Israelische Zivilgesellschaft setzt Zukunftszeichen

24.05.2002

Wenn es jemals nötig war bei einem Konflikt einen neuen Anfang zu wagen um eine Lösung zu finden, dann bei der israelisch-palästinensischen Auseinandersetzung, die als eine der unnachgiebigsten der heutigen Zeit gesehen werden muss. Und dennoch entsteht trotz der aussichtslos erscheinende Situation eine neue Initiative, die neues Denken in die Beziehung zwischen Israel und den Palästinensern von der Basis auf einsäen möchte.

Aktivisten für eine israelische Zivilgesellschaft (ICS), der Runde Tisch der Zivilgesellschaftsorganisationen in Israel, das Globale Netzwerk für Dreigliederung und die Globale Koalition der Netzwerke von Zivilgesellschaftsorganisationen haben jetzt angefangen, "alternative zivile, politische, ökonomische und kulturelle Kräfte" zu mobilisieren, um einen grundsätzlich neuen Weg zur Lösung des Konflikts herbeizuführen.

Um dieses Ziel zu erreichen, so argumentiert die ICS, ist jetzt eine breitere Zivilkoalition nötig – eine Zivilbewegung, die eine größere öffentliche Unterstützung gewinnen muss, um fähig zu werden die Politik zu beeinflussen.

Aber nur wenn genügend Fortschritte zum Hervorbringen solch einer neuen Bewegung gemacht werden, wird die Konferenz, "Konflikt oder Dialog zwischen den Zivilisationen", im Frühling 2004 stattfinden. Über die Größe dieser Aufgabe sagte Dr. Yeshayahu Ben-Aharon, der Mitbegründer von ICS, ist Vorsicht am Platz: "Wir werden diese Konferenz nur durchführen, wenn wir bis 2004 etwas aufgebaut haben. Es muss mindestens der Anfang einer Bewegung vorhanden sein - und für die Entstehung einer Bewegung sind zwei Jahre fast nichts."

"Unser Hauptziel ist zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts beizutragen," sagt Ben-Aharon. "Hier gibt es zwei Facetten. Einerseits haben wir die Frage der Beziehung innerhalb Israels zwischen den israelisch-jüdischen und den israelisch-arabischen Bürgern - das ist ein ganz großes Aufgabengebiet. Parallel dazu, haben wir die Frage des Schicksals der besetzten Gebiete und der Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates," fügt er hinzu.

Die ICS, die im letztem Jahr von Dr. Ben-Aharon und dem Unternehmer Eyal Ziegelman gegründet wurde, ist die treibende Kraft hinter dieser Initiative. Basis des Ansatzes der ICS ist ein dreigegliedertes oder tri-sektorales Verstehen der Gesellschaft. Diese Sichtweise sieht die Gesellschaft in selbstorganisierte, autonome aber zusammenhängende Sektoren getrennt: das Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben. Probleme entstehen aber, wenn die Werte, die einen Sektor lenken sollen, fälschlicherweise auf einen anderen angewandt werden.

In diesem Zusammenhang schreibt das Tri-Sektoral-Modell den Wert der Freiheit dem kulturellen Sektor zu, Gleichheit als Wert im rechtlichen-politischen Sektor, und Brüderlichkeit oder Kooperation in der Ökonomie bzw. Wirtschaft.

Eine der ersten Tätigkeiten der ICS war die Gründung eines Runden Tisches der israelische Zivilgesellschaftsorganisationen, in Partnerschaft mit der Abteilung Israel der Jüdischen Agentur und der zur Zeit stark wachsende Zahl der israelischen Zivilgesellschaftsorganisationen. Die erste öffentliche Konferenz des Runden Tisches, "Die Aufgabe der Zivilgesellschaft in Israel in einer Zeit nationaler Krise" fand am 25. März 2002 in Anwesenheit von 250 Menschen statt.

Auf den Gebieten der Ausbildung, Befürwortung und Menschenrechte arbeitet die ICS mit israelisch-palästinensischen NGOs (nichtstaatlichen Organisationen) zusammen, um eine unparteiische, zivile soziale Bewegung zu schaffen, die imstande sein wird, israelisch-jüdische und palästinensische Bürger zu vereinen. Das Ziel der Bewegung ist Freiheit in der Erziehung, Kultur und Religion und einen gleichen Anteil an den ökonomischen und physischen Mitteln des Staates Israel für die israelisch-palästinensischen Bürger zu garantieren.

Ben-Aharon, der Philosophie an der Universität Haifa lehrt, hat, unter anderem, die Einflüsse der Globalisierung auf die gegenwärtigen kulturellen, politischen und ökonomischen Tendenzen und Ereignisse untersucht.

Zu seinen sozialen Initiativen zählen die Gründung der freien Kibbuz-Gemeinschaft Harduf als ein Zentrum in dem verschiedene anthroposophische ökologische, therapeutische und pädagogische Institutionen aufgebaut wurden. Neben seiner Tätigkeit bei der ICS und dem Runden Tisch ist Ben-Aharon mit Nicanor Perlas von den Philippinen Gründer des "Global Network for Threefolding".

Über den Ansatz seiner Organisation zum israelisch-palästinensischen Konflikt sagt Ben-Aharon: "Wir werden das Problem gleichzeitig auf drei Ebenen angehen: die religiöse Frage – Judentum, Christentum und Islam – , der geo-politische, politische und militärische Aspekt, und die ökonomischen Fragen der Globalisierung, Handelsvereinbarungen, Umwelt u.s.w."

"Die palästinensische Frage berührt alle drei Ebenen," setzt er fort. "Wir haben die religiösen Aspekte, da die Palästinenser in islamische und christliche Araber geteilt sind – sowohl in den besetzten Gebieten als auch unter israelischen Arabern; und dann haben wir die Juden. Wir haben die drei Religionen innerhalb und außerhalb Israels - und Jerusalem ist selbstverständlich der Platz, wo alle drei um Kontrolle kämpfen.

"Dann haben wir die nationalen Aspekte mit zwei verschiedenen nationalen Identitäten unter den Bürgern Israels. Zwanzig Prozent sind israelische Araber. Es bestehen auch die geo-politischen Interessen der Großmächte im nahen Osten. Und schließlich gibt es die ökonomischen Fragen als Teil des Projektes der elitären Globalisierung. Somit ist das Ganze sehr kompliziert," schließt Ben-Aharon.

In der Tat ist eines der Hauptprobleme in dem Gebiet, dass die Großmächte ihre eigenen Interessen verfolgen. Das verhindert sie die uneigennützige Unterstützung zu geben, die durchaus helfen könnte eine reale Lösung zum Konflikt zu finden.

Die Antwort, laut Ben-Aharon, ist, dass die Israelis ein klares Bild ihrer Ziele bilden müssen; sie müssen ihre Bedürfnisse erkennen. Sonst werden ihre Interessen immer zweitrangig sein und hinter denjenigen der Großmächte liegen bleiben: "Sofern die Menschen nicht ein sehr klares Bild dessen haben, was sie eigentlich wollen, was für sie gut ist, werden sie von den Großmächten beeinflusst. Sie müssen sehr klar sehen, dass eine Alternative vorhanden ist, sonst werden die Großmächte mit ihren großen Macht-Möglichkeiten mit uns spielen wie sie gerade wollen.

"Das bedeutet nicht, anti-westlich oder anti-amerikanisch zu sein, sondern zu verstehen, wo unser Interesse als Israelis liegt."

In Verfolgen ihrer Ziele arbeitet die ICS nicht isoliert, sondern ist Teil eines globalen Netzwerks von Zivilgesellschaftsorganisationen. Zusammen mit 15 Zivilgesellschaftsorganisationen in Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten ist ICS Mitglied im Global Network for Threefolding (GN3).

GN3s Tätigkeit ist auf den bahnbrechenden Leistungen der globalen Zivilgesellschaft seit den 90er Jahren gegründet. Besonders seit dem "Kampf Seattles" im Jahre 1999, geht es um den Kampf für gerechte Globalisierung und die Realisierung einer unabhängigen, selbstbewussten, globalen Zivilgesellschaft als Teil einer neuen tri-sektoralen globalen sozialen Struktur.

Es gibt keinen Zweifel, dass die jetzt in die Wege geleitete Initiative sehr viel Ausdauer und Geduld verlangen wird: "Im Grunde haben wir mit einem langfristigen Projekt zu tun. In zehn Jahren werden wir Resultate sehen - das Projekt ist wirklich zukunftsorientiert," sagt Ben Aharon.

Andererseits muss jetzt der Anfang gemacht werden: "Die unmittelbare Aufgabe ist die Infrastruktur einer Volksbewegung aufzubauen. Das ist was wir jetzt tun. Wir wollen möglichst viele Aktivisten und Menschen erreichen, die eine Bewegung auf populärer Grundlage ohne Einschränkungen oder Verpflichtungen unterstützen möchten. Einfach Menschen, die das Wort verbreiten möchten. Und die bereit sind, dies sowohl im arabischen Sektor als auch selbstverständlich unter den Juden zu tun."

Activists for Israeli Civil Society (ICS), Harduf, D.N Hamovil, 17930, Israel. Tel: +9072-4-9059333, E-mail: civilsociety@barak-online.net, Website in Vorbereitung: www.civilsociety.co.il/eng

Quelle: NNA