Richter streiten über den Einfluß der Politik über die Richterwahl

19.09.2002

Um die Frage des Einflusses der Politik auf die Justiz ist beim 64. Deutschen Juristentag ein Streit entbrannt. Manche Richter haben Angst vor der eigenen Freiheit. Die anderen trauen sich zu, ohne die Politik zurechtzukommen und ein eigenes Verfahren zur Wahl neuer Richter zu entwickeln. Sollte es ihnen gelingen, würden sie einen wichtigen Schritt in Richtung soziale Dreigliederung machen.

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Geert Mackenroth hält die Unabhängigkeit der Justiz für nicht verwirklicht, solange Personalentscheidungen durch die Regierung getroffen oder maßgeblich beeinflusst werden. "Das vielfach undurchsichtige und bisweilen als Vetternwirtschaft klassifizierte Verfahren zur Richterwahl - nicht nur bei den Bundesrichtern - ist und bleibt trotz aller gegenseitigen Bekundungen ein Skandal." Die Justizminister sollten aus Personalentscheidungen ausgeklammert und durch einen eigenständigen Justizverwaltungsrat ersetzt werden.

Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem hält dagegen nichts von einer solchen Entpolitisierung der Richterwahl. "Schon jetzt steht die Personalauswahl unter dem Risiko, die gesellschaftliche Pluralität nur ausschnitthaft abzubilden." Mitunter sei zu hören, "dass Qualitäten wie Anpassungsfähigkeit, Vorgesetztenloyalität oder gar Cliquentreue manchmal mindestens so hoch oder gar höher bewertet werden als Kritikbereitschaft, Kreativität und berufliche Mobilität". Dem solle - wenigstens nach dem Modell des Grundgesetzes - die Mitwirkung der Justizminister entgegenwirken.

Das Entscheidende ist hier der eingeschobene Nebensatz: "wenigstens nach dem Modell des Grundgesetzes". Wolfgang Hoffmann-Riem mag es mit seinem Richterideal ehrlich meinen, das Modell des Grundgesetzes hat aber versagt. Die Politiker werden in der Tat von der Richterschaft an der Nase herumgeführt. Und diejenigen Möchtegernrichter, die sich auf ein solches Spiel einlassen und gewinnen, gehören nicht zu den besten Kandidaten.

Eigentlich schade, daß gerade ein Bundesverfassungsrichter sich hier vor seiner Verantwortung stiehlt. Damit es zu diesem vom Richterbund angestrebten Justizverwaltungsrat kommt, braucht man erst einmal hochrangige und für ihre Vorurteilslosigkeit angesehene Richter, die sich bereit erklären, eine Art Schatten-Justizverwaltungsrat zu bilden. Ähnlich wie die jeweilige Opposition während des Wahlkampfes ihr Schattenkabinett aufstellt und damit versucht zu überzeugen. Dieser Schatten-Justizverwaltungsrat braucht wahrhaft kein getreues Abbild der heutigen Richterschaft zu sein. Er soll vielmehr einen Vorgeschmack auf eine unabhängige Justiz geben. Er könnte schon jetzt die von Justizministern getroffenen Personalentscheidungen selber überprüfen und öffentlich kommentieren. Es würde sich schon zeigen, wie lange die Politik einen solchen moralischen Druck aushalten kann.