Rassismuskonferenz und schwarz-weißer Kolonialismus

28.08.2001

"Eine Entschuldigung ohne Entschädigung ist bedeutungslos, der Witz des Tages," wettert Herero-Häuptling Kuaima Riruako. Im Vorfeld der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban fordert das 66-Jährige Oberhaupt des Herero-Stammes von den Deutschen Sühne für alte Kolonialschuld. Nun hat er - inspiriert von den Sammelklagen ehemaliger Zwangsarbeiter in Nazi-Deutschland - Ansprüche in den USA geltend gemacht. "Ich habe vor einem Gericht in Washington ein Verfahren angestrengt - einmal für Besitztümer, die meinem Volk gestohlen wurden, zum anderen wegen des Völkermords vor dem US-Bundesgericht," sagt Riruako.

Im Zentrum der Klage steht ein Unrecht, das Anfang des vergangenen Jahrhunderts in der Kolonie des Kaiserreichs "Südwestafrika", dem heutigen Staat Namibia, an den Herero begangen wurde. Das Hirtenvolk der Herero, das sich nicht unterwerfen wollte, wurde von deutschen Kolonialtruppen in den Jahren 1904 bis 1908 aus ihrem angestammten Siedlungsgebiet in die lebensfeindliche, wasserlose Kalahari-Wüste vertrieben. Etwa 60 000 Menschen starben.

Riruako fordert seit langem von Deutschland Entschädigung für "Unrecht der Vergangenheit". Deutschland hat wiederholt erklärt, den Herero keine Sonderleistungen zukommen lassen zu wollen. Stattdessen wolle es allen Namibiern helfen. Deutschland ist mit etwa 60 Prozent ausländischer Zahlungen an Namibia wichtigster Geldgeber.

Riruako ist nicht allein mit seiner Forderung. In Verbindung mit der Rassismuskonferenz in Durban sind von vielen Seiten Wiedergutmachung von alten chauvinistischen Eingriffen im Leben der afrikanischen Völker gefordert worden. In Simbabwe wird im Namen der Gerechtigkeit das Land weißer Siedler konfisziert, und in Südafrika erheben die Buschmänner oder San Anspruch auf geraubtes Land.

Wenn die Geschichte eine Konstante hat, dann ist es eine Kette von Vertreibung und Unterjochung. So sind die Herero etwa 600 Jahre vor der deutschen Annektion selbst als Vertreiber und Unterdrücker nach Namibia gekommen und haben die San vertrieben und die Damarans versklavt. Die Niederlage der Herero gegen die Deutsche Verwaltung bedeutete somit die Befreiung der Damarans. Entschädigungen würde zwar die wirtschaftliche Lage der Herero verbessern aber es wird die historische Grundkonstante nicht tilgen. Solange Besitz ein erwerbliches Recht ist, und Recht an Besitz gebunden ist, ist für die Geschichte und die Menschheit keine Hoffnung, aus sittlicher Kraft statt aus erlangtem Recht Geschichte zu schaffen.

Die Verkettung von Rechtsleben und Grundbesitz sollte vermieden werden, vorallem für diejenigen die aus der Geschichte Konsequenzen und Revisionen ziehen wollen.

Die Bestrebung der San Land zurück in Stammes-Gemeinschaftsbesitz zu bekommen, überwindet zwar das Unrecht des Privateigentums, ist aber nicht gerechter, weil sie die Verkettung von Rechtsleben und Eigentum nicht überwindet: Was sind Staatsbürgerrecht oder andere Abstammungsfixierungen anderes, als ererbtes Besitzrecht am Gemeinschaftseigentum des Stammes? Vor allem deshalb ist das deutsche Staatsbürgerrecht ungerecht, so wie alle Rechtssetzungen des Staates, die nicht allein auf dem Verhältnis zwischen Mensch und Mensch beruhen.