Iran und die islamische Demokratie

08.08.2001

Der iranische Präsident Mohammed Chatami hat eine Fortsetzung seines Reformkurses angekündigt. In seiner Vereidigungsrede erläuterte er seine Vorstellung einer islamischen Demokratie in Iran. "Nur der Weg der Freiheit und die Herrschaft des Volkes können die Regierung und die (islamische) Revolution immun machen gegen jegliche Bedrohungen in der Zukunft." Andererseits könnten engstirnige Ansichten und zunehmende Gewalt unter dem Deckmantel des Islam zu einer laizistischen Gegenreaktion und damit also zur Trennung von Staat und Religion führen, warnte er.

Der Staatspräsident und Regierungschef ist im Juni mit mehr als 75 Prozent für weitere vier Jahre gewählt worden. Einige Monate früher hatten die Reformer einen ähnlich starken Sieg bei den Parlamentswahlen errungen. Demokratie steht aber in Iran unter Vorbehalt des Islam. Gesetzentwürfe werden daher durch den von Geistlichen dominierten Wächterrat auf ihre Übereinstimmung mit dem Islam kontrolliert. Weil sich das Parlament zunächst geweigert hatte, zwei Kandidaten der konservativen Justiz in diesen Wächterrat zu wählen, hatte das geistliche Oberhaupt Irans, Ajatollah Ali Chamenei die Vereidigung Chatamis verschoben und sie erst dann erlaubt, als das Parlament einlenkte. Die Macht des Ajatollahs geht sogar so weit, daß er das Staatspräsident nach Belieben absetzen kann. Davon machte Khomeini - der Vorgänger Chameneis - Gebrauch, als er 1980 den mit überwältigender Mehrheit gewählten Staatspräsident Abdol-Hassa Bani-Sadr absetzte.

Eine weitere Besonderheit der islamischen Demokratie ist die iranische Justiz, deren Spitzen durch den Ajatollah ernannt wird. Ihr ist es bisher gelungen alle Anläufe der Reformer um Chatami zur Liberalisierung der Presse zu vereiteln. Die entsprechenden Zeitungen werden einfach verboten und mißliebige Journalisten eingesperrt. Nur wenige Stunden nach der Vereidigung Chatamis wurde die führende Tageszeitung der Reformer auf richterlichen Beschluss eingestellt. Die durch das neugewählte Parlament angestrebte Reform des Pressegesetzes konnte Ajatollah Chamenei ohne Mühe verhindern. Er ließ das Thema einfach von der Tagesordnung streichen.

Noch schlimmer als diese Selbstherrlichkeit ist allerdings die Tatsache, daß sowohl Reformer wie Konservativen ein gemeinsames Ziel haben. Auch die Reformer wollen eine Trennung von Staat und Religion verhindern. Es wird nur darüber gestritten, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Diese Tatsache wird von Außenstehenden leicht übersehen. Die Reformer werden daher oft für Gegner des Gottesstaates gehalten. Dies wird ihnen zwar von den Konservativen unterstellt, selber bestreiten sie das aber mit aller Entschiedenheit. Sie stehen zur islamischen Revolution. Und es fragt sich, ob es ihnen dabei nur darum geht, das eigene Leben zu retten.

Würde Chatami auch dann auf Gewalt verzichten, wenn seine Hoffnung enttäuscht wird, die Theokratie vor dem iranischen Volk retten zu können? Darüber läßt sich bisher nur spekulieren. 1979 standen die Wähler vor der Alternative, für eine islamische Republik oder für die Beibehaltung der absoluten Monarchie zu stimmen. Sie haben die Monarchie abgewählt und dafür eine absolute Theokratie bekommen. Die heutige Alternative könnte auch so eine Falle sein.

Vielleicht hat Chatami Recht mit seiner Einschätzung, daß der religiöse Fundamentalismus einer schwindenden Minderheit zu einer laizistischen Gegenreaktion führen kann. Dies ist aber vielleicht das Beste, was Iran passieren kann. Es darf nur nicht solche Formen annehmen wie in der Türkei, wo die Religion aus weiten Teilen des verstaatlichen Geisteslebens verdrängt wird. Dieser Machtmißbrauch des Staates führt nämlich unweigerlich zu einer neuen - fundamentalistischen - Gegenreaktion, die bei ihren Terrorakten mit den Sympathien weiter Teile der Bevölkerung rechnen kann.