Schill-Partei macht Demokratie unsicher

19.10.2001

Vier Wochen nach der Regionalwahl in Hamburg haben die Spitzen der geplanten Mitte-rechts-Regierung aus CDU, Schill-Partei und FDP am Freitag ihren Koalitionsvertrag paraphiert. Schwerpunkte der künftigen Politik sollen die Bekämpfung der Kriminalität sein, eine Liberalisierung des Bildungssystems und die Förderung des Autoverkehrs. Der designierte CDU-Bürgermeister Ole von Beust sprach von einer guten Grundlage für eine hervorragende Politik. Der Koalitionsvertrag muss vor seiner Unterzeichnung noch von Regionalparteitagen der CDU an diesem Samstag und der FDP am kommenden Montag gebilligt werden. Am Schluss der Verhandlungen war es zu einem heftigen Tauziehen um die Senatsposten gekommen. Entgegen ihrer Forderung soll die FDP nur einen Senator stellen. Die CDU bekommt vier Ressorts, die "Partei Rechtsstaatlicher Offensive" des als "Richter Gnadenlos" bekannt gewordenen Juristen Ronald Schill drei. Dazu kommen zwei Parteilose.

Die erst im vergangenen Jahr gegründete Schill-Partei hatte aus dem Stand 19,4 Prozent der Stimmen erreicht. Schill wird Innensenator. Er hatte seinen Wahlkampf auf die innere Sicherheit konzentriert und das Thema auch den anderen Parteien aufgezwungen. In der Präambel des Vertrages betonen die Parteien die Bedeutung der "hanseatischen Tugenden wie Weltoffenheit und Toleranz", die "jegliche Diskriminierung von Minderheiten" verböten. Zugleich heben sie den Stellenwert von Sicherheit als Basis für Freiheit hervor.

Bei der Wahl am 23.09.2001 hatte der rot-grüne Senat wegen des schlechten Abschneidens der Grünen seine Mehrheit verloren. Die SPD blieb stärkste Partei, muss aber nach 44 Jahren in die Opposition. Die Schill-Partei strebt nach ihrem sensationellen Wahlergebnis den Sprung auf die nationale Ebene an. Nach Angaben der Partei vom 19.10.2001 wurde eine Vorbereitungskommission gegründet. Die Schill- Partei will Landesverbände in allen Bundesländern aufbauen.

Die hamburger Wahl ist parteipolitisch wahrscheinlich eine der größten Katastrophen seit langem. Die Hamburger sind zu bedauern, - aber nicht nur die Hamburger: Das Auftauchen der Schillpartei wird für die ganze Bundesrepublik einen starken Rutsch nach rechts bedeuten.

Mit der Schill-Partei ist eine neue politische Sternenkonstellation eingetreten, die den Vorgängen im europäischen Ausland gleicht. Wird die Schill-Partei zu einem Bundesphänomen, werden sie die selbe Rolle einnehmen, wie in Skandinavien die "Fortschrittsparteien", in Österreich die FPÖ Jörg Haiders und teilweise Le Pens Front National in Frankreich. Mit den Republikanern und deren nationalistisch-faschistischen Inhalten können diese Parteien und die Schill-Partei nur in geringem Umfang verglichen werden.

Die neue rechte Sammelpartei nimmt Frontstellung ein gegen alles vermeintlich Asoziale: Kriminelle, Asylanten und der Sozialstaat mit seiner Umverteilung und Bürokratie. Da hinein gehören keine Kriminellen und asoziale Neonazis. Es handelt bei der Sorte Schill-Partei vielmehr um einen kleinbürgerlichen, rechten Liberalismus im Sinne des Nachtwächterstaats. Es ist deshalb nicht besonders verwunderlich, warum die FDP mit "Richter Gnadenlos" arbeiten kann. Die Schillpartei ist eine Partei mit einem großen Wählerkreis: Von Mittelständlern über Arbeiter bis hin zu maginalisierten Leuten. Wähler, die sonst unter SPD, CDU und FDP verteilt waren.

Es wird in Deutschland genau dasselbe passieren, was auch sonst in Europa geschehen ist: Die Parteien werden kräftig nach rechts rücken, um verlorene Wähler wieder anzusprechen. Besonders unsere offene Gesellschaft wird unter Beschuß genommen, und mit Innenminister Otto Schily wird der SPD ein solcher Schritt nach Rechts wohl nicht schwer fallen. Auch der Sozialstaat wird demontiert. Eine solche unzurechnungsfähige und populistische Parteienlandschaft wird die Untragbarkeit der Parteiendemokratie offenbaren. Laßt uns jetzt gleich unsere Forderung aussprechen, auch vor dem Hintergrund des Parteispendenskandals: Her mit einem generellen Parteiverbot und her mit direkter Demokratie.