Welternährungsgipfel wird verschoben

16.10.2001

Die Katastrophe von New York hat eine noch größere Katastrophe in ihr Kielwasser gezogen: Der für November geplanten Welternährungsgipfel ist wegen der "globalen Unsicherheit" um ein gutes halbes Jahr auf Juni 2002 verschoben worden. Zu dem Gipfel der UN-Ernährungsorganisation FAO hatten sich ursprünglich mehr als 4000 Delegierte angesagt, darunter einige Dutzende Staats- und Regierungschefs. Die Konferenz war ursprünglich für die Zeit vom 5. bis 9. November geplant. Doch die Regierung in Rom bat die Vereinten Nationen aus Sorge um Proteste und Ausschreitungen wie beim G-8- Gipfel in Genua, für die Welternährungskonferenz einen anderen Ort als Rom zu wählen. Durch die Terroranschläge vom 11. September wurde jedoch mit einer so dezimierten Beteiligung gerechnet, dass sich die Vereinten Nationen schließlich zum Aufschub durchrangen.

Noch immer hungern 820 Millionen Menschen weltweit - etwa ein siebtel der Menschheit.

Zu den größten Verdiensten des Bundesprädidenten Johannes Rau gehört es, dass er die Hungerskatastrophe immer wieder anprangert. Hunger sei ein "weltweiter Skandal", betonte Rau anläßlich des UN-Welternährungstags am 16.10. "Der Kampf gegen Hunger und Armut muss weltweit auf Platz eins der politischen Tagesordnung gerückt werden ... Hunger ist ja kein unabwendbares Schicksal. Es ist nicht aussichtslos, etwas gegen den Hunger zu tun ... Hungernde Menschen sind eine Anklage an die Weltgemeinschaft. Jeder verhungerte Mensch ist ein Urteil über uns", sagte er.

Hunger ist vorallem eine Anklage gegen die freie Marktwirtschaft. Selbst die basalsten Bedürfnisse eines Siebtels der Menschheit vermag die Marktwirtschaft nicht zu befriedigen und schafft eine nicht nur unmoralische, sondern vorallem unökonomische Asymetrie. So steht z.B. das Wirtschaftswachstum in Entwicklungsländern in engem Zusammenhang mit einer besseren Nahrungsmittel-Versorgung. Darauf hat die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) am 11.09.2001 hingewiesen. "Der Einfluss der Ernährung auf die Arbeitsproduktivität, Gesundheit und Bildung trägt eindeutig zu einem höheren Wirtschaftswachstum bei", hieß es in dem neuen "Bericht zur Lage von Ernährung und Landwirtschaft 2001". Wenn jede Person pro Tag rund 2 700 Kilokalorien einnehmen könnte, würde das Bruttosozialprodukt eines armen Landes jährlich bereits um rund einen Prozentpunkt schneller wachsen, teilte die UN-Organisation mit. "Hunger zu tolerieren, ist nicht nur unmoralisch, sondern auch kostspielig, weil dadurch das Wirtschaftswachstum in den ärmsten Ländern spürbar gehemmt wird", sagte ein FAO-Sprecher.

Für das staatliche Schmerzmittel Soziale-Marktwirtschaft gibt es in einem globalen Zusammenhang keine Verwendungsmöglichkeiten und die UN und FAO sind schon lange überfordert. Die einzige Möglichkeit ist es, die globale Marktwirtschaft fair und assoziiert zu gestalten.

Die Entwicklungsländer brauchen Zugang zu den europäischen Märkten, aber sie brauchen Windschutz gegen die freie Marktwirtschaft mit Sozialdumping. Die EU hat mit Markt- und Preisregulierung längjährige Erfahrungen, die bei Assoziationsverhandlungen mit Drittländern um einen fairen Markt als Vorbild dienen sollten, und eine Vorstufe für eine reine Wirtschaftsassoziation bilden kann. Dabei kann die EU eine große Bedeutung haben, wenn sie die selbe Logik nach innen auch nach außen verwenden, und in Partnerländern nicht Konkurrenten sehen.