Pflichtfach Monopolethik

26.06.2001

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat heute mit der mündlichen Verhandlung über das Schulfach "Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde" (LER) in Brandenburg begonnen. Das Land hatte bundesweit als Einziges das Fach 1996 anstelle des Religionsunterrichts eingeführt, der nach dem Grundgesetz § 7, "in den öffentliche Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach" ist. Deshalb klagten noch im selben Jahr die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, mehrere katholische Bistümer, die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg sowie katholische und evangelische Eltern gegen die Regelung. Die Kläger kritisieren insbesondere die Monopolstellung von LER und fordern den Religionsunterricht als zusätzliches Unterrichtsfach, oder als Kompromiss die Einführung einer Wahlmöglichkeit für Schüler zwischen Religionsunterricht und LER. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, sagte vor dem Beginn der Verhandlungen in Karlsruhe, er streite "in erster Linie für den Religionsunterricht und nicht gegen LER". "Wir möchten das Monopol von LER aufbrechen", fügte er hinzu. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) betonte dagegen, das Fach habe in den Schulen eine "hohe Akzeptanz". Er sei dagegen, den Religionsunterricht als ordentliches Fach einzuführen, da 75 Prozent der Schüler in Brandenburg nichts mit der Kirche zu tun hätten.

Das umstrittene Schulfach "Lebensgestaltung, Ethik und Religionskunde" (LER) im ostdeutschen Bundesland Brandenburg geht auf Bestrebungen der DDR-Bürgerrechtsbewegung zurück. Sie wollte in den Schulen ein Fach einrichten, das jungen Leuten Hilfestellung bei der Lebensgestaltung geben sollte. Die jahrzehntelange Ausgrenzung von Fragen der individuellen Lebensbewältigung, von Angeboten pluralistischer Ethik und der Religion aus den Schulen sollte überwunden werden, hieß es damals in der Begründung. 1991 brachte Brandenburg das Fach auf den Weg. Nach einem dreijährigen Modellversuch wird LER seit 1996/97 als staatliches Pflichtfach in den Schulen der Sekundarstufe I (Klassen 7 bis 10) eingeführt. Es hat den Anspruch, wertorientierten Unterricht ohne Bekenntnis zu einer Religion zu vermitteln. Die Einführung erfolgt schrittweise von der 7. Klasse an. Der evangelischen und der katholischen Kirche wurde gestattet, in eigener Regie Unterricht an Brandenburgs Schulen zu erteilen. Religionsunterricht ist aber kein ordentliches Unterrichtsfach.

Kardinal Lehmanns Einwand gegen die Monopolstellung ist völlig berechtigt, aber er sollte sich nicht selbst zum Monopolisten oder Mitmonopolisten machen. Er sollte sich dafür einsetzen, dass die Entscheidung über den Unterrichtsinhalt eine Sache zwischen Lehrern, Eltern und Schülern wird. Dafür muß die Monopolstellung weg von LER. Aber die konfessionellen Kirchen sollten sich in diesem Sinne damit zufrieden geben, dass Religionsunterricht kein ordentliches Fach, sondern zusätzliches Wahlfach sei. Bei nur 25% kirchennahen Schülern wäre alles andere eine Zumutung. Und wenn die Kirche über diese 25% hinaus will, muß sie sich eben ins Zeug legen, - das wäre gut für die Schüler und für die Kirche.