Kurs.

Biodynamisch zunehmend gefragt

So ist denn in den letzten zwei Jahren auch die Nachfrage nach biodynamischem Know-How stark gestiegen. Der ersten Tagung zu biologisch-dynamischem Weinbau in Deutschland, die der Forschungsring im April 2005 veranstaltete, folgten zwei Praxistage, eine Ökoweinbautagung zu Beginn diesen Jahres hatte einen biodynamischen Schwerpunkt. Viele Güter sind interessiert: wenn umstellen, dann doch gleich auf biologisch-dynamisch. Manche werben schon mit „Biodynamik“ ohne entsprechende Zertifizierung. An der Fachhochschule Geisenheim am Rhein, der Forschungsstätte zu Weinbau im deutschsprachigen Raum, wird nach einer Bestandsaufnahme 2003 jetzt zu den biodynamischen Präparaten geforscht und auch in der Schweiz führt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL bis 2007 einen Versuch durch, um die Wirkung biodynamischer Maßnahmen auf die Trauben- und Weinqualität zu untersuchen.

Warum gerade jetzt? Schließlich sind in Frankreich biodynamische Winzer seit gut zehn Jahren erfolgreich, jedenfalls was Qualitäten und Auszeichnungen angeht. Spitzenweine wie die von Fleury und charismatische Winzer wie Nicholas Joly, der rührig die hochtechnisierten Chateaus infrage stellt und eloquent ein biodynamisches Bild mit Mondrhythmen und Pferdeeinsatz vermittelt, sind bekannt und haben weltweit Betriebe zum Umstellen angeregt. Das Buch von Joly ist in Deutschland übersetzt und schon längst vergriffen. In Frankreich haben sich die biodynamischen Winzer von der Demeter-Organisation getrennt – zu stark ist wohl der Bedarf nach eigenständigem Profil gegenüber Gemeinschaftssinn und – Marke. Vielleicht sind Winzer zu eigen? Deshalb so lange, bis die Welle vom Nachbarland rüberschwappte?

Biodynamik und Alkohol

Auch der Ökoweinbau kam ja erst in den 80er Jahren in Schwung, abgesehen von einigen wenigen Pionieren. Da waren die Ökolandwirte schon lange organisiert. Tatsache ist, dass die deutschen biologisch-dynamischen Institutionen sich lange Zeit schwer damit taten, ein alkoholisches Getränk unter der Demeter-Fahne zu akzeptieren. Intensiv wurde diskutiert, ob es überhaupt eine Deklaration wie „Demeter-Wein“ oder „Wein aus biologisch-dynamischem Anbau“ geben kann. Denn der anthroposophische Quell des biodynamischen fußt auf einer speziellen Methode, die seelisch geistigen Fähigkeiten zu erweitern; Alkoholgenuss wirkt da generell bremsend. Die französischen Kollegen waren da pragmatischer. Es gibt in Deutschland wie in Frankreich und Österreich Winzer, die schon lange biologisch-dynamisch arbeiteten, aber zuerst gab es „Demeter-Wein“ in Frankreich, hierzulande nur „Wein aus Demeter-Trauben.“ Das dürfte sich aber mit der aktuellen Entwicklung von Kellerrichtlinien ändern.

Ideale im Leitbild formuliert

In den neunziger Jahren fand ein Dutzend biodynamische Winzer zu einer vertiefenden anthroposophischen Arbeit zusammen, unterstützt von biodynamischem Urgestein aus dem Forschungsring: Ernst Becker und Kurt Theodor Willmann. Mit der Erfahrung der beiden alten Herren ging man kulturelle wie praktische Fragen an. So wurde ein Elixier aus der ganzen Traube - Kristdyn, aus Frucht, Kern und Blatt – entwickelt. Ein Leitbild für die biologisch-dynamische Arbeit im Weinberg wurde vorbereitet. Und der Verein für biodynamische Rebbaukultur in Mitteleuropa gegründet. Verfahren in Anbau und Kellerwirtschaft wurden mittels bildschaffender Methoden qualitativ optimiert. So reifte der Schritt, öffentlicher zu wirken – mit der ersten Weinbautagung und der Vorstellung des Leitbildes, das mit den führenden Leuten vom Forschungsring 2005 auf den Punkt gebracht wurde.

Kultur der Rebe statt Weinproduktion

Die Rebe als Pflanze mit besonderen Fähigkeiten der Hingabe soll aus der engen Verflechtung mit Alkohol gelöst werden. Es geht um Rebkultur auch im Hinblick auf die Erhaltung von Landschaften und das Verfügbarmachen spiritueller Kräfte über die Ernährung – man rufe sich ihre Rolle in der abendländischen Kultur in Erinnerung, von den Griechen bis zur christlichen Messfeier. Alternativen zum Wein wie Säfte und andere Erzeugnisse sollen daher entwickelt werden. Und beim Wein kommt es vor allem auf erlebbare innere und äußere Qualität an. Auch in der Züchtung wird ein Ziel genannt: die Europäer-Rebe, infolge der Reblausinvasion vor hundert Jahren als Stamm verdrängt, soll wieder nutzbar gemacht werden.

Was macht biodynamischen Weinbau aus?

So klar die Ziele erscheinen, so sehr unterscheiden sich die Winzer bei näherem Hinsehen. Biodynamisch ist eben kein Rezeptbuch. Und die Natur ist nicht überall gleich. Die Geisenheimer Forscher konnten jedenfalls bei den Maßnahmen eine große Variationsbreite feststellen. Im Anbau legt z. B. der Franzose Joly höchsten Wert auf Konstellationen und Pferdewirtschaft, andere bringen die Präparate motorisiert aus, damit sie mehr Zeit für die Reben und den Keller haben.

Manche einer ist experimentierfreudig, wie Hartmut Heintz vom Weingut im Zwölberich, andere sind Puristen und galten vor kurzem noch als unmodern, wie Familie Saahs vom Nikolaihof in Österreich. Erfolg haben beide, ihre Weine sind preisgekrönt.

Auch in der Kellerwirtschaft gibt es verschiedene Ansätze. Der Berater Andrew Lorand empfiehlt Winzern daher, die zugrunde liegenden Prinzipien zu verinnerlichen – die Anwendung von biodynamischen Präparaten allein ist nicht erfolgsversprechend. Aus der tieferen Einsicht in das Naturgeschehen, in das Wesen der lebendigen Zusammenhänge und der Rebe, ergibt sich die Rolle und Aufgabe des Menschen darin – dieses Verstehen hat seinen Reiz, meint Wilfried Jacobus, Weinbauer an der Nahe. Das kann man lernen und üben. Wie der Moselwinzer Rudolf Trossen es beschreibt: Ein Winzer kann ohne sensible Sinne keinen guten Wein machen.

Was ist dran an der Qualität?

Terroir - schmecken, wo er herkommt, den Boden im Wein spüren, gilt als eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale beim Wein. Und da liegen die Biodynamiker goldrichtig, denn genau dafür sind die biodynamischen Maßnahmen gut: die intensive Verbindung von Pflanze und Boden fördern, aus der Sonnenkraft das beste gewinnen. Doch geht das nicht so nebenbei. Die biodynamischen Winzer haben jahrelange Qualitätstests hinter sich gebracht, um zu verstehen, welche Maßnahme, sei es im Weinberg oder im Keller, wie wirkt. Dazu nutzen z. B. die Kristdyn- Gruppe oder der Nikolaihof auch bildschaffende Methoden. Auch die übliche sekundenschnelle Weinverkostung – riechen, kosten, spucken – ist umstritten. Christine Saahs vom Nikolaihof meint dazu: „Ein Wein muss auch einer sensorischen Probe standhalten, wenn er schon ein paar Tage offen ist.“ Sie weiß, wovon sie spricht, denn ihre Weine werden in renommierten Weinführern wie Parkers, Johnsons oder Clarkes hochgelobt und in Toprestaurants serviert. Qualität ist für Biodynamiker deutlich mehr als nur der Gaumeneindruck. Qualität muss spürbar sein, der Wein soll zum Wohlbefinden beitragen.

Box1: Auszeichnungen für biologisch-dynamische Weine Auf der jurierten Weindegustation im Rahmen Biofach im Februar stammten von 60 mit Gold prämierten Weinen 10 von deutschen Demeter-Winzern. Seit einigen Jahren gibt es im Rahmen der Weltleitmesse für Bioprodukte in Nürnberg eine eigene Weinhalle, sie ist so zugleich die größte Bioweinfachmesse der Welt. Die Bioweine hätten in den letzten Jahren deutlich an Qualität zugelegt, so die Jury und vor allem die deutschen holten kräftig auf, wie die Prämierung zeige. Von den insgesamt 777 Weinen von 250 Anbietern, wurden immerhin auch 180 Weine mit Silber prämiert und ca. für 175 noch eine Empfehlung ausgesprochen. Bei den „Gold“winzern waren u.a. Weine der Demeter-Güter aus dem deutschsprachigen Raum Fuchs-Jacobus, Zwölberich, Sander, Stutz,und Bürgin vertreten, mit Silber waren die Demeter-Winzer Harteneck, Trautwein und Nikolaihof dabei.

Tipps zur Vertiefung:

Wein und Reben, biodynamisch, Schwerpunktheft der Zeitschrift Lebendige Erde 2- 2006, Bezug: Forschungsring, Brandschneise 1, D-64295 Darmstadt, www.lebendigeErde.de, 6 € plus Porto.

Biodynamic Wines, Weinführer und mehr von Monty Waldin in englischer Sprache bei Mitchell Beazley, Classic Wine Library, London 2004, 515 S, ISBN 1- 84000-964-0, ca. 40, 90 €.

Wein aus Ökologischem Anbau, kostenloser Führer zu Ökowinzern in Deutschland, ECOVIN Weinwerbe GmbH, Wormser Str. 162, 55276 Oppenheim, Tel. 06133 – 1640.

Liste deutscher Demeter-Winzer: Demeter Bund, Brandschneise 1, D-64295 Darmstadt, 06155 – 8469-0.

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