Branding und No logo

22.10.2001

Die großen Handelskonzerne machen den klassischen Markenartikeln das Leben schwer. Besonders in der Lebensmittelsparte haben sie es mit ihren eigenen billigen "no name"-Produkten auf einen Marktanteil von 26 Prozent gebracht. Für die nächsten Jahre wird ein starkes Wachstum erwartet. Hauptgrund für diese Entwicklung ist laut dem Deutschland-Chef von Kraft Foods, Bernhard Huber, das heutige Oligopol im Handel. Die drei größten Unternehmen im Lebensmittelhandel kommen auf 50 Prozent, die zehn größten auf 85 Prozent Marktanteil. Sie können daher beim Vertrieb der hauseigenen Produkten auf ein breites Filialnetz setzen. Laufen diese gut, werden die Markenartikel aus dem Sortiment genommen. Besonders krass ist die Situation in Deutschland, wo die immer stärker werdenden Discounter mit Niedrigpreisen werben. Dort sind die Gewinne des Handels so gering wie nirgends sonst in der Welt.

Marktforscher raten den Markenherstellern davon ab, auf diesen Preiskrieg einzugehen. Ihre Hoffnung, mit Preissenkungen Kunden zu locken, wird selten erfüllt. Statt dessen sollen sie auf Marketing-Offensiven setzen. Das Lebensgefühl, das eine Marke transportiert, könne eine Hausmarke der Supermärkte nicht bringen. Sie sollen sich von der Masse absetzen, damit die Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen.

Diese Strategie des "Branding" wird von einigen Markenherstellern schon längst verfolgt - insbesondere in den USA. Die kolateralen Schäden sind aber katastrophal. Um die Kriegskassen für Werbefeldzüge zu füllen, sparen diese Unternehmen überall, vor allem an den Beschäftigungskosten. Diese sind bekanntlich in der Dritten Welt besonders günstig, und so bringt dieses "Outsourcing" den Menschen in Asien und Lateinamerika 12 und mehr Stunden harter Arbeit für einen Hungerlohn. Der Kampf der Markenhersteller gegen die Niedrigpreise ändert also nichts an den Niedriglöhnen.

Auf diesen Zusammenhang zwischen Branding und Ausbeutung hat Naomi Klein mit ihrem Buch "No logo" aufmerksam gemacht. Sie hat allerdings ihr Augenmerk auf die Markenhersteller gerichtet, während die Ursache vielleicht eher bei der steigenden Konzentration der Handelskonzerne liegt. Mit ihrem Aufruf zum Boykott der Logos - sprich Marken - setzt sie aber gesunde Akzente. Werbung ist die moderne Form der Tyrannei. Kinder trauen sich schon im Vorschulalter kaum ohne Turnschuhe mit dem Nike- oder Adidas-Logo auf die Straße. Als Jugendliche merken sie dann nicht, daß ihnen von den Marken mehr Gefahr für ihre Individualität droht als vielleicht von ihren Eltern. Während Naomi Klein in den USA mit No logo eine Gegenbewegung einleiten konnte, stößt die Macht der Marken in Deutschland kaum auf Protest.

Dieser frontale Angriff auf die Werbung verdient es, in der ganzen Welt nachgeahmt zu werden. Es ist nicht Sache der Konzerne, den Menschen eine Identität zu geben. Die Menschen müssen sich erst einmal selber finden, selber zur Marke werden. Jeder Mensch ist ein Logo.

Wer weiß, wen er in sich hat, kann sich für seine Mitmenschen interessieren, ohne dabei zum Herdenmenschen zu werden. Er läßt sich von der Werbung keine schöne heile Weltwirtschaft vormalen, sondern fragt, ob diejenigen, die seine Schuhe nähen auch davon leben können. Und da hätten auch die großen Handelskonzerne mit ihren billigen Eigenmarken keine Chance. Richtig verstanden heißt nämlich "No logo" nicht nur ohne "Branding", sondern auch ohne "No name" zu leben, weil beides auf Kosten anderer Menschen geht.