Stilllegung der Verkehrspolitik

03.09.2001

Die europäische Infrastruktur wird in den kommenden Jahren einen Verkehrsinfarkt bekommen, wenn man nicht zu einer Umlenkung auf die Bahngleisen kommt, meinen Experten der EU-Kommission. Dazu kommen noch die gegenwärtigen Probleme der Straße: Zuviele Tote (EU-weit jährlich 41.000), Schmutz und Staus (täglich 7500 Kilometer). Ohne Umdenken und - lenken dürfte der Schwerlastverkehr bis 2010, im Vergleich zu 1998, um 50 Prozent zunehmen. Entsprechend ist die Luftverschmutzung. Schon jetzt verursacht der Straßenverkehr nach Expertenmeinung etwa 84 Prozent des Ausstoßes an Kohlendioxid, einem der wichtigsten Treibhausgase. Der Verkehr muss von der Straße, lautet das Leitmotiv der EU-Experten - weg mit dem seit über 50 Jahren ständig zunehmenden Ungleichgewicht zwischen Asphalt und Schiene. Die Frachtbeförderung per Bahn hat derzeit nur noch einen Anteil von acht Prozent am gesamten Güterverkehr. International verkehrende Güterzüge schleichen mit gerade einmal 18 Kilometern im Schnitt pro Stunde durch Europa. "Wiederbelebung des Schienenverkehrs" heißt es deshalb fett gedruckt im Arbeitspapier der EU-Kommission.

Bei der EU-Policy setzt man wieder einmal auf die Zauberformel des internationalen Wettbewerbs. Die Märkte für den Gütertransport und den Personenverkehr sollen geöffnet werden, damit es zum überfälligen Wettbewerb zwischen Eisenbahngesellschaften kommt, und damit Angebote attraktiver werden. Entsprechend ist für 2002 ein Maßnahmenpaket geplant, "das es diesem Verkehrsträger gestatten dürfte, insbesondere im Güterverkehr seine Kunden vor allem wieder von seiner Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit zu überzeugen". Am Ende soll es ein Eisenbahnnetz ausschließlich für den Güterverkehr geben.

Das Projekt "Bahnwettbewerb durch Privatisierung" ist schon etliche Male initiiert worden; mit welchem Ergebnis?

Überall in Europa häufen sich die Klagen. Der britische Premierminister Tony Blaire z.B. hat die Privatisierung der Bahn eine Katastrophe genannt. Trotz fast gleichbleibender Subventionen schnellen die Bahnkosten in die Höhe und die Angebotspalette schrumpft, weil die kommerziellen Bahnfirmen mit Shareholder Values Gewinnausschüttungen erwirtschaften müssen. Zugegeben, das Neue an der EU-Initiative ist der internationale Wettbewerb, aber ist es realistisch, das ein dänischer Bahnbetreiber in Frankreich Märkte erschließen kann, wenn schon der Marktbestand zu Hause problematisch ist? Bei einem neuen Stellenwert der Bahn kann es doch nicht um einen Wettbewerb zwischen einzelnen privaten Anbietern gehen. Es geht doch im Grunde genommen um den Wettbewerb zwischen Straße und Bahn. Wenn die EU es ernst meint mit dem Wettbewerb, sollte sie Bahn und Straße von der öffentlichen Förderung ausschließen und die Betreibung der Infrastruktur Bahn und Straße dem Wirtschaftsleben überlassen. So müßte sich das Wirtschaftsleben zu Erhaltung der Infrastruktur vernetzen und sich über die Kostenverteilung absprechen: Z.B. hätten die Automobilhersteller und Tankstellenbetreiber dabei einen Großteil der Straßenbaukosten zu tragen, während die übrigen Unternehmen sich ausrechnen könnten, ob Bahn oder Straße eher kostengünstige logistische Vorteile bringen. In einem solchen Wettbewerb wird die Bahn gegenüber der jetzt zu 99% subventionierten Straße viel bessere Karten haben.